Die zahlreichen Baustellen der Krise: Inflation, Energiepreise und Zuwanderungs-Debatte
„Wenn sie kein Brot haben, dann sollen sie doch Kuchen essen!“ So dürften sich die bisherigen Antworten der Regierung auf die Inflation aktuell für einen breiten Teil der Bevölkerung anfühlen. Die Energiepreise steigen, die Lebensmittelpreise damit ebenso. Reaktion der Regierung bleibt vorerst der Ausgleich durch Einmalzahlungen. Ein Beschwichtigungsversuch, wenngleich auch eine Steuerreform im Raum steht. 8 Prozent Inflation gegen den bisherigen 150 € Energiegutschein und andere Einmalzahlungen. Während die Ärmsten der Armen um ihr Essen bangen, cashen Energiekonzerne ab. Parallel dazu die Klimakrise und der Ukraine-Konflikt. Zudem die Zuwanderungsdebatte, die jedoch falsch geführt wird. Viele Krisen, wenig Antworten – es scheint, als werfe die Regierung Nebelgranaten, um von ihrer Ratlosigkeit abzulenken. Auf der anderen Seite muss man gestehen, dass Kurzschlussreaktionen auch nicht die Lösung sind. Aber es braucht Lösungen.
Abgesehen von der Abschaffung der kalten Progression, die aktuell zur Debatte steht, scheint die Schwarz-Grüne Regierung noch nicht wirklich ein effektives Mittel gegen die Inflation gefunden zu haben. Die Einmalzahlungen sind nicht selten im Verhältnis zu den steigenden Preisen ein Tropfen auf den heißen Stein. Vor allem der ärmere Bevölkerungsteil ist von den Preissteigerungen betroffen. Logisch: Ist doch das Verhältnis zwischen gleichbleibendem Einkommen und steigenden Preisen für sie deutlicher spürbar.
Energiekonzerne mit großen Gewinnen: Der Merit-Order-Effekt
Die Abhängigkeit von Energie trifft jeden. Während die Gewinne bei den Energiekonzernen steigen. Daran tragen aber nicht nur die Energie-Konzerne die Schuld, sondern ein System zur Preisberechnung. Der sogenannte Merit-Order-Effekt zieht hier seine Kreise. Das bedeutet, dass das teuerste Kraftwerk den allgemeinen Preis bestimmt. Nachdem der Ausbau der erneuerbaren Energien noch nicht fortgeschritten genug ist, um von der fossilen abzukehren, hat der Einmarsch Russlands in die Ukraine einen überaus negativen Effekt. Steigen doch die Preise für Öl und Gas.
Durch den Anstieg der fossilen Energiepreise ziehen diese den allgemeinen Preis nach oben – dies bedeutet wiederum, dass Energiekonzerne mit Wind- und Wasserkraftwerken beispielsweise bei gleichbleibenden Betreibungs- und Erhaltungskosten höhere Preise verlangen müssen. Müssen? Ja, denn die Merit-Order regelt es eben so.
Deshalb brachte sogar Bundeskanzler Nehammer eine für die ÖVP ungewohnte Aussage. Gewinne abschöpfen. Das hatte einen schlechten Effekt auf den Aktienkurs, was wiederum Anleger:innen verärgerte. Seitdem kommt nichts mehr von der ÖVP. Demgegenüber prescht jetzt die SPÖ erneut vor – und fordert zusätzlich, dass die Abschöpfung nicht nur für staatsnahe Energiekonzerne gelten soll. Dies ist bereits in einigen europäischen Ländern Realität, während Österreich noch debattiert.
Regierung heute zur Diskussion bzgl. Übergewinne von Energieunternehmen: „Kein Eingriff der Politik mehr notwendig.“ An einem Tag mit neuem Inflationsrekord von 8%. Nichts tun. Abwarten. Klingt nach echt super Plan. (prw)
— Pamela Rendi-Wagner (@rendiwagner) May 31, 2022
Die lange Rede von Sozialleistungen
Während Einmalzahlungen nur sehr kurzfristig Abhilfe schaffen und zumeist sofort zu 100 Prozent wieder zurück in die Wirtschaft gehen, hätte eine langfristige Anpassung der Sozialleistungen einen nachhaltigen Effekt. Gegen diese stellt sich die türkis-grüne Bundesregierung aber noch vehement. Dabei ginge es hierbei um längst überfällige Anpassungen und nicht etwa um gönnerhafte Erhöhungen.
Aktuell kündigt Sozialminister Rauch ein erst im Herbst kommendes Paket gegen die Inflation an. In dieser Ankündigung schwächt er zudem den Vorstoß für die Abschaffung der kalten Progression ab – möglicherweise gibt es hier nur ein temporäres Aussetzen als Resultat. Parallel dazu spricht man sich von Regierungsseite weiterhin nur für zeitlich begrenzte Transfers aus, obwohl die einhellige Meinung vertreten wird, dass die Teuerung nicht mehr den Stand vor der Krise erreicht. Also bleiben die Preissteigerungen zeitunabhängig, die Sozialleistungen sollen aber zeitlich begrenzt sein?
Die parlamentarischen Hürden sind natürlich ein Argument für die Verzögerung des Maßnahmenpakets. Jedoch aber nicht für die zeitliche Beschränkung der Sozialleistungen.
Paradoxe Kommunikation mit langfristigen Folgen
Während also die Sicherheiten für die Familiengründung schwinden – und damit zeitgleich auch die potenziellen Erhalter:innen unseres Sozial- und Pensionssystems – wettert die Regierung weiter gegen Zuwanderung. Die Abhängigkeit von Zuwanderung in Österreich ist längst bewiesen, könnte sich aber durch die aktuellen Entwicklungen nochmals verstärken. Somit ist neben der akut steigenden Altersarmut auch hier ein langfristiger Zuwachs zu erwarten. Dennoch fokussiert sich die Regierung auf Staatsbürgerschafts- und Asyldebatten.
Während das Sozialsystem keine Anpassungen erfährt, scheint es so, als wäre es ein kalkuliertes Mittel, um dasselbe zu erhalten. Beziehungsweise erweckt es den Eindruck, es gäbe keinen Abbau des Sozialstaates, aber Nachbesserung eben auch nicht. Obwohl gemessen an den Lebenshaltungskosten die Sozialleistungen längst nicht ausreichen, wie die steigende Zahl an armutsgefährdeten Menschen in Österreich zeigt. Egal, wie man es sieht – das Wettern gegen Zuwanderung scheint anhand dieser Entwicklungen absolut paradox. Aber es sind so manche Dinge paradox, die von der ÖVP kommen.
Letztlich bleibt zu sagen – längst überfällige Reformen könnten jetzt in Angriff genommen werden. Sozialleistungen, das Steuersystem mehr auf Vermögen zu verlagern und Förderung von Innovation, was in Hinblick auf die Klimakrise sowieso nötig ist.
Titelbild © Unsplash
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