Die Wirkung von Ayahuasca zieht seit Jahren immer mehr Menschen in ihren Bann. Der psychedelisch wirkendende Pflanzensud wird in Form eines Tees konsumiert und soll das Bewusstsein erweitern. Bei uns fällt die Substanz (DMT) unter das Betäubungsmittelgesetz und ist illegal. In Brasilien zum Beispiel wird Ayahuasca jedoch von allen Generationen getrunken, teils von Kindern und der religiöse Gebrauch ist rechtlich garantiert. Um mehr über eine Ayahuasca Zeremonie zu erfahren, haben wir jemanden getroffen, der mehr als nur ein Ayahuasca Retreat besucht hat.
Ayahuasca Retreat: Insider spricht über eine Ayahuasca Zeremonie
Wie kam es, dass du dich dazu entschlossen hast, ein Ayahuasca Retreat zu besuchen?
Mir ging es einfach dreckig und eine Freundin, die Erfahrung mit Ayahuasca gemacht hat und auch jährlich nach Brasilien oder Kolumbien fliegt, um diverse Ayahuasca Zeremonien zu besuchen, hat mir das ans Herz gelegt. Seit dem war ich auf 12 verschiedenen Ayahuasca Retreats, neunmal in Österreich und dreimal in Kolumbien.
Der in den Blättern enthaltene Wirkstoff DMT (Dimethyltryptamin) unterliegt dem österreichischen Suchtmittelgesetz, die Pflanzen selbst jedoch nicht. Wie wurdest du auf diese Ayahuasca Zeremonien aufmerksam gemacht?
Hauptsächlich durch Mundpropaganda. Ab einem gewissen Punkt fingen die Veranstalter dann aber an, mir auch persönlich zu schreiben. Scheinbar gibt es da eine geheime Szene.
Wo finden diese Ayahuasca Retreats genau statt?
Außerhalb der Städte. Am Land. Denn es geht bei der Ayahuasca Zeremonie auch um die Naturverbundenheit. Ich würde Ayahuasca niemals in einer Stadtwohnung nehmen.
Wie fühlt man sich bei einem Ayahuasca Retreat?
Wie hast du dich gefühlt, als du das erste Mal an einer Ayahuasca Zeremonie teilgenommen hast? Gab es bestimmte Erwartungen oder Ängste?
Als drogenerfahrener Mensch hatte ich sehr großen Respekt, aber auch Angst vor dem Phänomen Ayahuasca. Ich habe einen Monat vor dem Termin eine strikte Rohkost-Diät eingehalten. Keine Drogen, kein Alkohol, kein Sex, keinen Zucker, kein rotes Fleisch, und nur sehr wenig Salz.
Und diese Diät ging von dir selbst aus oder muss man das im Vorfeld so machen?
Du musst zwei Wochen vor jedem Ayahuasca Retreat eine Diät halten. Es ist wichtig, den Körper zu reinigen und gut auf die Zeremonie vorzubereiten. Leute, die zum Beispiel Kokain und Ayahuasca mischen, begeben sich in Lebensgefahr. Drogen, wie eben Kokain, aber auch andere Medikamente stehen in einer gefährlichen Wechselwirkung mit Ayahuasca. Es gibt viele Drogen, die man nicht zusammen mit der Medizin Ayahuasca kombinieren sollte. Daher eben diese Diäten bzw. körperlichen Reinigungen, bevor man Ayahuasca zu sich nimmt. Auch Leute mit Psychosen sollten lieber die Finger davonlassen. Aber über all diese Dinge klärt einem im Vorfeld der Zeremonie der leitende und gut ausgebildete Schamane auf.
Ayahuasca: Adriano spricht über den typischen Verlauf einer Ayahuasca Zeremonie
Wie verläuft typischerweise eine Ayahuasca Zeremonie?
In der Regel führt der durchführende Schamane im Vorfeld Einzelgespräche mit den teilnehmenden Personen. Dabei erfährt er mehr über deren inneren Dialog und die Themen, an denen sie während der Zeremonie arbeiten möchten. So bestimmt er die jeweilige Dosis des Ayahuasca-Tees. Die Tee-Menge wird nämlich an bestimmte Faktoren angepasst, unter anderem auch die Körpergröße. Frauen bekommen Ayahuasca in der Größe einer Espresso-Schale verabreicht. Größere Menschen bekommen eine Menge, die vielleicht zwei Espresso-Schalen entspricht. Bei mir war das zumindest so.
Ist der Schamane essenzieller Bestandteil eines jeden Ayahuasca-Retreats?
So ist es. Der Schamane, also in Kolumbien sagt man Taita, arbeitet mit dem Hellen und dem Dunklen. Er versucht das Gute und das Böse auszutarieren, — vergleichbar mit dem Ying und Yang. Die Ursprungsländer des Ayahuasca sind Brasilien, Kolumbien und Peru. Und da sind auch die Zeremonien unterschiedlich. Jede Kultur hat da eine andere Herangehensweise und es steckt überall eine andre Mythologie dahinter.
Ich konnte bis jetzt nur die kolumbianische Zeremonie machen. Aber die brasilianische Zeremonie ist anders, insofern da die Schamanen weiß angezogen sind, Kirchengesänge eingebaut werden und, soweit ich weiß, dazu Marihuana geraucht wird. In Kolumbien ist das Rauchen von Marihuana in Zusammenhang mit der Ayahuasca-Einnahme jedoch verpönt.
Die Leitung einer Ayahuasca Zeremonie übernimmt immer ein echter Taita, der auch selbst in den Dschungel geht, die Utensilien erntet, kocht und vorbereitet. Oft wird die Zeremonie mit einem Tabak-Pflanzen-Ritual eingeleitet, bei dem dir die leitende Person ein Taback-Pflanzen-Aschegemisch in die Nase bläst. In einem nächsten Schritt wird der Raum mit Copal-Weihrauch geräuchert, um den Körper spirituell zu reinigen.
Ayahuasca Zeremonie: Höhepunkte und Nachwirkungen
Wie verläuft die Reinigung vor der Ayahuasca-Zeremonie?
Nachdem die Teilnehmenden den Sud aus Hoasca und Chakruna getrunken haben, kommt es oft zu Erbrechen, was der Reinigung und Entschlackung des Körpers dient. Dadurch soll eine Leichtigkeit des Körpers herbeigeführt werden, um in noch tiefere Bewusstseinsebenen vorzudringen. Bei mir ist das immer ganz radikal: Ich kotze und kacke gleichzeitig (das ist bei mir Standard). Und während dessen setzen auch schon die Visionen ein. So maximal dreißig Minuten, nachdem ich es getrunken habe. Begleitet natürlich von den Gebeten des Taita bzw. der Musik, welche die ganze Nacht über angestimmt wird. Denn die Musik ist ein wichtiger Aspekt des Ganzen.
Was geschieht während des Peaks der Ayahuasca-Wirkung?
Der Peak tritt meist im Zeitraum zwischen einer und drei Stunden nach der Einnahme auf, — zu der Zeit sind auch die Halluzinationen und Visionen am stärksten. Experten zufolge erlaubt die Hoasca-Liane dem Geist, Antworten zu finden, die sonst nicht zugänglich wären. Diese kommen von sogenannten Schutzgeistern, die während der Zeremonie sprechen. Ayahuasca hilft dabei, das Ego aus dem Weg zu räumen und eine tiefe Verbundenheit mit der Welt zu erfahren. Begleitet wird das Ganze von Visuals, Spirit Animals, Soundverzerrung. Die Tiere, die da erscheinen, haben dann eine spezielle Bedeutung und zu jedem Tier gibt es bestimmte Mythen.
Wie endet die Ayahuasca-Zeremonie?
Erfahrene Schamanen oder Heiler wissen in der Regel sehr genau, wann alle Teilnehmer ihre „Arbeit“ beendet haben, und beenden den Ritus entsprechend. Spätestens endet die Zeremonie jedoch mit dem Abklingen der Wirkung, was in der Regel nach etwa sechs bis acht Stunden geschieht. Diese Zeremonien dauern im Grunde aber immer bis zum Sonnenaufgang.
Nachwirkungen der Ayahuasca Wirkung
Was passiert danach?
Wenn du dich nicht gleich wieder vergiftest, Alkohol trinkst und Drogen nimmst, dann hast du noch zwei Wochen nach der Zeremonie ein anhaltendes anti-depressives Glücks- und Schwebegefühlt.
Wie unterscheiden sich die Ayahuasca Zeremonien in Kolumbien und in Österreich?
Die Ayahuasca Retreats in Kolumbien sind anders, ganz klar. Da liegt man nicht neben einem Eimer, der einem für das Kotzen bereitgestellt wird, sondern man sitzt normal auf einem Sessel und die Leute, wenn sie denn erbrechen, verlassen ganz normal den Raum und machen das draußen. Es ist vielleicht noch wichtig zu wissen, dass es gut ist zu erbrechen, um die Blockaden herauszubekommen.
Das Ayahausca Retreat: eine spirituelle Erfahrung
Was passiert während so einer Zeremonie? Was tut man da so?
Es ist alles möglich. Leute schreien und lachen, durchleben Kriegstraumata. Man kann das gar nicht so pauschalisieren. Manche Leute tanzen, andere bewegen sich viel. Man muss aber generell sehr oft aufs Klo. Doch es ist alles möglich. Wie man sich eben fühlt. Denn jeder und jede ist in einer ganz eigenen Welt. Klar ist man auf einer gemeinsamen Reise, aber dennoch konzentriert man sich nur auf sich selbst. Das heißt, dass die anderen Menschen gar nicht so störend sind. Und der Taita schreitet natürlich sofort ein, wen er merkt, dass es einem zu viel wird. Er unterbricht den Zustand dann mit Kräutern oder einer Zitrone.
Hast du während der Zeremonie eine Verbindung zu spirituellen oder transzendenten Erfahrungen gespürt?
Ja, auf jeden Fall. Ich habe mich sehr mit der Natur verbunden gefühlt, war im Einklang mit der Natur. Ich habe ein Einheitsgefühl empfunden, dass ich vorher so niemals erfahren habe. Als wäre ich an einem kollektiven Bewusstsein dran: Eine Welt und Naturverbundenheit, eine Konnektivität zum globalen Bewusstsein. Eine Art Datastream, der dir Wissen von oben herunterschickt.
Gab es Momente während der Zeremonie, in denen du dich unwohl gefühlt hast oder Angst hattest?
Angst habe ich keine empfunden. Aber eine Traurigkeit hat mich eingenommen, das schon. Aber auch das ist von Mensch zu Mensch verschieden. Es ist alles sehr individuell. Für mich war eben die Traurigkeit bestimmend.
Fazit
Ayahuasca ist wohl der Trend der vergangenen Jahre. Das Tee-Gebräu ist weiterhin eine Nische, doch der Konsum steigt an. Und zwar nicht nur im Dschungel – sondern auch bei uns gibt es immer mehr Ayahuasca-Angebote.
Bei uns verboten, wissen etliche amerikanische Naturvölker sowie indigene Völker in Südamerika seit Jahrtausenden, wie heilsam die Wirkkräfte natürlicher psychedelischer Substanzen sein können. In Brasilien wird Ayahuasca quer durch alle Generationen und Schichten getrunken. Der religiöse Gebrauch ist in Brasilien sogar rechtlich garantiert und selbst in den USA seit 2006 legalisiert.
Titelbild © Shutterstock
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