Soziale Medien haben heutzutage großen Einfluss auf unser Denken und Handeln. Jedes soziale Netzwerk hatte seine Ära und damit auch seine mitgebrachten Schwierigkeiten. Doch bei TikTok scheint es, als würde eine gesamte Generation in alte Rollenbilder verfallen und ein völlig falsches Frauenbild vermittelt bekommen.
Erinnert ihr euch noch an schülerVZ? Oder wie ist es mit myspace? Womöglich sind auch viele unter den Lesern, die diese ersten Pioniernetzwerke nur noch beiläufig kennen. Schnell verdrängt von Facebook, später von Instagram und mittlerweile hat TikTok das Zepter übernommen.
Meine Generation – 1990er Jahrgang – wuchs noch nicht wirklich mit sozialen Netzwerken auf, dennoch haben sie uns in unseren Jugenjahren begleitet; wohl eher als angenehme Nebenerscheinung, nicht aber als Zentrum des sozialen Austausches. Die nachfolgenden Generationen wurden aber auch zum Teil von „social media“ miterzogen.
Laut einer Studie ersetzt in der Generation Z (Anm. d. Red.: Geburtsjahre 1997-2012) das soziale Medium auch vollkommen alle anderen Kommunikationswege wie Mail, Telefonate oder Kurznachrichten. Zudem hat eine Umfrage des Online-Kiosk Readly ergeben, dass die Generation Z maßgeblich soziale Medien zur Informationsgewinnung nutzen.
Mediennutzung nach Generationen, Credits: Readly
Das heißt nicht, dass ältere Generationen nicht mittlerweile auch in einer sehr starken Abhängigkeit von sozialen Medien stehen – man betrachte die Problematiken der Desinformation und Fake News, aber das ist ein anderes Thema.
TikTok – Das Frauenbild
Bei Facebook waren es vor allem Vorfälle von Cybermobbing, die in manchen Fällen sogar zu Selbstmord geführt haben, bei Instagram ein aberwitziger Selbstoptimierungswahn und ein Scheinbild des Seins, das viele Menschen – aber vor allem junge Mädchen – an sich selbst zweifeln ließ. Mittlerweile führt TikTok die Liste der meistgenutzten Apps an, weshalb ich mir die Anwendung für Kurzvideos genauer angesehen habe, um herauszufinden, welche Probleme dieses neue Netzwerk so mit sich bringt.
Bereits nach meiner Anmeldung lande ich auf der sogenannten „For You“-Page; einer Seite, auf der Videos von anderen Nutzern zufällig angezeigt werden. Ungefähr die Hälfte der Videos, die mir vom Algorithmus zugespielt wurden, waren Mädchen an der Minderjährigkeitsgrenze, die sich räkeln und posieren, ohne wirklich etwas Außergewöhnliches zu machen – das soll also der Sinn dieser App sein?
@churgston
Letztes Jahr gab es sogar eine inoffizielle Challenge, bei der großteils junge Mädchen ihre Magersucht in Videos zeigten – und das mit Stolz. Der Hashtag des Trends wurde mittlerweile gesperrt. Das Rechercheformat funk hat im Zuge seiner Untersuchungen dokumentiert, dass es währends des Trends auch vermehrt zu sexuell belästigenden Kommentaren kam – und die sind keinesweg mit dem Trend verschwunden.
Neben den sexistisch anmutenden Videos von Mädchen gibt es aber auch männliche User, die demselben Frauenbild gerecht werden und sich abschätzig und chauvinistisch dem anderen Geschlecht widmen. Wenn dies auch manchmal mit Humor geschehen mag, vermittelt es den UserInnen dennoch ein falsches Wertesystem, denn bekanntlich steckt hinter jedem Witz ein Funken Wahrheit.
@illespatrik You still pass .. #foryoupage #foryou #fyp #viral #xyzbca #funny #comedy #thevibedance #foryouu #4u #4upage #girlfriend #cheating #trending #tiktok
Die Kehrseite der Medaille – TikTok vermittelt auch „gute“ Werte
Negative Vorfälle und Aspekte sozialer Medien sind aber keineswegs ein Phänomen, das nur TikTok ereilt. Wie bei anderen sozialen Netzwerken zeigt sich auch hier, dass die NutzerInnen aus allen sozialen Milieus kommen und dadurch die App mehr oder weniger ein Spiegel der Gesellschaft ist. Somit gibt es auch Gegendarstellungen und Reaktionen auf toxische Trends.
Nachdem sich der Algorithmus meiner „For You“- Page an meine persönliche Nutzung angepasst hatte, bekam ich mittlerweile vollkommen andere Videos zugespielt. Diese vermittelten ein offenes Wertesystem und zeigten, warum beispielweise Rassismus, Sexismus oder auch Homophobie falsch sind – ein wenig Hoffnung also.
Außerdem darf nicht außer Acht gelassen werden, dass viele der Werte immer noch vom engeren sozialen Umfeld kommen und auch Jugendliche nicht alles, was sie im Internet sehen, als absolut richtig erachten.
@lu_nonsense #duet with @gregalcaro
Der Algorithmus von TikTok – der bittere Beigeschmack bleibt
Dennoch entscheidet die App mittels Algorithmus, welche Videos bei den NutzerInnen auf der „For You“-Seite landen. Einerseits ist die Anzahl der Views, Likes und Kommentare entscheidend, ob ein Video auf der Startseite angezeigt wird, andererseits jedoch auch die Präferenzen der jeweiligen ZuseherInnen – die wohlbekannte Filterblase.
Wie bei anderen sozialen Medien also entscheiden bisherige Likes, die Relevanz des Videos und auch dessen Beliebtheit, ob es dir als NutzerIn überhaupt angezeigt wird. Bewegst du dich also in einer speziellen „filter bubble“, ist die Wahrscheinlichkeit sehr groß, dass du eben großteils diese sexistischen und falsche Rollenbilder vermittelnden Videos zu sehen bekommst.
Titelbild Credits: Shutterstock
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