Essbare Insekten drängen immer stärker auf den Lebensmittelmarkt. Trotz Ekelfaktor punkten die kleinen Krabbler nicht nur durch ihren hohen Proteingehalt, sondern auch durch eine umweltfreundlichere Produktion, im Vergleich zu Fleisch. Doch sind sie ein zu Unrecht gehyptes Ekel-Essen oder wirklich eine gesunde Bereicherung? Hier erfährst du alles, was du über gegrillte Heuschrecken und Co. wissen solltest.
Warum Insekten essen?
Statt Chips geröstete Wespen. Und statt Hackfleisch-Patties Würmer-Burger? Essbare Insekten gelten als vielversprechende Innovation im Lebensmittelbereich. Auch wenn es zunächst ungewöhnlich klingt, bieten essbare Insekten viele Vorteile: Sie enthalten viel Protein und ihre Produktion ist umweltfreundlicher als die von Fleisch.
- Hochwertige Proteinquelle: Insekten sind reich an Omega-3-Fettsäuren, B-Vitaminen und wichtigen Mineralstoffen. Der Proteingehalt von Insekten ist vergleichbar mit dem von Rind-, Schweine- oder Putenfleisch. Gefriergetrocknete Insekten enthalten sogar noch mehr Protein.
- Klimafreundlichkeit: Studien zeigen, dass Insekten im Vergleich zu Fleisch klimafreundlicher sind. Sie benötigen weniger Platz und Wasser und erzeugen weniger Treibhausgase. Der essbare Anteil von Insekten beträgt rund 80 Prozent, während er bei Rindfleisch nur etwa 40 Prozent beträgt.
Insekten essen: weniger Aufwand in der Produktion
„Wenn wir mehr Insekten und weniger andere tierische Produkte wie Schweinefleisch, Hühnerfleisch oder vor allem Rindfleisch essen, brauchen wir viel weniger Flächen für den Anbau der Nahrung dieser Tiere“, erklärt Jürgen Gross, Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für allgemeine und angewandte Entomologie (DGaaE) gegenüber watson.
Die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) hat diesbezüglich sogar Zahlen veröffentlicht. Diese verdeutlichen, dass für die Produktion von einem Kilogramm Rindfleisch die 25-fache Menge an pflanzlichem Futter aufgewendet werden muss. Für Schweinefleisch die neunfache und für Hühnerfleisch die vierfache Menge. Bei Insekten ist es diesbezüglich nur die doppelte Menge.
Vielfalt der essbaren Insekten
Während essbare Insekten in Deutschland und Österreich noch selten sind, dienen sie weltweit bereits zwei Milliarden Menschen als Nahrung. Zu den etwa 2.000 essbaren Insektenarten gehören auch die uns bekannten:
- Käfer
- Raupen
- Bienen
- Wespen
- Ameisen
- Heuschrecken
- Grillen
Insekten Essen: wo findet man essbare Insekten?
Essbare Insekten finden zunehmend ihren Weg auf den deutschen und österreichischen Markt, besonders online. Sie sind in verschiedenen Formen erhältlich: als ganze Snacks wie frittierte Heuschrecken, in Schokolade, gemahlen als Insektenmehl für Nudeln oder als Proteinriegel und -pulver für Sportler*innen.
Insekten als fester Bestandteil in den Lebensmitteln
In Supermarkt ist das Angebot noch sehr begrenzt, obwohl Insekten bereits fester Bestandteil so einiger Produkte sind. Die Insekten landen selbstverständlich nicht per Unfall in den Lebensmitteln, sondern sind einfach fester Bestandteil der Zutatenliste und als Zutaten für Lebensmittel erlaubt.
Dabei handelt es sich natürlich nicht um ganze Insekten mit Flügeln und Beinen. Diese fungieren vielmehr als „unsichtbare Zutat“ in Form von Pasten, in Mehl- oder Pulverform.
Lebensmittel, in denen Insekten enthalten sein können, gibt es daher so einige: Nudeln, Fertigsuppen, Knabbereien und Brot, um nur einige zu nennen. Hier findest du eine Liste der Insekten in Lebensmitteln.
Sicherheit beim Verzehr von Insekten
Da Insekten als Lebensmittel noch relativ neu sind, fehlen spezifische Regelungen in der Lebensmittel-Hygiene-Verordnung. In Österreich gibt es jedoch bereits Richtlinien, die sicherstellen, dass gezüchtete Insekten nach der Tötung hitzebehandelt oder anders keimfrei gemacht werden müssen.
Wie erkenne ich essbare Insekten in Lebensmitteln?
In verpackten Lebensmitteln müssen essbare Insekten in der Zutatenliste aufgeführt werden. Neben ihrem lateinischen Namen muss auch der gebräuchliche Name, wie Grillen (Acheta domesticus), genannt werden. Auch die Verarbeitungsform des Insekts, zum Beispiel Pulver, und eventuelle Allergenhinweise müssen angegeben werden.
Folgende Angaben in der Zutatenliste sind zu beachten:
- Hausgrille – Acheta domesticus
- Mehlkäfer – Tenebrio molitor
- Wanderheuschrecke – Locusta migratoria
- Getreideschimmelkäfer – Alphitobius diaperinus
Insekten Essen: rechtliche Vorgaben für Speiseinsekten
In der EU benötigen Insekten als Lebensmittel eine Zulassung nach der Novel-Food-Verordnung. Hierzu müssen Hersteller wissenschaftliche Daten zur Risikobewertung vorlegen. Bisher wurden unter anderem folgende Insektenarten zugelassen:
- Mehlwurm (2021)
- Wanderheuschrecke (2021)
- Heimchen (2022, 2023)
- Buffalowurm (2023)
Herkunft der Speiseinsekten
Speiseinsekten stammen ausschließlich aus kontrollierter Aufzucht und nicht aus Wildfängen. Insektenfarmen gibt es dabei in vielen Ländern, darunter die Niederlande, Spanien und Deutschland. Aber auch in Österreich. Die Herkunft muss auf dem Produkt jedoch nicht gekennzeichnet sein.
Ernährung der Speiseinsekten
Für Speiseinsekten gibt es noch keine spezifischen Futtermittelvorgaben, sie unterliegen der Futtermittelhygiene-Verordnung. Naturland hat jedoch Richtlinien für ökologische Insektenzucht entwickelt, die vorrangig pflanzliche Nebenprodukte und Reststoffe nutzen.
Allergiepotenzial von Insekten
Allergiker*innen aufgepasst! Menschen mit Allergien sollten vorsichtig sein, da Insekten ähnliche Allergene wie Krebs- und Weichtiere sowie Hausstaubmilben enthalten können. Produkte müssen daher klar als solche gekennzeichnet sein.
Insekten Essen: Tierschutz in der Insektenzucht
Eines der wohl wichtigsten und immer noch nicht geklärten Themen beim Insekten Essen ist der Tierschutz. Denn es gibt noch keine spezifischen Haltungs- und Tötungsvorschriften für Insekten in Deutschland. In Österreich werden Insekten durch Tieffrieren oder Hitzebehandlung getötet. Weitere Forschungen zum Schmerzempfinden von Insekten sind notwendig.
Lange Zeit sind auch Forscher*innen davon ausgegangen, dass Insekten keinen Schmerz empfinden. Sie und ihr Nervensystem galten als nicht komplex genug dafür. Neuere Erkenntnisse zeigen jedoch, dass Insekten durchaus Schmerzen empfinden können.
Insektenzucht und Tierschutz: Herausforderungen und Ansätze
Was angesichts des geradezu utopischen Potenzials der Insekten als Nahrung bis jetzt jedoch nicht so ganz bedacht worden ist, das ist die ethische Komponente. Die zum Verzehr geeigneten Insekten werden nämlich gezüchtet. Diese Zucht von essbaren Insekten erfolgt dabei in speziellen Anlagen, die großen flachen Schubladen mit Luftlöchern ähneln.
Unternehmen benötigen eine Zulassung für die Produktion und den Verkauf von Insekten in Pulverform, wobei die Bedingungen für Zucht und Weiterverarbeitung klar festgelegt sind. Da Insekten als Lebewesen betrachtet werden, stellt sich die Frage nach artgerechter Haltung, geeignetem Futter und ihrer Tötung. Derzeit fehlen in Deutschland jedoch konkrete Haltungsvorschriften, einschließlich Platzbedarf und dem Einsatz von Arzneimitteln wie Antibiotika oder Fungiziden.
Insekten Essen: klare gesetzliche Vorgaben
Laut EU-Verordnung umfasst die Tötung von Insekten Methoden wie Gefrieren, Waschen, Hitzebehandlung, Trocknung, Ölextraktion und Mahlen. Claudia Lotz vom Bundesverband Tierschutz warnt davor, dass ohne klare gesetzliche Vorgaben ähnliche Fehler wie in der Massentierhaltung wiederholt werden könnten.
Der Bundesverband Tierschutz fordert daher gesetzliche Regelungen für die Zucht von essbaren Insekten, um Tierschutzstandards sicherzustellen.
Bioland hat sogar eine Insektenlobby gegründet, um das Bewusstsein für das Insektensterben und die Zucht von Insekten als Lebensmittel zu schärfen. Diese Initiative könnte dazu beitragen, notwendige Richtlinien und Standards für die Insektenzucht zu etablieren, um sowohl den Tierschutz als auch die Nachhaltigkeit zu fördern.
Insekten und ihr Gedächtnis
Denn die Gefahr besteht, dass man im Falle der Insekten denselben Fehler macht, wie bei der Massentierhaltung. Und zwar die Annahme, dass die Tiere keine Ansprüche stellen, kaum Wasser brauchen und ihren Tod nicht spüren. Ohne zu wissen, ob das denn wirklich stimmt. Im Grunde weiß man über die meisten Insektenarten sehr wenig, als dass klar gesagt werden könne, ob sie Schmerzen, Unwohlsein oder Stress empfinden könnten.
„Wir wiederholen gerade – so unsere Befürchtung – alle Fehler, die wir in der Massentierhaltung gemacht haben.“, erklärt Claudia Lotz vom Bundesverband Tierschutz gegenüber watson. „Wieder würden Tiere eingepfercht – und wir beruhigen uns mit dem Hinweis, dass sie keine Ansprüche an ihre Haltung, an das Futter stellen, kaum Wasser brauchen und von ihrem qualvollen Tod nichts spüren. Doch stimmt das?
Wie schon erwähnt gehen neueste Erkenntnisse sehr wohl davon aus, dass auch Insekten ein Gedächtnis haben könnten. Was die Insektenzucht, aber auch das Essen von Insekten mit so einigen moralischen und ethischen Fragen konfrontiert.
Insekten Essen: ein Fazit
Essbare Insekten bieten eine nachhaltige und proteinreiche Alternative zu herkömmlichem Fleisch. Trotz anfänglicher Abneigung könnten sie dank ihrer gesundheitlichen und ökologischen Vorteile bald fester Bestandteil unserer Ernährung werden. Um dies zu erreichen, bedarf es jedoch klarer Regelungen und umfassender Aufklärung.
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