Es ist ein Thema, das früher oder später jeden beschäftigt. Viel zu häufig wird hormonelle Verhütung unreflektiert in Betracht gezogen und kann somit schwerwiegende Folgen haben. Liegt es an der Verhütung selbst oder spielen hierbei noch andere Faktoren eine wichtige Rolle?
Wer mit seinen Freundinnen – und emanzipierten Freunden – redet wird schnell merken, dass die meisten Leute negative Erfahrungen mit hormoneller Verhütung gemacht haben. Stimmungsschwankungen oder weniger Lust auf Sex zählen zu den meistgenannten Symptomen. Der Großteil der Frauen, die aufhören die Pille zu nehmen, erzählen von einem besseren Gesamtzustand. Wie kommt es dazu, dass trotzdem fast jede Frau an einem Punkt in ihrem Leben hormonell verhütet hat? Und gibt es langfristige Folge?
Ich war 16 Jahre alt und hatte meinen ersten richtigen Freund. Ich bin also rasch zu meiner Frauenärztin gegangen, die mir nach einem knapp 10-minütigen Gespräch die Pille verschrieben hatte mit dem Kommentar: „Dadurch wird Ihre Haut auch schöner.“ Neun Jahre später sitze ich nun da und fange an über diese Entscheidung nachzudenken.
Die meisten meiner Freundinnen nahmen damals auch die Pille. Was ursprünglich als Befreiung der Frau galt, fühlt sich heute für viele wie eine Belastung an. Junge Frauen fühlen sich teilweise schon unwohl, wenn sie die Pille nicht nehmen. Keine Sekunde habe ich damals über Alternativen nachgedacht.
Nach einiger Zeit fingen die ersten meiner weiblichen Freunde an die Pille wieder abzusetzen und realisierten schnell, dass es ihnen ohne Hormone viel besser geht. Ich nahm sie weiterhin. Warum hätte ich denn aufhören sollen, wenn ich keine starken Nebenwirkungen hatte?
Eigentlich bin ich ja ganz glücklich ohne hormonelle Verhütung. Aber diese PMS-Phase, in der ich ganz sicher eine völlige untalentierte Dilettantin bin, die keiner wirklich mag, könnte doch gerne weg … ?? pic.twitter.com/WwGMTWaEke
— Elea Brandt, queerfeministische Shitstormtrooperin (@EleaBrandt) November 10, 2019
Langfristige Nebenwirkungen
Viele Frauen erzählen vom Ausbleiben ihrer Monatsblutung und Unfruchtbarkeit, nachdem sie eine hormonelle Verhütung beendet haben. Wissenschaftliche Studien hingegen sehen keinen starken Zusammenhang. Im Schnitt dauert es ca. drei Monate bis sich wieder ein regelmäßiger Zyklus einpendelt. Das kurzfristige Ausbleiben der Regel wird sozusagen als „normale“ Folge nach dem Abbruch einer Verhütung mit Hormonen angesehen.
Einnahme von Hormonen überschattet häufig einen schon bestehenden Zustand
Woher kommt diese Diskrepanz zwischen persönlichen Erfahrungen und empirischen Studien? Dafür gibt es mehrere Gründe. Zum einen ist diese Art der wissenschaftlichen Forschung sehr schwierig durchzuführen. Nehmen wir an eine Frau fängt mit 16 Jahren an die Pille zu nehmen und hört mit 26 Jahren damit auf, weil sie schwanger werden möchte. Nach vielen vergeblichen Versuchen geht sie zum Arzt und bekommt die Diagnose unfruchtbar. Ist nun die langfristige Einnahme der Pille schuld oder war die Frau immer schon unfruchtbar oder gibt es gar einen ganz anderen Grund?
Während der Jugend ist es für die meisten Menschen noch kein Thema, ob sie einmal Kinder zeugen können oder nicht. Deshalb lassen sich die wenigsten auch dahingehend untersuchen. Unfruchtbarkeit ist nur ein Beispiel. Das Prinzip, dass die Einnahme von künstlichen Hormonen einen schon bestehenden Gesundheitszustand überschatten, kann lässt sich übertragen. Gerade während und gegen Ende der Pubertät haben wir eine ganz andere, teilweise verwirrende, Körperwahrnehmung.
Zum anderen haben wir Menschen eine Tendenz negative Erfahrungen mehr zu verbreiten und wahrzunehmen als positive. Wie viele Frauen reden denn darüber, dass sie keine Beschwerden nach der Absetzung hatten?
Nehmen wir hormonelle Verhütung auf die leichte Schulter?
Leider ist es in der Realität so, dass Ärzte oft nicht die Zeit haben, sich mit der gesamten Lebensgeschichte eines Patienten auseinanderzusetzen. Dabei wäre es doch gerade bei der Einnahme von Hormonen so wichtig. Zum Beispiel gibt es einen Zusammenhang zwischen der Pille und Thrombose. In den meisten Fällen ist das Risiko für eine durch die Anti-Baby-Pille ausgelöste Thrombose zu vernachlässigen.
Jedoch gibt es einige Faktoren, die das Risiko erhöhen wie Übergewicht, Rauchen und genetische Veranlagung. Rauchen und Übergewicht lassen sich leicht abklären, die Genetik jedoch nicht. Es gibt einige Krankheitsbilder, die teilweise relativ weitverbreitet sind (z.B. Faktor-V-Leiden), die zu einer Erhöhung des Thromboserisikos führen. Diese Personen sollten also unter keinen Umständen weitere Risikofaktoren in ihrem Leben einbauen, z.B. die Einnahme von östrogenhaltigen Kontrazeptiva.
Warum testen wir uns nicht auf genetisch bedingte Risikofaktoren?
Ganz einfach, weil diese Tests teuer sind und meist nicht von der Krankenkasse übernommen werden. D.h. jedoch nicht, dass wir ahnungslos durchs Leben gehen müssen. Genetisch vererbte Krankheiten werden ja eben vererbt.
Es lohnt sich also, sich im Verwandtenkreis umzuhören, ob es irgendwelche diagnostizierten Krankheiten oder Mutationen gibt. Sollte es dahingehend gewisse Indizien geben, lohnt es sich eventuell in den ein oder anderen medizinischen Test zu investieren bevor wir jahrelang künstliche Stoffe zu uns nehmen. Wer auf Nummer sicher gehen will, kann sich mit Alternativen zur hormonellen Verhütung beschäftigen.
Ohne hormonelle Verhütung habe ich das Gefühl meine Tage viel öfter zu bekommen.
Da bist viel geiler aber kannst dauernd nicht. Auch doof.
— ReMi ?? (@seitenspringen) February 27, 2017
Informieren vor der Entscheidung für hormoneller Verhütung
Wir verbringen ewig viel Zeit damit, ein Outfit für ein Date auszusuchen oder einen Film auf Netflix auszuwählen. Aber wenn es darum geht, was wir in unseren Körper reinwerfen, denken wir keine zwei Sekunden darüber nach. Oftmals ändern wir unseren Lebensstil erst, wenn es zu spät ist. Nehmt euch doch mal einen Tag Zeit und überlegt euch was ihr auf Dauer eurem Körper zuführen wollt.
Wir sind nicht alle gleich. Wir haben unterschiedliche Lifestyles, Genetik, Gesundheitsgeschichten, Bedürfnisse usw. Was für die eine funktioniert, ist bei der anderen ein Desaster. Gerade bei einem Eingriff in das natürliche Hormonsystem kann eine uninformierte Entscheidung schwere Konsequenzen tragen.
Kurz gesagt, hormonelle Verhütung ist nicht prinzipiell schlecht. Manche Frauen vertragen die Pille ganz gut, für andere funktioniert das Pflaster oder die Hormonspirale. Und einige können eben nicht mit Hormonen einer ungewollten Schwangerschaft vorbeugen.
Wenn ich heute daran zurückdenke, muss ich mir eingestehen, dass ich mit 16 Jahren weder die emotionale Stärke noch Reife hatte, mich mit diesem äußerst wichtigen Thema anständig auseinanderzusetzen. Meinem 16-Jährigen-Ich würde ich heute raten, mich bezüglich Verhütung wesentlich besser zu informieren, bevor ich kritiklos eine Pille einnehme, die möglicherweise einen großen Einfluss auf mein Leben nimmt.
Am Ende dieses Artikels will ich darauf hinweisen, dass die Verantwortung für Verhütung nicht nur von den Frauen getragen werden sollte. Es liegt auch im Interesse der Männer, keine unerwünschten Kinder in diese Welt zu setzten und Verantwortung für das Wohlbefinden eures Sexualpartners zu tragen.
Titelbild Credits: Shutterstock
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