Wer Wiener Techno sagt, muss auch Austrian Apparel sagen – ein Interview

Seit beinahe einer Dekade begleiten Sebastian und Dominik die Techno- Szene von Wien – und damit auch mich – und sind mittlerweile aus dieser auch nicht mehr wegzudenken. Nachdem uns die sympathischen Jungs jetzt auch noch mit einem neuen Video während der Quarantäne-Zeit beglückt haben, nehmen wir dies zum Anlass, die Isolation für ein Interview zu nutzen.
Oft habe ich etwas auszusetzen an unserer lokalen Technoszene. Dort zu schick, da zu abgefuckt, zu wenig Freiheiten von der Stadt oder untereinander zu hart konkurrierende Kollektive, aber im Großen und Ganzen ist es mittlerweile auch Meckern auf hohem Niveau. Natürlich habe ich viele offene Wünsche an die noch kleine Szene – die zum Teil in falschen Bereichen zulegt -, aber einen Teil meiner Wünsche erfüllen mir die Jungs von Austrian Apparel äußerst gut.
Für mich als technoaffinen Menschen seid ihr natürlich längst bekannt und habt auch viele meiner Fortgehabende versüßt: Aber stellt euch kurz vor für jene, die nicht wissen, was ihr macht und wie ihr zueinandergefunden habt!
Sebastian: Danke das freut uns sehr!!
Wir sind ein live Techno Duo aus Wien und machen seit 2012 gemeinsam und in verschiedensten Ausformungen elektronische Musik. Zum Techno haben wir erst nach 1, 2 Jahren gefunden. Wir haben mehr oder weniger zum Spaß bei einem kleinen Festival – glaub es war Progress – einfach mal eine „4-to-the-floor“ (Anm. d. Red.: 4/4- Takt, bei dem die Bassdrum auf jedem Schlag gespielt wird) Nummer als Zugabe gespielt und die Leute sind komplett ausgezuckt. Wir haben die Nummer einfach zu einer Extended-Version gemacht und sicher eine viertel Stunde lang gespielt (lacht). Da dachten wir uns, Moment vielleicht sind wir ja da an etwas dran und sind irgendwie dann dabeigeblieben.
Die Nummer war übrigens eine Urversion von Anthem – gibts leider nicht auf Spotify, aber bald.
Dominik: Die Geschichte von unserm Zusammentreffen ist eigentlich auch relativ strange. Wir waren beide auf der Angewandten in der selben Klasse und haben uns aber persönlich nie kennengelernt oder registriert. Ich habe dann eines Tages im E-Mail Verteiler der Klasse gelesen, dass Sebastian nach Sound Jobs im Filmbereich sucht.
Ich habe damals gerade bei einem Dreh den Ton gemacht und konnte Hilfe gebrauchen. Alles schön und gut, aber nach dem Shoot haben wir uns dann in meinem damaligen Studio im WUK getroffen, um an der Filmmusik zu arbeiten und haben nach einigen Stunden gemerkt, dass wir nichts weitergebracht haben, außer uns eigene Musik vorzuspielen (lacht). Da war mir klar, wir müssen zusammen Musik produzieren.

Links Sebastian und rechts Dominik, Credits: Austrian Apparel
Was gefällt euch an der Wiener Szene, wo seht ihr noch Nachholbedarf?
Dominik: Der musikalische Output in Wien und mit Wien Connection ist den letzten Jahren stetig an Qualität gestiegen. Siehe Schönbrunner Perlen, Affine, Meat Recordings, Stripped Down etc. Gleichzeitig sind die Event Produktionen und die Crews rundherum (z.B. KSOT, Märchenwald), die sie verwirklichen auch immer professioneller und erfinderischer geworden. Da wo ich Nachholbedarf sehe, hm. Es gibt meiner Meinung nach eher das Problem, dass die Auflagen der Stadt zu streng sind und man mit den vorhandenen Freiräumen, egal ob In- oder Outdoor, noch viel – mit sehr vielen „i“s – mehr machen könnte. Mal sehen was der Sommer so bringt. Ich hoffe jemand von der Stadt Wien liest das – *Zwinkersmiley*
Sebastian: Ich finde es top, was sich im Moment gerade bewegt und was und wer gerade alles zusammenfindet. Wir sind auch nicht auf der faulen Haut gelegen und haben uns außer unserem Album release noch ein paar andere Specials einfallen lassen, bleibt gespannt da kommt was.

Der letzte Techno Sonntag (2017) mit Dominik ganz links und neben ihm Sebastian, Credits: Bloom
Ihr seid aus der Wiener Technoszene nicht mehr wegzudenken und legt jetzt nochmal nach. Ich persönlich erinnere mich an den letzten Techno Sonntag vor fast drei Jahren und dann den Horst-Abriss, wo bei euch über diese drei Jahre eine massive Entwicklung zu sehen war – jetzt mal meine Lieblingsabende in der Grellen Forelle ausgenommen. Und ihr hört nicht auf, jetzt habt ihr auch ein eigenes Label am Start! Was war Anstoß dafür? Wann habt ihr damit begonnen?
Sebastian: Wir haben einfach Lust gehabt, etwas Eigenes zu starten und keine Kompromisse mehr einzugehen, hinsichtlich Timings oder Sound-Richtung, die ein Label vorgibt. Uns hat auch interessiert wie der ganze Prozess abläuft im Hintergrund. Letztes Jahr im Winter haben wir für den Release unseres Albums die Idee erkoren und prompt auch eine SKE-Förderung (Anm. d. Red.: Soziale & kulturelle Einrichtungen der Austromechana) bekommen. Es ist dann alles sehr schnell gegangen und dadurch, dass wir eine Deadline durch die Förderung bekommen haben sind wir auch super motiviert gewesen, das durchzuziehen.
Dominik: In meinem Kopf schlummert diese Überlegung irgendwie schon lang. Im Grunde genommen sind wir einfach nicht gut darin, bei unserm Sound Kompromisse einzugehen – *Zwinkersmiley*
Find ich gut so!
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Visionen und Ziele sind im Leben immer etwas wichtiges: Wohin soll es mit dem Label gehen? Plant ihr, auch andere Künstler unter eure Fittiche zu nehmen und an eurer Erfahrung teilhaben zu lassen?
Dominik: Für mich war es einfach der richtige Move jetzt und in erster Linie ging es uns darum mit unsrer Musik schneller operieren zu können und es eben zu 100% selber in der Hand zu haben. Der Name AA+ Records ist ja auch aus unsrer Abkürzung – AA+ oder ^^+ – generiert. Ich finde, es sollte eine Art limitiertes Label sein, welches eben nur eine bestimme Anzahl an Releases in einer – physisch – streng begrenzten Stückzahl herausbringt. Natürlich mit besonderem Augenmerk auf Qualität der Musik, aber auch mit einem geilen visuellen Erscheinungsbild. Wir sind auf jeden Fall schon am planen und kommunizieren natürlich mit befreundeten Musikern, who knows!
Sebastian: In allererster Linie ist es natürlich als Basis für den Start unsers Debut-Albums „AAplus“ gedacht, aber wir würden es schon interessant finden, auch neue Artists rauszubringen und ihnen bei ihrer Sound Vision zu helfen. Das könnte auch eine super Möglichkeit sein, an die Szene und Producer Community in Österreich etwas zurückzugeben. Ich denke da zum Beispiel an eine Compilation mit (live) Techno Tracks von Newcomern.
Würde jedenfalls zu euch passen: Schon mal an einen eigenen Club gedacht? Wenn ja: Wie würde er idealerweise Aussehen?
Sebastian: Ich finde dieses Physical Distancing würde gut passen in meinem Club, also zum Beispiel so groß wie die Forelle und nur 100 Leute dürfen rein. Fände ich richtig entspannend. Die müssen halt 3 mal so viel zahlen, damit sichs rentiert (lacht).
Dann könnte ich mir noch vorstellen, dass noch ein kinosaal nebenan ist, wo man sich Filme anschauen kann mit Programm und allem Drum und Dran. Falls jemand keine Lust mehr hat auf raven oder kurz romantisch sein will.
Ich liebe die Idee mit dem Kino!
Dominik: Hm, meiner Meinung nach brauchts für ein Club nur eine mega fette Soundanlage in einem fast komplett dunklen Raum und hinten irgendwo eine Bar. Sonst nix. (Lacht) Vielleicht sollten wir doch keine Club zusammen machen und lieber bei der Musik bleiben.
Whimper von Austrian Apparel aufgenommen in der Grellen Forelle
Ihr habt ja quasi schon eine Art Homebase in Wien. Ich persönlich habe euch schon immer stark mit der Grellen Forelle assoziiert, jetzt habt ihr da auch noch ein Video gedreht: Was fasziniert euch an dem Club? Welche Geschichte teilt ihr mit ihm?
Dominik: Ich habe ja viel Zeit, Schweiß, Blut und Liebe in dem Club als Tontechniker verbracht und war dort knapp nach der Gründung einige Jahre beschäftigt. Die ganze Crew – Stephi, Schady, Chris, Nyat, Aaron, Tommy ALLE! – ist mir ans Herz gewachsen und es passieren einfach gute Dinge dort. Die Tonanlage – Wolfgang und Pro Performance mega abgeliefert – und Lichtsystem ist nach wie vor ungeschlagen in Wien. Natürlich ist es immer ein Wahnsinn, wenn wir hier live spielen. Mal sehen wann wir wieder mit der Crowd dort tanzen können. Bis dahin fetzts euch das Video mit Liana Saria und uns in der leeren Forelle zu ‘Whimper’ rein! (Anm. d. Red.: Die Nummer findet ihr über der Frage)
Sebastian: Die Forelle hat uns immer und von Anfang an unterstützt. ✊ Von unseren ersten Gigs – RIP Meuterei – vor Extrawelt bis zuletzt bei unserm Video Shoot. Zusätzlich haben wir dort auch die Hälfte der Tracks von unserm Album recorded. Wollten einfach am Ort, wo unserer Meinung nach der Sound am besten hinpasst, auch den Sound fürs Album entstehen lassen. Von der Quelle direkt in den Ozean quasi, passt ja auch zu einer Forelle diese Reise (lacht).
Auch muss man sagen, dass sie generell offen für neue und lokale Projekte sind. FULL SUPPORT!
Die Clubs und Feste sind jetzt erstmal auf Eis gelegt – ein harter Schlag für uns, aber für euch und die Veranstalter noch härter: Wie nützt ihr die Quarantäne Zeit? Musikalisch und privat?
Dominik: Es gilt die Zeit jetzt einfach zu nutzen und gerade in so einer Krise nicht auf der faulen Haut zu liegen. Es gibt bei AA+ ca 3 milliionen unfertige Projekte und Tracks, die wir gerade angehen. Außerdem haben wir mit unserm Label – check it out AA+ Records – jetzt eine eigene Basis auf einem entfernten Planeten gegründet um noch schneller noch geileren shice ins Universum schießen zu können.
Privat wollte ich eigentlich alle meine Terabytes an alten Festplatten durchstöbern und ordnen – nur ca zur Hälfte geschafft – und zuhause so umstellen, dass ich hier gut Musik machen und Tracks produzieren kann. Das hab ich zumindest geschafft.
Sebastian: Wir haben alle Hände voll zu tun mit dem Album jetzt gerade und wir produzieren natürlich weiter. Wir haben auch vor, einen Live Stream zu machen, wo wir über unsere Arbeit reden und die Tracks auseinanderlegen und analysieren und natürlich bissl Schwachsinn verzapfen (Lacht) Stay tuned.
Privat versuch ich fit zu bleiben und Ordnung in der Wohnung zu machen, meine Samples zu sortieren und täglich meine Synths zu putzen.
Last but not least: Open Air oder Club?
Sebastian: Open Air!
Dominik: Im moment würd ich alles nehmen haha, hauptsache R A V E !!
Danke Jungs für eure Zeit und ich hoffe, wir sehen uns bald wieder!
Beide: DANKE FÜRS INTERVIEW ! 1 ∞ LIEBE! ^^+
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