Es ist wieder einmal so weit. Netflix darf in Kürze einen neuen Rekord verzeichnen. Oder besser gesagt, hat eine der dort ausgestrahlten Formate erneut einen riesigen Hype ausgelöst. Die Rede ist von Squid Game. Doch was ist dran, an dem südkoreanischen Serien Import Schlager, indem finanziell verarmte Menschen in Kinderspielen auf Leben und Tod gegeneinander antreten?
Südkorea auf dem Vormarsch
Autos, Telekommunikationstechnologie, Musik und Film. Südkorea ist so ziemlich in allen Bereichen an der Spitze. Neue Segmente werden geschickt erobert und die Marktführung vehement ausgebaut. Kenner und Kennerinnen des globalen Filmmilieus z.B. wissen schon lange um die Qualität südkoreanischer Produktionen Bescheid. Nun ist man mit dem Format Squid Game fulminant in die internationale Mainstream-Serienwelt gestartet. Und siehe da: ist in Windeseile in gangnamstylehafte Dimensionen des Erfolgs vorgedrungen.
Das südkoreanische Erfolgsrezept
Wer sich vor Jahren schon mit K-Pop beschäftigt hat, der weiß, dass die Kreativindustrie in Südkorea nichts anbrennen lässt. Die K-Pop Songs bzw. vor allem die Musikvideos und die Performance der Bands sind „wahnsinnig gut produziert“, übermittelt in „völlig abgedrehten Musikvideos“ und gespickt mit „beeindruckenden Choreographien“. Das Ergebnis dieser gezielten Züchtung von Bands: Welttourneen, Stadien, mehrere Millionen Fans. Ob man auf dieses Musikformat jetzt steht oder nicht, professionell und hervorragend inszeniert sind diese Bands allemal. Und vor allem sind sie eines: erfolgreich. Wer nun an Zufälle glaubt, der irrt sich.
Hallyu – der Siegeszug der koreanischen Entertainment Industrie
Wir schreiben das Jahr 1994. Dem damaligen südkoreanischen Premierminister Kim Young-sam wird erklärt, dass der damalige Rekorderfolgsfilm Jurassic Park insgesamt mehr Umsatz gemacht hat als Hyundai mit 1,5 Millionen exportierten Autos. Auf Hyundai war das Land stolz. Und auf Export war es heiß. Ergebnis: der Hyundai-Jurassic Park Vergleich hat gezogen.
Die südkoreanische Entertainment Industrie wird seit damals aggressiv gefördert. Anfang der 2000er gelingt schließlich der popkulturelle Durchbruch. Die Industrie wächst von insgesamt 8 Milliarden Euro im Jahr 1999 auf 38 Milliarden Euro im Jahre 2003. Die Seifenoper Winter Sonata markiert diesbezüglich sozusagen den Beginn von etwas Großem. Die koreanische Welle, auch „Hallyu“ genannt. Der Begriff bezeichnet den Siegeszug der koreanischen Popkultur.
Ganz Asien wird Anfang der 2000er mit Produktionen aus Südkorea geradezu überflutet. Später schwappt alles noch einmal weiter über. Zuerst in den Nahen Osten und dann nach Südamerika. Mittlerweile ist die südkoreanische Popkultur auch bei uns gelandet. Spätestens seit 2020, als der Film „Parasite“ so ziemlich jede im Westen relevante Auszeichnung erhalten hat – Oscars, Golden Globes, Goldene Palme – ist auch der südkoreanische Film bei uns populär. Und südkoreanische Serien?
Squid Game – ein Erfolg mit Kalkül
Warum diese Entwicklung der südkoreanischen Popkultur erwähnenswert ist, liegt auch im Erfolg von Squid Game begründet. Denn südkoreanische Formate (aus welcher Sparte auch immer) haben vor allem eines: System. Sie sind systematisch durchstrukturiert und kalkuliert.
Das ist kein Vorwurf. Das ist nur der Versuch einer Annäherung. Denn nimmt man Squid Game etwas genauer unter die Lupe, lassen sich Einzelheiten (aka Zutaten) bestimmen, die den Erfolg vielleicht sogar bedingen. Es gibt nämlich diverse Elemente (Zutaten), die von anderen Erfolgsformaten geschickt übernommen wurden.
Zutat 1: der Loser
Viele der erfolgreichen Filme aus Asien, die auch bei uns erfolgreich waren und sogar im Westen mehrfach ausgezeichnet wurden, handeln von Losern. Nichts anderes ist die Hauptfigur in Squid Game. Ein Loser. Und nichts anders sind auch die Hauptfiguren in Filmen wie zB. „Parasite“ (Südkorea 2020; Vier Oscars, ein Golden Globe, Goldene Palme) und „Shoplifters“ (Japan 2018; Oscarnominierung, Golden Globe Nominierung, Goldene Palme) zwei asiatische Erfolgsfilme, die auch bei uns gefeiert wurden. Sqiud Game treibt dieses Phänomen des Losers sogar noch in den Exzess, indem es im Spiel gleich 456 Loser antreten lässt.
Zutat 2: Die Saw-Reihe und Battle Royal
Die Story der mega-erfolgreichen Saw-Filme bildet vermutlich einen weiteren Grundstein für den Erfolg von Squid Game. Während bei Saw nur eine Person oder eine Hand voll Menschen eingesperrt wird und versuchen muss zu fliehen bzw. heil aus dem „Spiel“ herauszukommen, sind es in Squid Game – wie schon gesagt – 456 Menschen, die absurde Kinderspiele bestehen müssen, um zu überleben. Squid Game übernimmt in diesem Sinne das Saw-Prinzip, erweitert dieses durch einen größeren Raum und eine Steigerung der Teilnehmer:innenzahl.
Für Kenner und Kennerinnen des Genres Asian Film ist auch die Ähnlichkeit zu dem japanischen Spielfilm Battle Royal auffallend. Dort geht es darum, dass jährlich Schulklassen von Mittelschülern ausgewählt werden, um sich in einem staatlich arrangierten Todesspiel gegenseitig zu töten. Aus den Mainstreamfilmen erinnert die Story von Squid Game auch an Die Tribute von Panem, eine weitere erfolgreiche Filmreihe aus der sich die Macher von Squid Game vermutlich inspirieren haben lassen.
Auch Plagiatsvorwürfe standen im Raum. So gibt es einige Parallelen zu einem weiteren japanischen Spielfilm. In „As The Gods Will“ müssen die Teilnehmer:innen ebenso Kinderspiele spiele. Und es geht ebenso um das Überleben. Aber mit „Rotes Licht, grünes Licht“ endet auch die Überschneidung, denn in dem japanischen Horrorfilm begeben sich die Teilnehmer:innen nicht freiwillig in das Spiel.
Zutat 3: Fernseh-, Game-, und Wettkampfshows
Takeshi’s Castle, American Gladiators, aber auch Ninja Warrior sind nur einige Beispiele von Shows, in denen Teilnehmer:innen gegen ausgeklügelte Hindernisse oder andere Athleten antreten müssen, um etwas zu gewinnen – eigentlich fast immer Geld. Was soll man sagen: Game-Shows funktionieren immer. Warum auch nicht eine Serie mit ähnlichem Konzept gestalten.
Zutat 4: Haus des Geldes
Ist es Zufall, dass die „Wärter“ in Squid Game in roten Onesies herumlaufen und nicht einsehbare Masken tragen? Genauso wie die Figuren in einer anderen erfolgreichen Netflix Serie (Haus des Geldes).
Zutat 5: Gewalt! Gewalt! Gewalt!
Dazu muss man jetzt nicht viel sagen. Das Gemetzel hört einfach nicht auf. Der Vergleich mit den Gewaltdimensionen in der Erfolgsserie Game of Thrones ist durchaus angebracht. Wobei Squid Game diesbezüglich vielleicht nicht ganz so exzessiv ist.
Zutat 6: K-Pop Ästhetik
Ein weiterer Aspekt in Squid Game ist die visuelle und ästhetische Opulenz der Mise en Scène. Vergleichbar mit den schon erwähnten K-Pop Musikvideos.
Squid Game – Rezept
Wenn man Squid Game auseinandernimmt, dann bietet die Serie im Grunde nichts Neues. Es ist vielmehr eine Ansammlung schon altbekannter und erfolgsversprechender Konzepte und Elemente. Ganz nach dem K-Pop Prinzip. Was schon einmal funktioniert hat, verwendet die Unterhaltungsindustrie wieder und setzt noch einmal eines drauf.
Was man jedoch zugeben kann ist, dass die Serie durchaus gut zu unterhalten vermag. Vorausgesetzt natürlich, dass man seinen Spaß an so einer Art von Story hat. Teils etwas langatmig, schafft es der Plot aber doch einen bei der Stange zu halten. Da vor allem die Cliffhanger gut gesetzt und die Figuren gut gecastet sind.
Squid Game ist nicht Parasite – Wo bleibt die soziale Kritik?
Vorsicht Spoiler! Oder auch nicht. Bei der Serie wird schnell klar, dass die Teilnehmer und Teilnehmerinnen dieser mörderischen Kinderspielserie für Zuschauer „spielen“. Und es wird bald auch klar, dass vor allem die VIP-Zuschauer auf das Überleben der Menschen Wetten abschließen. Auch wenn das erst später offenbart wird. (Auch dieser Zuschaueraspekt erinnert an Die Tribute von Panem.)
Das Problem dabei ist jedoch, dass, obwohl die sozialen und vor allem finanziellen Missstände der Figuren thematisiert werden, kritische Aspekte bzw. kritische Potenziale der Serie untergehen. Insofern überhaupt vorhanden. Das sieht man vor allem an der Rezeption von Squid Game selbst. Anstatt sich z.B. über eine ungerechte Welt zu beschweren, die Squid Game durchaus zeigt – aber vielleicht nicht tiefgründig genug – beschäftigt sich der Hype mit ganz anderen Dingen, wie zum Beispiel die Haare der Hauptfigur.
Darüber, dass die meisten von uns nur Spielbälle, namenlose Zahlen und Wettanlagen für die oberen 10.000 sind, dürfte vor allem seit der Sebastian Kurz-Affäre wieder einmal schwer klar geworden sein. Doch empören sich die Leute über ganz andere Dinge. Zum Beispiel darüber, dass eines der Spiele, die die Squid Game Teilnehmer und Teilnehmerinnen spielen müssen nicht fair sein soll.
Squid Game an Schule nachgespielt – Verlierer werden verprügelt
Seriously!? Da werden hunderte von Menschen zu Spielbällen für das Amüsement irgendwelcher fadisierter Geldsäcke und alles was euch daran stört ist, dass eines dieser mörderischen Spiele nicht fair sein soll. Absolut gar nichts an diesen Spielen ist fair oder gerecht!!! In diesem Sinne ist Squid Game leider zu wenig gesellschaftskritisch.
Die bösen Reichen sind zu platt gezeichnet und die Motive für die schlussendliche Entstehung der Spiele mehr als lame. Es wirkt fast so, als könnte man die anmutende Selbstverständlichkeit eines solch mörderischen Gameshowformats gar nicht wirklich wegargumentieren. Ist halt so!
Das eine Form von Squid Game mittlerweile an Schulen nachgespielt wird und die Verlierer verprügelt werden, so dass Schulen sogar davor warnen, sich diese Serie anzusehen, ist mehr als beunruhigend. Das gesellschaftliche System, die desaströsen Verhältnisse in denen wir uns befinden, werden überhaupt nicht kritisch betrachtet. Es entsteht sogar noch der Eindruck, dass arme Menschen ein Recht auf so ein Spiel haben sollten, weil sie ja sonst nicht zu Geld kommen können.
Wiederholung desselben? Eine Prognose
Im Jahre 1975 kam ein von Norman Jewison gedrehter Film in die Kinos: „Rollerball“. Darin treten Mannschaften gegeneinander an. Mit dem Ziel eine Metallkugel in einen Trichter zu befördern. Es gibt zwar Schutzausrüstungen, doch aufgrund der ziemlichen Regellosigkeit bleiben Schwerverletzte und Tote nicht aus. Das Ziel dieser „Sportart“ ist es nicht nur, die Massen zu unterhalten, sondern die Menschen auch davon abzuhalten, über die herrschenden Befindlichkeiten nachzudenken und Aufruhr zu stiften.
Ist nicht genau das mit Squid Game eingetroffen? Anstatt sich zu empören über den Status Quo, empört man sich lieber darüber, dass eines dieser Spiele nicht fair sein soll. (Und die anderen schon!?) Der zutiefst sozialkritische Film „Rollerball“ wurde damals – vor allem von den Zusehern in den USA – missinterpretiert. Viele davon wollten damals unbedingt Rollerball wirklich spielen.
Und Squid Game? Die soziale Kritik darin ist leider nicht wirklich erkennbar. Und das ist das große Problem dieser Serie, die ansonsten schon extrem gut funktioniert. Wunderbar sogar, wenn man Fan von Action, Spannung und sinnlosem Gemetzel ist. Der Erfolg gibt den Machern recht. Ihr Rezept funktioniert.
Funktioniert es sogar zu gut? Wollen wir auch alle bald das Squid Game spielen? Vor allem dann, wenn das eine von all diesen mörderischen Spielen endlich auch fair gemacht wird. Doch in Squid Game ist gar nichts fair. Es geht nur darum die Menschen von der Zahl 456 auf die Zahl 1 herunterzubrechen. Systematische und kalkulierte Reduzierung von den Finanzschwachen, die der Gesellschaft nur auf der Tasche liegen.
Zumindest haben sie, indem sie ihr Leben einsetzen, um die reichen Zuschauer zu unterhalten, noch einen kleinen Restwert Leben, auf den man Geld setzen kann. Aber klar, wenn sie schon in der Gesellschaft nichts leisten, so leisten sie wenigsten noch etwas in Form von Unterhaltung. Das perfekte Spiel für die ÖVP u.ä. Natürlich nur, wenn sie nur zusehen. Im Dreck waten, die Scheiße ausbaden und sterben, das tun die anderen. Die Armen.
Titelbild Credits: Shutterstock
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