Die Megan und Harry Enthüllungs-Serie von Netflix setzt einen Trend fort, den wir uns in letzter Zeit immer öfter haben ansehen müssen. Bei jeder Gelegenheit suhlt man sich durch die uns schon wohlbekannte Opfersülze. In einem Zeitalter des permanenten Opfertums ist diese Mini-Serie so etwas wie die Krönung des Opfers.
Harry und Meghan: Ruhm, Geld und Macht als Bürde – eine verkehrte Welt
Er muss „seine Familie beschützen“. Da gibt es die „Jäger und sie sind die Gejagten“. Solche und ähnlich dramatische Aussagen sind so etwas wie die Garnitur der neuen Netflix-Hit-Serie Harry & Meghan. Wenn man deren Aussagen aus dem Kontext reißt, könnte man glauben, es handle sich um ein fulminantes Hollywood Action-Spektakel, in dem sich die Helden auf einer nervenaufreibenden Flucht befinden. Und in den Augen der Macher*innen dieser Doku ist das Leben von Meghan und Harry genau das: eine Hetzjagd. Der Grund für den Status der Gejagten verdanken sie ihrem Status. Ruhm, Geld, Macht werden plötzlich zur Bürde – oder zumindest als eine solche inszeniert.
Royal sein als Job
Vielleicht ist es interessant zu wissen, dass all jene Vertretenden der britischen Royals, die öffentliche Besuche absolvieren, Bänder durchschneiden und neue Gebäude einweihen etc. sogenannte „Working Royals“ sind. Diese sind gewissermaßen Angestellte und werden vom Staat (Steuerzahlenden) bezahlt.
2021 kostete das britische Königshaus die Steuerzahler*innen um die 87,5 Millionen Pfund – circa 100 Millionen Euro. Hinzu kommen Einnahmen aus ererbten Gütern und anderen Privilegien. Nur die Spitze des Eisberges, denn das Vermögen der britischen Monarchen-Familie wird auf 28 Milliarden Euro geschätzt. Die Royals haben für ihr Leben ausgesorgt. Dass sie dafür „etwas tun müssen“ ist eben die andere Seite. Diesen Aspekt sollte man nicht vergessen, bevor man vorschnell mit dem Mitleid um sich wirft.
Harry und Meghan: Traurige Pianomusik und die Geschichte ewiger Liebe
Im Grunde wird die Doku als eine romantische Liebesgeschichte inszeniert, der für ihr absolutes Glück nur eine Kleinigkeit im Weg steht: die britischen Medien. We vs. Them. Dem privilegierten royalen Leben von Harry wird das von Meghan dabei als das eines Underdogs gegenübergestellt, der sich mit Brillanz aus dem Untergrund hervortun hat müssen und zum Star wird. Wobei ihr Fame sich (wie wir in der Doku leider sehen müssen) eigentlich nur aus der Tatsache speist, dass sie mit Prinz Harry liiert ist. Denn davor, war sie die Nebenrolle der Serie Suits.
Ihre Erfolge als Schauspielerin usw. rücken in den Hintergrund. Und diese Erfolge? Ihr Vater war Lichtregisseur in Hollywood. Unter anderem auch für eine der erfolgreichsten Serien aller Zeiten: Eine schrecklich nette Familie. Die Arbeit am Set und die Schauspielerei waren Meghan somit nicht fremd. Von ihrem zweiten bis zu ihrem elften Lebensjahr besuchte sie die Elite-Privatschule Hollywood Schoolhouse, auch eine, bei Hollywoodstars sehr beliebte Grundschule. Ein Hauch von Nepotismus-Baby schwingt hier allemal noch mit.
Opfer rassistischer Medien
Sensationsgeil und doch auch wichtiger Entscheidungsmacher in Britannien: Die Britische Regenbogenpresse – diese Bezeichnung wirkt, anhand der rassistischen Probleme, welche diese in sich zu tragen scheint, recht zynisch – stellen in diesem Narrativ das Böse dar. Und es stimmt, die britischen Medien haben auf geradezu hässliche Art, Meghans mixed-race zum Thema gemacht und sie in ein LA-Straight-Outta-Compton-Gangster Licht gestellt. Darüber hinaus wird deren Pressearbeit in der Doku dem Stalking gleichgestellt. Was theoretisch schon hinkommt, aber eben praktisch daran scheitert, dass es eben der Preis ihres Ruhmes ist.
© Netflix
Harry und Meghan erzählen ihre Geschichte
Harry und Meghan erzählen Netflix ihre Geschichte. Bei dieser handelt es sich, wie Harry behauptet, „um die Wahrheit“. Und niemand kennt die ganze Wahrheit, klar. Außer die beiden, wie sie sagen. Auch wenn Dokumentarfilm, so kommt diese Erzählung sehr schnulzig daher, zu schnulzig. Sie versucht uns mit ihrem traurigen Piano-geklimper einzulullen. Das Dokumentierende rückt dabei in den Hintergrund und es entfaltet sich eine fast verhinderte Liebesgeschichte, bzw. die Geschichte eines Paares, das für seine Liebe kämpft.
Opfertum Deluxe
Seit einiger Zeit gehört es sozusagen zum guten Ton, dass die reichen und berühmten ihren Fame als Bürde inszenieren. Wir Normalos, die wir uns um Heizkosten, Miete, Essen – kurz, unsere Existenz – sorgen müssen, sollen auf einmal Mitleid mit Leuten haben, die vom Glück geküsst, finanziell und existenziell für immer ausgesorgt haben. Aber klar, sie haben andere Probleme. Angesichts des Trends, wie Reiche an ihrem Fame leiden, könnte man fast glauben, es gibt keine anderen Sorgen auf der Welt, als reich und berühmt zu sein.
Vorher hatten wir Normalos noch die Probleme, während es den Reichen und Berühmten gut ging. Doch heutzutage nehmen uns diese auch noch unser Leid weg. Und es ist vollbracht: Die Normalos sind nun vollkommen enteignet worden. Nicht mal Probleme dürfen sie alleine haben, auch dass nehmen die Gestopften noch in Anspruch.
© Netflix
Meghan und Harry: Probleme
Natürlich sind deren Probleme anders. Vor allem werden diese anders inszeniert, sodass man bei jeder Szene Mitleid empfinden muss. Buhu! Ihr werdet von Paparazzi verfolgt? Genug Geld für eine private Insel wäre allemal da. Aber klar, dieser Gedanke ist womöglich auch nur eine Täter-Opfer-Umkehr. Dass die Royals, um ihre Popularität aufrechterhalten zu können — da deren Existenz als Solche ja praktisch eine Bürde für das Land ist (wie ein Experte erfrischend ehrlich in der Doku verrät) — ist jedoch die Kehrseite der Medaille. Sind hier vielleicht zwei (Royals und Presse) voneinander abhängig um überhaupt funktionieren zu können?
Man sollte die Probleme von Meghan und Harry natürlich nicht kleinreden (denn der Rassismus der britischen Presse ist in der Tat ein großes Problem) doch werden, ihre Paparazzi-Probleme zu sehr aufgeblasen und – ganz britische Presse like – wird hier viel Lärm erzeugt. Viel Lärm um Nichts, könnte manch eine*r jetzt an Shakespeare denken. Apropos Shakespeare – einer der berühmtesten Menschen überhaupt hat es mit seinem Fame wohl richtig gemacht, denn von ihm weiß man noch nicht einmal, ob er wirklich existiert hat. Vielleicht ein kleiner Tipp für Harry und Meghan. Einfach verschwinden und nicht versuchen Feuer mit Feuer zu bekämpfen.
Titelbild © Netflix
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