An einem kalten, windigen, typisch wienerischen Tag treffe ich mich mit der berühmt-berüchtigten Denice Bourbon. Die aus Finnland stammende, queer-feministische Bühnenkünstlerin lebt seit einigen Jahren in der Hauptstadt Österreichs. Sie ist mitverantwortlich dafür, dass sich die Queer-Szene in Wien verändert hat. Warum das so ist, was die Queer-Diva schon alles gemacht hat und wieso ihr Political Correctness wichtig ist erfahre ich von ihr persönlich.
Wir sind in einem Kaffee in der Nähe des Westbahnhofs verabredet. Da die Bühnenkünstlerin spät dran ist, bin ich zuerst vor dem, laut ihr typisch wienerischen Beisl, Café Weidinger. Während ich mich draußen in einer Ecke still und stehend auf das bevorstehende Interview vorbereite, höre ich Stöckelschuhe an mir vorbeigehen. Als Nächstes erspähe ich eine knall-violette Strumpfhose, darüber ein knielanger Satinrock und einen dazugehörigen blonden Haarschopf. Ohne groß darüber nachzudenken, renne ich den violetten Strumpfhosen nach, kämpfe mich durch die Menschenmasse hindurch und tippe der bunten Strumpfhosen-Trägerin auf die Schulter. Nach einem kurzen Aufschrei ihrerseits, ist das Eis gebrochen — zum Glück habe ich richtig geraten.
© Daniel Hill
Denice Bourbon: Alles mit Kunst, aber nichts auf der Leinwand
Nach einer kurzen Plauderei, einem unfreundlichen Kellner und einer zu langen Wartezeit auf die Getränke (typisch wienerisch wurde versprochen und auch eingehalten) beginnen wir mit dem Thema, was Frau Bourbon denn eigentlich genau macht. Von der Aktivistin in Schweden, der Theater- bzw. Bühnenkünstlerin, Punk-Sängerin und Autorin bis hin zur Comedian macht Denice nämlich einiges.
Sie ist sozusagen eine talentierte All-Rounderin — und das schon immer. Das einzige, was Denice Bourbon in der Kunst nicht macht, ist Kunst schaffen mit den Händen (also beispielsweise Malen). Sie verrät mir, dass ihr die Stand-up-Comedy am meisten Spaß macht, vor allem die Arbeit mit der dazugehörigen Community: „Da geht es darum, die Communities aufzubauen, zu unterstützen, auch wenn es nichts mit dem Performen zu tun hat, gehört es zur Show.“
Als Autorin hat sich die ehemalige Punk-Sängerin ebenfalls versucht, mit ihrem offenherzigen Buch über sich selbst und als Kolumnistin für eine online Zeitschrift. Diese Arbeit könne sie zwar, liebe sie aber nicht. Sie hätte sich monatelang vor Ihrem Verlag versteckt, um ja nicht mit dem Buch anfangen zu müssen.
Denice Bourbon: Die aktivistische Punk-Sängerin
Mit einem lauten Lachen wird meine Bemerkung über mein persönliches Lieblingslied von ihr („Bitches in Rage„) kommentiert. „Die Lieder von meiner alten Männerhasser-Band“, meint Denice dazu und lacht noch eine Lautstärke lauter. Sie habe immer gesungen, ohne sich Mühe machen zu müssen, das konnte sie einfach.
Jedoch verneint sie meine Frage, ob sie jemals wieder in einer Band singen möchte. Sie sei zufrieden damit, in Theaterstücken zu singen, wie beispielsweise in dem Stück „Die Namenlosen“ welches diesen Frühling Premiere feiert. Dort wird sie als Barfrau performen und ihren ganzen Auftritt lang singen. In eine Band möchte sie nicht zurück, weil sie keine Liedtexte schreiben könne.
Die Autorin und Kolumnistin
Trotz dem laut ihr fehlenden Talent, Songs zu schreiben, hat die Queer-Femmé bereits ein Buch (ihre eigene Biografie Cheers!) und zwei verschiedene Kolumnen-Formate (Lesbennest bei an.schlaege) geschrieben. Denice betont hier, dass sie, ausgenommen bei der Stand-up-Comedy, nie Eigeninitiative ergriffen hätte. Weder bei den Bands noch bei den Schreib- oder Burlesque-Jobs (ja Denice hat auch als Burlesque-Queen Wien unsicher gemacht). Sie sei zu diesen Jobs gekommen, weil es ihr angeboten wurde.
Denice Bourbon: Queer-feministische Stand-up-Comedian
Der Comedyclub PCCC* (ausgesprochen: pis:sy:sis:sy) ist etwas ganz Besonderes in Wien. Gegründet und gehostet von Denice selbst ist er ein Raum für Political Correct Comedy, also ein Raum für Witz ohne Diskriminierung.
© Marija Šabanović
„Long story short, ich wollte immer einen Comedy Club machen. Wollte immer Stand-up-Comedy machen, aber ich habe mich nie getraut, denn Comedy ist das härteste was du machen kannst. Es ist die einzige Form, finde ich, wo du hundertprozentig davon abhängig bist, wie das Publikum reagiert. Bei anderen Kunstformen, wie bei einem Konzert, da weiß das Publikum, wie es reagieren muss und wann es klatschen muss. Aber wenn du Comedy machst, da müssen die Leute lachen und wenn die nicht so reagieren wie sie sollen dann fällt deine Show und das ist terrifying. Deshalb habe ich mich nie getraut. Also musste ich mich austricksen. Wenn ich was auf die Beine stellen will, muss ich jemanden, also eine Person oder mehrere Menschen, mit reinnehmen ins Boot, damit ich mich dafür verantwortlich fühle, was mit diesen Menschen passiert. Würde ich das nur für mich selbst machen – then it’s not gonna happen. So ging es mir eben auch mit meinem Buch, das habe ich meinen Verlegerinnen versprochen,“ erläutert sie mir.
Der Comedy Club PCCC* in Wien
Denice hat den Comedy Club PCCC* mit ihrem ehemaligen Partner Josef Jöchl im Jahr 2017 gegründet. Zu den Acts für die Show kommt Denice meistens zufällig. Entweder schreiben sie die Leute an oder, was laut ihr deutlich öfter vorkommt, sie fragt Freundinnen oder Personen, die sie kennenlernt und lustig findet. Häufig haben die Acts also anfänglich gar keine Bühnenerfahrung.
„95% of the time this was a good idea- manchmal war es auch eine Schnapsidee, aber das kam selten vor. Für mich geht es nicht so sehr darum, dass die Leute performative Erfahrung haben müssen- no it’s enough if I find them funny or think other people will find them funny,„ erzählt Denice.
Daher ist bei den PCCC*-Abenden auch viel Storytelling dabei. Auf meine Frage, ob sie eingreifen würde, wenn ein Act die Perfomance nicht schafft, verneint sie bestimmt. Wenn die Leute mit der Zeit überziehen, wird zwar ein Pfeifen eingespielt, aber wenn ein Act wenig Lacher bekommt, dann wäre das für die Moderatorin auch okay. Vor jeder Show trainiert Denice das Publikum mit ein paar Worten im Voraus.
„Die Leute haben ur Angst laut zu lachen. Wenn du im Publikum sitzt, sitzen Leute neben dir, die du nicht kennst. Dann ist alles total unangenehm, da denkt man vielleicht über seinen eigenen „komischen“ Lacher nach und traut sich dann nicht. Ich habe das lauteste Lachen der Welt, because let it out. Das macht auch die Stimmung relaxter. Und je relaxter die Stimmung während der Show ist, umso besser ist das Publikum und desto besser sind die Performerinnen. Das Stammpublikum zeigt dem neuen Publikum, wie es geht- das ist ur lieb. Das Publikum ist einfach ein Teil von PCCC*. Du hast auch etwas zu tun als Zuseher*in. Zuhören und nicht zurückhalten beim Lachen.“
© Marija Šabanović
Was bedeutet Political Correct Comedy eigentlich genau?
Laut Denice, könne Political Correct nie falsch sein. Sie erklärt mir das Konzept so:
„Das heißt ganz einfach, dass du nicht auf jemanden oder auf eine Gruppe von Menschen trittst, die systematisch von der Gesellschaft, schon getreten wird. Es ist natürlich einfach Witze über Minderheiten, Beeinträchtigungen oder sonst was zu machen. Nicht politisch korrekte Witze zu machen ist für mich daher einfach nur faul. Du nimmst Material, dass die Leute sowieso schon kennen. Man muss sich anschauen was gesagt werden will und in welcher Relation das zur Gesellschaft steht. Political Correct ist neu und wahrscheinlich deswegen nicht einfach für viele Leute. Überlegt werden muss, ist es eine systematische Diskrimination? Then don’t do it.“
Weiter erzählt sie mir, dass sich die Acts und sie sieben bis zehn Tage vor der Show treffen. Dort gibt es Coachings (falls gewollt) und ein Sensitivity Reader (wörtl. übersetzt: Gegenleser*in bei sensiblen Themen) ist anwesend: Hyo Lee. Diese prüft den Inhalt und die Texte auf mögliche Triggerpunkte, politische Korrektheit und missverständliche Darstellungen. Das ist notwendig, um mögliche Diskriminierungen auszuschließen. Denice betont, dass das der wichtigste Part der Vorbereitung sei, da sie ihr Versprechen für einen Safer Space damit einhalten könne.
Das Line-Up für einen PCCC*-Abend stellt Denice auf. Allerdings wird bei ihr nicht nach Berühmtheit geordnet, sondern nach Lautstärke der Stimme, physischer Sprache und Vibe der Personen. Damit alle Übergänge geschmiert laufen.
Die Bühnenkünstlerin und ihre Bühnenangst
Denice macht auch kein Geheimnis aus ihrer Bühnenangst und dass sie immer noch nervös vor Auftritten ist. Es sei zwar besser geworden, aber das brauchte Zeit und viel Arbeit. Eine besondere Herausforderung war deswegen auch ihre Solo-Show PRUDE, die im Februar 2022 stattfand.
Mit einem Podcast, in dem sie über ihre Bühnenangst spricht, hat sie diese Gefühle verarbeitet. Doch auch durch verpatzte Auftritte und Fehlschläge.
Ebenfalls hilft es Denice, wenn sie vor Auftritten meditiert. Im Jahr 2022 hat sie zehn Tage in einem Buddhisten-Zentrum verbracht. Dort hat sie zu meditieren gelernt. Oft greift sie vor einer Show auf die Methode der Geh-Meditation zurück. Diese würde sie beruhigen und das Kopfkino, dass sie versagen könnte, lindern.
Wie kam Denice Bourbon in die Queer-Community in Wien?
Partys. Denice Bourbon erzählt mir, dass sie durch das Feiern in Wien die Leute kennengelernt hat und so in die Community kam. Auch ihre vergangene DJane Karriere hat dabei eine essenzielle Rolle gespielt. Sie rät aber davon ab, sich „unbedingt wo reinquetschen zu wollen“. Entweder man fühlt sich willkommen oder sollte weiterziehen.
Für alle, die es Queer mögen, empfiehlt sie Sisters (wo Denice auch wieder auflegen wird), Marea Alta, aber auch Kunsteröffnungen (Art–Openings) und deren After Partys in der queeren Szene.
Die Queer-Diva fühle sich in Wien wohl und sei mit der Queer-Szene in der Hauptstadt zufrieden.
© Daniel Hill
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