Der ganz normale Esoterik-Wahnsinn: Ist Österreich noch zu retten?

Die Corona-Pandemie hat mit ihren unzähligen Lockdowns die Sichtungen vermeintlich paranormaler Phänomene noch einmal in die Höhe getrieben. Doch in Österreich scheint der Glaube an Geister und Übernatürliches schon länger ein Trend zu sein.
Esoterik – ein Riesengeschäft, voll im Trend
Die Zahl der Energetiker und Energetikerinnen steigt in Österreich immer weiter nach oben. Jährlich verzeichnet die WKO (Wirtschaftskammer Österreich) einen stetigen Zuwachs dieser Beschäftigung. Mittlerweile gibt es schon 18.800 Humanenergetiker:innen und 821 Tierenergetiker:innen in Österreich.
Johannes Fischler, Autor und Experte auf diesem Gebiet, schätzt, dass in Österreich rund zwei Milliarden Euro jährlich für diesen Bereich ausgegeben werden. In Deutschland soll die Esoterik-Industrie geschätzte 20 bis 25 Milliarden Euro pro Jahr umsetzen. Da diese Zahlen nicht ganz aktuell sind, kann man davon ausgehen, dass der tatsächliche Umsatz dieses Geschäftszweigs in beiden Ländern noch um einiges höher ist.
Ein Wünschelrutengänger für 800 Euro
Großes Problem dabei ist, dass „der esoterische Wahnsinn im Verlauf der vergangenen 20 Jahren Einzug in die gesellschaftliche Mitte gefunden“ hat, so Fischler. Einer der Vorreiter in diesem Business ist der in Wien beheimatete Wünschelrutengänger Johann Janisch. Vor knapp 30 Jahren wagte dieser den Schritt in die energetische Selbstständigkeit und ist seitdem weltweit unterwegs. Aber auch in Österreich natürlich, wo er vor etwa fünf Jahren für die Marktgemeinde Wiener Neudorf (Bezirk Mödling) professionell tätig gewesen ist, um bei der Entstehung eines Inhalatoriums für 250.000 Euro zu helfen.
„Die 800 Euro, die der Herr Janisch verlangt, waren da ein Tropfen auf dem heißen Stein – und wenn wir dieses Projekt schon machen, dann richtig“, sagte der Bürgermeister Herbert Janschka (ÖVP) damals. Im Baugewerbe alles richtig zu machen bedeutet mittlerweile also genau das: einen Wünschelrutengänger zu engagieren.
Esoterik als Religionsersatz: Laut Umfrage glauben 72 Prozent an Karma. An die Allmacht Gottes jedoch nur 39 Prozent.
Größere Dimensionen – 95.000 Euro Steuergeld für energetischen Schutzwall
Dass es nicht bei diesem Tropfen auf dem heißen Stein bleibt, verwundert mittlerweile keinen mehr. Uns allen sind vermutlich noch immer die 95.000 Euro in Erinnerung, die der Wiener Krankenanstalten Verbund (KAV) einem „Bewusstseinsforscher“ gezahlt hat, um das Grundstück des Wiener Krankenhauses Nord u.a. von „Energieflüssen zu reinigen“ und einen „Energetischen Schutzwall“ um das Spital zu legen.
Zahl der Geistersichtungen bzw. vermeintlicher Geistersichtungen steigt
Mittlerweile hat sich dieser „esoterische Wahnsinn“, wie Fischler das bezeichnet, intensiviert und sich sogar noch in eine andere Richtung ausgebreitet: das Jenseits. Denn seit kurzem nehmen auch die Geistersichtungen zu, wie eine Arte Reportage erläutert. „Seit Beginn der Corona-Pandemie beschäftigt sich eine wachsende Zahl von Menschen in Europa mit paranormalen Phänomenen. Die Zahl vermeintlicher Geister-Sichtungen ist stark angestiegen. ‚Jenseitsforscher‘ haben Hochkonjunktur“, so der Aufmacher.
Und tatsächlich. Die Zahl von Meldungen vermeintlich paranormaler Vorfälle in privaten Haushalten hat sich in einigen Ländern Europas seit dem letzten Jahr verdreifacht. Experten und Expertinnen sehen als Grund dafür natürlich den Stress durch Lockdowns und Arbeit im Homeoffice.
Die Expertinnen und Experten für das Jenseits sehen das natürlich anders. Caroline McKendrick und ihr Team der „Somerset Paranormal Investigators“ aus England orten diesbezüglich die steigende negative Energie als Ursache dafür. Wer von den beiden Lagern nun recht hat, daran schieden sich wohl die Geister – Zwinker.
Die österreichischen Ghostbusters aus Villach (Kärnten)
Doch nicht nur England, auch Österreich verfügt über eine Gruppe von profilierten Jenseitsforschenden. Das Projekt „Anderwelt“ aus Villach ist spezialisiert darauf, Geistererscheinungen aufzuklären. Wie in England macht man sich daher auch in Kärnten/Koroška mit Infrarotkameras, Bewegungsmeldern, Temperatursensoren und Stimmenrekordern auf den Weg, um nach dem Rechten zu sehen.
„Wir glauben, dass das Jenseits um uns herum ist. Es gibt keinen Himmel, keine Hölle, die Seelen leben auf einer anderen Ebene. Sie sind zwar nicht an Ort und Zeit gebunden, manche Seelen würden aber immer wieder zu gewissen Orten zurückkehren.“, so Michael Amlacher aus dem Team von Anderwelt, das sich selbst als „paranormale Ermittler“ versteht und nicht als Geisterjäger, in einem Artikel der Kleinen Zeitung.
Willkommen im Esoterik-Supermarkt
Während die paranormalen Ermittler in England wie in Österreich ihre Dienste nicht wirklich finanziell anbieten, sondern mehr so etwas wie ein Hobby betreiben, sieht es in der Esoterik-Industrie ganz anders aus. Denn die Vorzüge der esoterischen Lehren, spirituelle Erleuchtungen, metaphysische Heilung oder einfach nur Happyness gibt es nur für Geld. Im Gegensatz zu den paranormalen Ermittler:innen ist die westliche Esoterik nämlich ein schier grenzenloser Supermarkt aus transzendentalen, spirituellen und irrationalen Angeboten.
Die Pandemie hat nicht nur zu einem Haustierboom geführt, sondern vor allem ans Licht gebracht, dass sich irrationale Vorstellungen und Aberglaube bei erstaunlich vielen Menschen durchgesetzt haben. Und – vielleicht am erschreckendsten – in allen Gesellschaftsschichten anzutreffen ist. Fischler hat somit vollkommen recht: Der esoterische Wahnsinn ist in der Mitte der Gesellschaft angekommen.
Titelbild © Shutterstock
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