Was kann das Kabarettprogramm des erfolgreichen TikTok Duos Dr. Bohl?

Die Brüder Paulus (26) und Benjamin (23), besser bekannt als Ulk-Duo „Dr. Bohl“ erobern nach Social Media nun auch Wiens Kabarettbühnen. Bereits mit ihrem zweiten Live-Programm „ANABOHLIKA“ starteten sie bei der Premiere am 16. Jänner einen erneuten Angriff auf das Zwerchfell der Besucher*innen. Unser Redakteur Alexander Zollner war vor Ort und hat sich bespaßen lassen. Wie sehr, erfährst du hier.
Dr. Bohl — gelbe Pfannenwender, Ronja, Kurtl und Thérèse
Wer in Wien studiert und „Dr. Bohl“ nicht kennt, hat sein Studium nie geliebt. So oder so ähnlich könnte man die steile Karriere der beiden Nachwuchskabarettisten Paulus und Benjamin wohl am besten beschreiben. Was als halblustiger Gag anlässlich des Geburtstages eines Freundes begann, wollten in den sozialen Medien bald tausende regelmäßig sehen und so sind Kultobjekte wie der gelbe Pfannenwender und noch viel kultigere Charaktere wie Ronja, Kurtl oder Thérèse nicht nur den eingefleischten Fans längst ein Begriff.
Dabei passiert immer wieder dasselbe: Kein Stereotyp, kein Klischee wird gescheut, um der Wiener (Studierenden-)Szene gnadenlos den Spiegel vorzuhalten. Niemand ist vor den zahllosen Identitäten Dr. Bohls sicher, sei es der verzogene, verwöhnte WU-Student, Fridays for Future oder der Balkan-stämmige Käfigkicker aus der Nachbarschaft. Was sie alle vereint, ist ein großes Geheimnis der guten Unterhaltung: Wohl jede*r, der Dr. Bohl je gesehen hat, findet einen kleinen Teil von sich selbst in einem der Charaktere. Und wenn nicht, dann zumindest Züge des besten Freundes, der geliebten Schwester oder des verhassten Ex-Gspusis der Cousine.
@dr.bohl
Und das erlaubt einem, im Endeffekt über sich selbst und nicht über den Künstler zu lachen. Ein geniales Konzept, das in Videos und Reels hervorragend funktioniert. Aber lässt sich diese Idee auch auf die Bühne bringen? Und verirrt sich die junge Zielgruppe, die sich sonst die Videos schnell zwischen Vorlesung und Club in der U-Bahn gönnt, tatsächlich für zwei Stunden in ein Kabarett? Ein Lokalaugenschein war am 16. Jänner bei „ANABOHLIKA“ im Wiener Stadtsaal möglich.
ANABOHLIKA — Dr. Bohl geht weiter
„ANABOHLIKA“ ist bereits das zweite Live-Programm des Geschwisterduos, nachdem „Dr. Bohl – live“ bereits Begeisterungsstürme verursachte und über 40 ausverkaufte Shows zu Buche stehen hatte. Aber kann Dr. Bohl an diesen Erfolg anknüpfen? Bewegt sich das junge Publikum auch in die großen Säle wie den Stadtsaal?
Die Premiere war ein lautes „Ja“ auf diese Antwort: Die meisten Zuschauer*innen waren wohl zwischen 20 und 30 Jahre alt, dem Vernehmen nach einige Freund*innen und ehemalige Schulkolleg*innen des Duos, aber auch viele, die die Brüder gar nicht persönlich kennen, sondern nur deren Auftritte und Videos. Darunter mischten sich auch die stolzen Eltern der beiden höchstpersönlich mit ein paar weiteren Vertreter*innen der nicht mehr ganz jungen Generation – wahrscheinlich um herauszufinden, was denn die Jugend heutzutage so alles witzig findet. Aber kann das klappen?
© Mila Zytka
Millenial-Lifestyle meets Gen Z-Struggle
Ein Kabarett für die Grenzgänger zwischen Millenial-Lifestyle und Gen Z-Struggle, das die anwesenden Boomer nicht entrüstet aus dem Saal rauschen lässt? Das Ziel von Dr. Bohl ist jedenfalls nicht ohne Ehrgeiz. „Wir wollen Kabarett für unsere Generation machen – denn das gibt es in dieser Form in Österreich nicht. Wir wollen mit unseren Fans mitwachsen und wir wollen, dass sie in einigen Jahren zurückschauen und sagen: Ich bin mit Dr. Bohl erwachsen geworden“, erklärt Paulus ambitioniert.
Auf der Bühne manifestiert sich das sogleich in Form „tiafer“ Schmähs und einer Gratwanderung an den Grenzen des schlechten Geschmacks: Nach der epischen Ankündigung des Programms, die Besucher*innen der ersten Live-Show stellenweise bekannt vorkommen dürfte, folgt sogleich ein dadaistischer Dialog in abgrundtief schlechtem Englisch, der die Zuhörer*innen ideal auf das Chaos der nächsten knapp zwei Stunden vorbereitet.
Der erste Akt: Welten, die aufeinander prallen
Der quasi erste Akt spielt dann, zur allgemeinen Erleichterung auf Deutsch, wie könnte es bei verschreibungspflichtigen ANABOHLIKA auch anders sein, in einer Arztpraxis. Und dabei schießt Dr. Bohl auch gleich aus allen Rohren: Wie nur Paulus und Benjamin es können, prallen hier Welten aufeinander, wenn ein nicht ganz unbekannter Gemeindebaubewohner und SPÖ-Wähler auf den steinreichen Privatier mit Jagd in Böhmen trifft, der die Abschaffung des Adels in Österreich geflissentlich ignoriert und eigentlich gar keine Lust auf Smalltalk hat.
Es entspinnt sich ein hochkomischer, teils abstruser Dialog, den das Gebrüderpaar souverän meistert – vor allem Benjamin hat sich im Vergleich zum ersten Programm noch einmal gesteigert, dem Jüngeren der beiden scheint schauspielerisch endgültig der Knopf aufgegangen zu sein. Dass Paulus in diesem Setting auch gleich noch die Vorzimmerdame spielt, was in einem Schreiduell mit sich selbst gipfelt, lässt die Genialität des ersten Sketches mehr als erahnen. Dabei darf man in Hinblick auf die Political Correctness nicht immer alles ganz Ernst(l) nehmen und sich auch einmal selbst beim Lachen über einen echt schlechten Gag ertappen.
@dr.bohl Was Streber so im Sommer vorhaben: #drbohl #foryou #fürdich #fyp #viral ganzes Video gibts bei uns auf Insta 🙌🏻
Der zweite Akt:
Der zweite Akt spielt dann in denselben Räumlichkeiten, der Arzt hat aber mittlerweile die wohlverdiente Pension angetreten und die Praxis wird in eine WG für den werten Herrn Neffen umfunktioniert, der vielen Zuschauer*innen als liebgewonnener Streber von der TU bekannt ist. Die ersten zwei Bewerber für das leere WG-Zimmer stellen sich dann sogleich als Vertreter einer als ausgestorben geltenden Spezies heraus und es entwickelt sich ein beinahe absurdes Theater rund um nerdige Jokes über Fabelwesen und deren Alltagsgestaltung – dass die beiden Protagonisten dabei astreines „Piefkinesisch“ sprechen, kommt nicht minder witzig rüber, der Sketch hat allerdings seine Längen, entlässt einen aber doch mit schmerzenden Lachmuskeln in die Pause.
Diese endet explosiv mit dem Testosteron-überladenen Auftritt eines spanisch angehauchten Tanzlehrers mit unaussprechlichem Namen, der Ablauf seines Auftritts dürfte vielen Dr. Bohl-Fans aber nicht ganz unbekannt sein – trotzdem bleibt auch hier „Schweiß die Treibstoff von Leidenschaft“. Zwischen den verschiedenen Sketchen werden zur Überbrückung der Umziehpausen die besten YouTube-Videos des Duos abgespielt, die einige der lautesten Lacher des Abends ernten – das ursprüngliche Medium funktioniert also doch einfach noch am besten!
@dr.bohl Warum Bundesheer? 😂 #drbohl #foryou #fyp #fürdich #viral in voller Länge auf Insta 🙌🏻
Grande Finale
Für das Grande Finale schlüpfen Paulus und Benjamin dann in ihre Paraderolle, ein gewisses liebenswertes, aber stets zerstrittenes, altes Ehepaar, dass sich diesmal auf den Weg in den Sommerurlaub Richtung Süden macht. Wie gewohnt werden dabei jahrzehntealte Konflikte aufgewärmt und kaum Gelegenheiten ungenutzt verstreichen gelassen, sich gegenseitig eine eh lieb gemeinte Beleidigung reinzudrücken. Ob sich die anwesenden Boomer dabei gewundert haben, wie die in den 90ern und 200ern geborenen ihre Eltern- und Großelterngeneration denn so sehen? Jedenfalls war es erneut dieser Trick mit dem Spiegel, den Dr. Bohl so hervorragend beherrscht.
Fazit
Insgesamt verging die Zeit während der Vorführung wie im Fluge, denn Dr. Bohl blödelte sich in rasantem Tempo durch den Abend. Das Brüderpaar war für die Premiere bereits überzeugend, textsicher und locker – die zwei, drei Stolperer und Hänger wurden vom Publikum durchaus goutiert, denn Dr. Bohl griff im Sinne der Ehrenrettung zu einer weiteren seiner großen Stärken: der Improvisation! (Manche Gäste behaupteten sogar, sie hätten sich mehr Aussetzer gewünscht, denn auch im Kabarett sind die spontanen Jokes oft einfach die besten.).
Wer Dr. Bohl feiert, wird am neuen Programm nicht vorbeikommen, und wer das ulkige Duo noch nicht kennt, sollte es spätestens jetzt kennenlernen! Die nächsten Shows im Kabarett Niedermair sind bereits gut gebucht und auch eine kleine Tour durch die Bundesländer ist geplant – alle Infos findet man hier.
Titelbild © Mila Zytka
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