Durch den Lockdown und die Einschränkungen der Coronakrise hat sich auch das Beziehungsverhalten stark verändert. Wer vorher noch vermeintlich beziehungsunfähig oder unsicher war, steckt jetzt nicht selten mitten in einer ernsthaften Partnerschaft, die in nur wenigen Tagen von 0 auf 100 angetrieben wurde. Eine Turbo Relationship. Aber gerade der Umstand der radikalen Veränderung kann auch bedeuten, dass mit dem Ende des Lockdowns und der Öffnung des Lebens das böse Erwachen kommt. Und somit der Bruch.
„Es war unvermeidlich, dass eine globale Pandemie unser Leben verändern würde. Aber COVID-19 hat die Menschen nicht davon abgehalten, Liebe zu finden – tatsächlich hat es eine ansteckende Sehnsucht nach romantischer Verbindung geschaffen.“ Der Bericht des Dating-Portals eHarmony und Relate legt offen, wie sich das Beziehungsverhalten verändert hat.
Die zwei Monate, in denen Paare zusammen eingesperrt waren, entsprechen laut dem Bericht zwei Jahren des normalen Zusammenlebens. Das gilt ebenso für Frischverliebte. Aber gerade bei einer Turbo Relationship fehlen gewisse Prozesse einer normalen Beziehung.
Dies kann wiederum zu einem raschen Ende führen, wenn der Horizont des normalen Lebens wieder über einen hereinbricht. Schlagartig kehren andere Routinen zurück, Freunde und auch andere Reize, die das „echte Ich“ zurück an die Oberfläche katapultieren, sind wieder präsenter. Ein entscheidender Moment – denn nicht selten kennen sich die unter diesen Umständen entstandenden Partnerschaften in diesen Lebensumständen nicht oder zu wenig.
Was ist eine Turbo-Relationship oder eine Situationship?
Darunter versteht man – vereinfacht ausgedrückt – eine rasche Bindung. Was sonst Monate in Anspruch nimmt, geschieht innerhalb von Wochen. Zwangsläufig schlecht? Dies hängt natürlich von verschiedenen Faktoren ab. Aber im Zusammenhang mit dem Lockdown sind vor allem zwei Dinge entscheidend. Das Motiv und die Dauer der Bekanntschaft.
Im Gegensatz dazu behält sich die Situationship die Freiheiten des Single-Seins bei. Bindung? Nein. Eine unverbindliche Liaison mit meist emotionslosem Spaß. Die Unterscheidung ist deshalb von Relevanz, denn eine Situationship kann in Erwartungen enden, tut es jedoch meist nicht. Klare Grenzen. Statt des Überstürzens ein Zurückhalten.
Abgesehen von den bestehenden Beziehungen, für die diese Pandemie ein Scheideweg – ein „bleiben wir zusammen“ oder „merken wir jetzt, dass doch alles scheiße ist“ – war, hatten auch Singles mit vollkommen neuen Umständen zu kämpfen. Aufgrund von Gesundheitsrisiken, Alternativlosigkeit und weniger sozialen Kontakten, dem Umstand des Lockdowns und auch ein für enge Beziehungen förderliches Gefüge kam es auch vermehrt zu Partnerschaften. „Die Menschen hatten die Wahl, allein abgesondert zu sein oder einen Partner zu finden“, sagte Dr. Susan Winter, Therapeutin und Beziehungsexpertin aus New York, in einem Interview mit Patch.
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Die Umstände führen zu einer gewissen Form des Zwanges und der „fehlenden Ausweichmöglichkeiten“, wodurch sich einstige Singles für diesen Schritt entscheiden. Soziale Verpflichtungen gibt es im Lockdown nicht – also muss auch nicht geteilt werden mit Freunden oder Familie. Ein wunderbarer Nährboden für eine Beziehung, die sich durch eine toxische Co-Abhängigkeit auszeichnen kann (aber nicht muss).
Fast 60% der neuen Partner gaben in der Umfrage von eHarmony an, dass sie sich mehr denn je ihrer neuen Liebe verpflichtet fühlen. 36% wiederum gaben an, dass sie eklatante Meilensteine wie schneller zusammenzuziehen in ihrer Beziehung weitaus schneller begangen haben, als sie es sonst tun würden. Doch, ob das wirklich gut ist?
Die große Gefahr von Turbo-Relationships?
Erwartungen und Ansprüche werden die entstandenen Beziehungen erschweren, sobald die Tore zur echten Welt wieder öffnen. „Dann stellt sich die Frage, ob diese anfängliche Leidenschaft und dieses Engagement aufrechterhalten werden können und zu einer echten Form langfristiger mitfühlender Liebe werden können. Für einige mag es erfolgreich sein.“, sagte Serge Desmarais, Psychologieprofessor an der Universität von Guelph im Bericht von eHarmony.
Gerade durch die Intensität und die gemeinsame Zeit kann es zu einem ungewöhnlichen und abrupten Hoch in der Liebesphase kommen. Umso stärker dann das Gefälle zurück in die Normalität – und auch jenen Moment, in dem die rosarote Brille fällt. „Die Wahrscheinlichkeit eines langfristigen Erfolgs basiert auf Engagement, Kommunikation, Offenheit, Respekt für unseren Partner, ähnlichen Lebenszielen und ähnlichen Werten.“ Gerade das sind nicht zwingend Leitmotive in der Entstehung der Lockdown-Beziehungen. Das heißt aber nicht, dass diese Beziehungen auch automatisch zum Scheitern verurteilt sind.
Turbo-Relationship langfristig erhalten oder doch der Rückzieher?
Gleich einer unter normalen Umständen entstehenden Beziehung ist es absolut wichtig, die Gemeinsamkeiten herauszufinden. Langfristig hält die Verliebtheitsphase niemanden zusammen. So auch bei Turbo-Relationships. Diese sind jedoch prädestiniert dafür, so schnell wie sie aufgekommen sind auch wieder zu verschwinden.
Sobald sich der Lockdown in Luft auflöst, öffnen sich wieder Möglichkeiten für neuen Input. Bekanntermaßen reizt das Neue, was aber nicht bedeuten muss, dass auch die Beziehung damit zu Ende geht. Sollte ernsthaftes Interesse am Erhalt bestehen, dann gilt es, die Eigenheiten des Gegenübers auch zu akzeptieren. Denn manche Eigenschaften könnten zum bösen Erwachen führen. Speziell Themen wie Eifersucht und Klammern kommen unter dem Aspekt des Lockdowns nicht so einfach zum Vorschein. Latente Verlustangst ebenso wenig. Der erste gemeinsame Abend im Kreise vieler anderer Menschen könnte hier schlagartig zum Aha-Moment führen.
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Kommunikation – der Schlüssel zum Erfolg vieler Probleme. Ist es wirklich nur eine Situationship – also eine Beziehung, die rein von den Umständen nährt und momentan guttut-, wird auch Kommunikation auf lange Sicht nicht viel ändern. Solange sowieso beide die gleichen Erwartungen teilen, gibt es auch kein Problem.
Wer aber über die Zeit der Honeymoon-Phase hinweg überleben möchte, muss mit der Beziehungsarbeit beginnen. Ein Gespräch darüber, ob man beieinander nur eine Lücke gestopft hat, ist wohl der erste Schritt. Außerdem sollte nicht die Erwartungshaltung aus der Zeit des Lockdowns in die Zeit danach übernommen werden. Das zu akzeptieren könnte vor allem für Menschen mit Verlustängsten zum Problem werden.
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