Joker: Folie à Deux – Der Joker 2 zwischen Trump, Johnny Depp-Prozess und Schizophrenie
Der neue Joker-Film ist da. Joker: Folie à Deux. Wir haben uns einmal angesehen, was Lady Gaga, Joaquin Phoenix und Co so draufhaben. Ist Joker 2 ein sehenswerter Film? Mehr darüber im Artikel.
Joker: die Messlatte ganz hoch oben
Der Joker 2 oder besser gesagt Joker: Folie à Deux ist wohl eine jener Fortsetzungen, die in fast schon nicht ausfüllbare Fußstapfen treten muss. Was war der Film Joker aus dem Jahre 2019 nicht für eine Sensation! In jedem nur erdenklichen Sinn. Der Film spaltete die Gemüter. Man liebte ihn oder hasste ihn, dazwischen gab es herzlich wenig, nur eine emotional schwer überwindbare Verstörung.
Sogar Soziologen und Philosophen, unter anderem auch der geistige Superstar unsere Zeit, Slavoj Žižek haben über den Skandalfilm der letzten Jahre philosophiert und Todd Phillips kritisches Werk rauf und runter analysiert.
Vor allem dem Drehbuch ist es hervorragend gelungen, Komik und Dramatik zu einer beängstigenden Einheit verschmelzen zu lassen, sodass man gar nicht mehr wusste, ob man lachen, sich fürchten oder einfach nur Mitleid mit dem Joker haben soll. Ein Joker, der von Joaquin Phoenix brillant (vielleicht sogar eine Untertreibung!) in Szene gesetzt wurde.
Vor allem sein körperliches Spiel ist beeindruckend. Auch die Musik des ersten Teils ist grandios, sphärisch und dicht wird einem der Untergang einer ganzen Generation dargelegt. Und das in einer gelungenen 1970er Jahre Retro-Aufmachung. Ganz großes Kino! Hate it or love it! Ganz egal, der Film hat etwas in einem ausgelöst.
Joker 2: Folie à Deux
Man kommt aus dem Schwärmen über den ersten Teil gar nicht mehr heraus. Und genau das ist auch das Problem der Fortsetzung Joker 2, nämlich, dass der erste Teil so gelungen ist. Joker: Folie à Deux ist dabei nicht schlecht, sogar recht gut, aber… Zum Aber kommen wir später!
Was dem Regisseur Todd Phillips wirklich zu Gute zu halten ist, das ist die Tatsache, dass er mit der Fortsetzung keine platte Kopie des ersten Films betrieben hat, sondern den Stoff wirklich weiter entwickeln wollte. (In welche Richtung ist da die Frage!)
Joker: Folie à Deux – Spiegel der Zeit
Inwiefern hat sich der Joker aber weiterentwickelt? Zuerst einmal ist es wirklich erstaunlich, wie der Regisseur mit seinem Film Joker: Folie à Deux auf in der Zwischenzeit sich ereignende Phänomene reagiert hat. Phillips hat den Joker nicht in die klassische Ich-werde-jetzt-einmal-Batmans-Gegner-Entwicklung geschickt. (Darüber kann man als Fan jetzt natürlich auch enttäuscht sein, keine Frage!)
Der Fokus in Joker 2 liegt vielmehr auf Arthur Flecks seelischen Zusammenbruch. Kreist aber vor allem auch um das „Phänomen der Unterhaltung“. War schon im ersten Teil die Unterhaltungsindustrie so einige „Seitenhiebe“ wert, so legt Todd Phillips in der Fortsetzung noch eine Portion in your face obendrauf.
Zwei Jahre nach Teil Eins ist der Joker zu so etwas wie einem Idol geworden. Vor Gericht soll nun erörtert werden, was mit ihm geschehen soll. Hier lotet Phillips die Absurdität einer Gerichtsverhandlung aus, die immer mehr zu einer Entertainment-Chose verkommt. „Wir amüsieren uns zu Tode„, hat schon Neil Postman gesagt.
In einem radikalen Sinne wird in unserer heutigen Welt alles zum bloßen Entertainment degradiert, zur Unterhaltung. Wie ernst das Thema auch immer ist – alles muss zu unterhalten wissen und wird ins Entertainment hochstilisiert. Ob Nachhaltigkeit, Rassismus, Klimawandel, alles wird uns, dem Publikum, in Form der Unterhaltung nähergebracht #Storytelling.
So verkommt in Joker: Folie à Deux auch Arthur Flecks Gerichtsprozess zu einer Show. Eine Show, die dabei eindeutig Anlehnung an den Johnny Depp vs. Amber Heard-Prozess nimmt. Und dabei auch zeigen will, inwiefern die Welt als Gesamtheit korrumpiert worden ist. Das lässt sich zumindest annehmen.
Der Joker als Trump, oder umgekehrt
Ein weiterer Zusammenhang lässt sich zwischen Jokers Popularität und der eines Donald Trump ziehen. Vor einigen Jahren hätte man noch den Kopf geschüttelt und es als unrealistisch befunden, ja sogar als lächerlich, dass eine Figur wie der Joker überhaupt so etwas wie Anhänger*innen finden sollte. Doch seit dem Phänomen Donald Trump ist auch dieser Aspekt des Films alles andere als unglaubwürdig. Und so hat auch der Joker seine Fans, die ihm frenetisch zujubeln.
Doch auch was diesen Fandom betrifft, wird alles auf den Aspekt der Unterhaltung heruntergebrochen. Die Tatsache, dass bei den meisten Dingen jedoch wirklich etwas auf dem Spiel steht (Macht in den USA, Klimawandel, Gerichtsprozess usw.) wird dabei jedoch komplett untergraben und der Unterhaltung geopfert.
Ein Mann wird hier als symbolische Projektionsfläche für den gesellschaftlichen Frust missbraucht, ohne Rücksicht darauf, wie geistig gesund diese Person eigentlich ist und wie geeignet dieser Mensch auch dafür sein mag, die Rolle als Vertreter überhaupt anzunehmen. Wichtig ist nur, dass diese Person irgendwie unterhält.
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Joker 2: Die Unterhaltungsmaschinerie
Und jetzt wird es komplex, denn dasselbe kann man auch dem Film Joker: Folie à Deux vorwerfen. Er unterhält, ja, doch fehlt es dem Film dabei leider sehr oft an Tiefe. An Tiefe und an einer bestimmten Struktur.
Was ist damit gemeint? Joker 2 ist alles andere als eine klassische Fortsetzung. Und das kann gut, aber auch schlecht sein. In Todd Phillips Film wird das schlussendlich jede*r selbst entscheiden müssen. Doch eines ist sicher: Joker: Folie à Deux verweigert sich fast schon zwanghaft einer jeden klassischen Leseart.
Joker: Folie à Deux — die große Verweigerung
Fans der Comics zum Beispiel werden sehr schnell erkennen, dass der Macher des Films keinerlei Lust daran verspürt, die Figuren im Film an die Comics anzugleichen. Muss er auch nicht und die Abwandlung eines bekannten Stoffs ist natürlich das Um und Auf eines jeden künstlerischen Schaffens.
So fokussiert sich Joker 2 eher auf die Figur des Arthur Fleck und nicht so sehr auf dessen Alter Ego, den Joker. Dabei wird Flecks Vergangenheit auf fast schon bemerkenswerte Weise dekonstruiert, sodass man als Zusehende*r hinterfragt, ob diesem Kerl das, was wir im ersten Teil gesehen haben, auch wirklich so widerfahren ist. Ist sein ganzes Leid nur eine Geschichte, die er sich selbst erzählt, um sich in seiner Opferrolle zu rechtfertigen?
Joker 2: eine Fluchtbewegung?
Was sich jetzt einmal recht vielversprechend anhört, geht im Film jedoch leider nicht weiter in die Tiefe. Diese psychologische Fragestellung wird hier vielmehr der Unterhaltung geopfert. Und was ist wohl das Sinnbild aller Unterhaltung? Richtig! Das Musical. Und auch das ist wieder so ein Punkt im Film Joker: Folie à Deux, wo jede*r selbst entscheiden muss, wie er oder sie damit umgeht.
Denn ein weiterer Aspekt von Joker 2 sind die vielen Musicaleinlagen – die genau was verdeutlichen sollen? Den Geisteszustand von Arthur Fleck vielleicht? Das ist vielleicht die Idee des Regisseurs, doch finden diese Musicalsequenzen blöderweise immer gerade dann statt, wenn es zu einem tiefergehenden Gespräch hätte kommen können. Was diese Musicalelemente zu wahren Showstoppern macht, da diese der Handlung absolut nichts bringen. Aber müssen sie das denn überhaupt? Der Typ ist schließlich verrückt. Flüchtet er mithilfe dieser Einlagen davor, zu einer tieferen Erkenntnis über sich selbst zu gelangen?
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Man ist sich nicht so recht sicher, denn alles, was den Film jetzt aus seinem Flow herausreißt, lässt sich natürlich problemlos auf den Geisteszustand des Helden reduzieren — was wiederum eine billige Masche ist, erzählerische Unfeinheiten zu relativieren. Unserer Meinung nach ist da etwas zu viel Musical in Joker 2, was der Handlung nicht wirklich hilft.
Ein großartiger Film, der Musicalelemente aufgreift, ist übrigens Lars von Triers Dancer in the Dark. Dieser zeigt, wie die beiden Elemente, Film und Musical, extrem geschmeidig zu vereinen sind.
Der zweite Teil des Films Joker: Folie à Deux, in dem es zum Gerichtsprozess kommt, ist ebenfalls „interessant“. Abseits des Johnny Depp vs. Amber Heard-Verweises, treten darin lauter bekannte Figuren aus dem ersten Teil auf und verweisen immer wieder darauf, was dort passiert ist. Psychologisch wie auch bei Gerichtsverhandlungen mag dieser Aspekt natürlich sehr, sehr wichtig sein. Doch brauchen wir Zusehenden wirklich in einer Fortsetzung die permanente Erinnerung an den ersten Teil?
Joker 2: ein Fazit
Im Sinne der Unterhaltung gibt der Joker 2 vermutlich alles, was möglich ist. Er wiederverwertet den Erfolg des ersten Teils, macht auf Musical und stilisiert sich opulent hoch, zu ganz großem Kino. Ob diese Unterhaltung jedoch auch gut unterhält, muss dabei jede*r selbst entschieden.
Doch man sollte sich wirklich fragen, ob es nicht endlich einmal Zeit wird, dass wir aufhören, uns nur unterhalten zu lassen und den erste der Lage endlich begreifen. Oder wollen wir den Ernst eben einfach nicht wahrhaben – wie der Joker – und flüchten lieber in eine konstruierte Realität, die sich der Wahrheit geschickt oder auch ungeschickt verweigert?
Der Joker ist nicht so ganz dein Ding? Dann watch dich doch einfach durch die besten romantischen Filme auf Netflix.
Titelbild © Screenshot: https://www.instagram.com/p/C-2xHA0JcIS/
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