Verpasst hat es wohl niemand. Riesige Explosionen, erschreckende Bilder, zerstörte Häuser und verzweifelte Menschen – der Libanon, vor allem Beirut ist in den Medien aktuell omnipräsent. Dass da einiges schiefläuft, ist aber kein neues Problem. Ein kurzer Einblick in die Geschichte des Landes, und warum es schon vor Jahrzehnten mediale Aufmerksamkeit verdient hat:
Bürgerkrieg 1975 – soziale Krise
Bewaffnete Konflikte auf den Straßen vor 35 Jahren: Eine Präsidentschaft, die durch Waffengewalt erzielt wurde, war der Beginn der Misere. Kurzgefasst bekämpften sich dadurch von 1970 bis 1990 Christen und Muslime im Libanon.
Die Ursachen werden bis heute stark diskutiert: Links gegen rechts, soziale Ungleichheit und Religion sind die Hauptschlagwörter. Teilenehmer waren der Libanon, Syrien, Palästina, Israel und – wie immer – die Vereinigten Staaten. Der Krieg forderte knapp 100.000 Todesopfer und vertrieb 800.000 Menschen als Flüchtlinge aus dem Libanon.
1990 endete der Krieg mit einer paritätischen Sitzaufteilung im libanesischen Parlament. Damit war aber nicht alles gegessen. Das Eisenbahnnetz im Libanon, das durch den Krieg zur Gänze zerstört wurde, liegt bis heute still. Seitdem stand der Libanon stark unter israelischem Einfluss.
Die israelische Armee machte sich erst 2000 auf den Rückweg. Bewaffnete Konflikte waren trotzdem Tagesordnung, bis sie 2006 zum zweiten Libanonkrieg führten. Nach 33 Tagen und unzähligen zivilen Opfern als auch mächtigem Druck der UN kam es zu einem Waffenstillstand.
Die Blaue Linie
Üblicherweise werden Grenzen unter zwei Staaten verhandelt, nicht in diesem Fall. Um weitere bewaffnete Konflikte zwischen Israel und dem Libanon zu unterbinden, griff die UN mit der blauen Linie zwischen den beiden Staaten ein. Dass das nicht immer funktionierte, beweist nicht zuletzt der Libanonkrieg 2006, der aus der Verletzung von UN-Regeln resultierte.
Ökonomische Krise
Vor dem Krieg 1975 galt Beirut als die Bankmetropole des Orients. Der Libanon war das wichtigste Finanzzentrum des Nahen Ostens. Beirut vermittelte wirtschaftlich zwischen Europa und den Golfstaaten.
Während des Kriegs wurde der Libanon in seiner wirtschaftlichen Funktion als Bindeglied zwischen der EU und dem Nahen Osten durch Dubai ersetzt. Durch massive Raketeneinsätze, Bombenanschläge und Straßengefechte hatte die libanesische Regierung keine andere Wahl als sich zu verschulden, um das Land wiederaufzubauen.
Da sich die Lage mit dem Waffenstillstand nicht verbessert hat, steckt der Libanon bis heute in einem riesigen Schuldenberg. Durch den Syrienkrieg 2011 wanderten eine Million Flüchtlinge in den Libanon ein. Damit gab es billige Arbeitskäfte en masse, Libanesen verloren ihre Jobs und landeten auf der Straße.
Im Umkehreffekt sanken Löhne, Nahrungsmittel und Medikamente wurden teurer. Banken kollabierten und heute sind 50% der libanesischen Bevölkerung arbeitslos. Resultate sind Kriminalität und Proteste. Die Polizei beobachtet vor allem „Hungerdiebstähle“: Babymilch, Medikamente und Lebensmittel.
Hilfe kommt oft garnicht oder zu spät. Der Libanon wird als nicht zahlungsfähig und nicht kreditwürdig gehandelt.
Die Proteste verlaufen großteils friedlich und mit Humor. Zum Beispiel wurde bei deiner Demonstration, der libanesische Lira in einem Sarg über die Straßen Beiruts getragen: die örtliche Währung fällt jährlich ca. um die Hälfe.

Credits: Shutterstock
Politik lässt Bevölkerung im Stich
Der Libanon gilt als „Hybridregime“, eine Mischung aus demokratischen und autoritären Elementen. So ist zum Beispiel seit 2014 Homosexualität kein Verbrechen mehr, die Polizei ist trotzdem weiterhin befugt, betroffene Menschen einzuschüchtern und zu registrieren.
Ewige Konflikte und Gesetze, die nicht durchgeführt werden, sind auf die konfessionelle Quoten- und Positionsverteilungen zurückzuführen. Im Parlament herrscht also ein ewiger Machtkampf, gezeichnet von Korruption, Verantwortungslosigkeit und Intrigen. Dabei werden jene vollkommen vergessen, für die die Politiker eigentlich ihren Job machen: die Bevölkerung.
All-time low als Chance
2020 könnte es nicht schlimmer für ein Land laufen. Hier gilt es eine katastrophale Krise als Möglichkeit für eine Wende wahrzunehmen. Das Parlament muss neu aufgestellt werden und neutral agieren.
Aber alles step by step. Eine nicht funktionierende Regierung aufzulösen, bedeutet nicht dass eine funktionierende daraus resultiert. Der erste Schritt sind rein demokratische Wahlen, ohne Waffengewalt, frei von Religion und Macht.
Titelbild Credits: Shutterstock
DAS KÖNNTE SIE AUCH INTERESSIEREN
Eisbaden: Ein frostiger Trend, der nicht immer gut ausgeht
Einst nur von hart gesottenen Naturfreunden praktiziert, hat sich das Eisbaden mittlerweile zu einem regelrechten Hype entwickelt. Ob in den […]
Nikotinbeutel in Po, Penis und Vagina: Experten warnen vor Trend aus Dänemark
In Dänemark sind Nikotinbeutel sehr beliebt. Für gewöhnlich schiebt man sich diese, ähnlich dem Snus, unter die Oberlippe. Doch immer […]
Alle schauen nach rechts zur Coronakrise, während sich links wieder der Neoliberalismus austobt!
Es steht außer Frage, dass das Coronavirus die Welt in Atem hält und unser bisheriges Leben massiv auf den Kopf stellt. Ebenso, dass dieses Virus für den Tod vieler Menschen verantwortlich ist.
Doch ist die Frage, wer denn nun wirklich Schuld sei an dieser Krise - der wirtschaftlichen und der gesellschaftlichen –, mit Sicherheit nicht einfach mit dem Coronavirus zu beantworten. Deshalb stelle ich mich dieser Frage und versuche, den Problemen neue Perspektiven zu verleihen.
Fubar mit Arnold Schwarzenegger: schwache Agenten-Action, aber fulminante Netflix-Comedy
Arnold Schwarzenegger ist zurück und hat sich mit Netflix zusammengetan, um seine Fans mit der Agenten-Komödie Fubar zu erfreuen.
Vorsicht vor Fake-Apotheken im Internet
Immer mehr Fake Apotheken im Internet. Worauf du achten musst, wenn du nicht über den Tisch gezogen werden willst.
Zwischen Porno und Liebe: Film durchleuchtet Hintergründe
Das Unterfangen, die Pornoindustrie cineastisch darzustellen, ist niemandem so gut gelungen, wie Evgeniy Milykh mit seinem Ausnahmefilm Artem & Eva.