Eine US-Krankenversicherung übernimmt als erste überhaupt die Kosten für Companion Pets. Auch wenn diese streichelbaren Stoffrobotertiere einen erwiesenen Gesundheitseffekt haben, scheiden sich an deren Verwendung die Geister.
Die Robo-Katze für einsame Stunden
Den Einfall Companion Pets hatte die Firma Ageless Innovation – eine US-Tochter des Spielwarenherstellers Hasbro! – vor 10 Jahren. Damals begann das Unternehmen mit der Entwicklung von animatronischen Katzen und Hunden für SeniorInnen, die so realistisch wie möglich aussehen und sich auch genauso anfühlen und anhören sollten. Schon im Jahr 2001 fiel nach der Einführung animatorischer Spielsachen auf, dass diese auch bei Erwachsenen recht populär waren.
Von da an war es nur noch ein Katzensprung – sorry für den schlechten joke – zum vermeintlichen Erfolg. Inzwischen haben schon mehrere Studien bewiesen, dass diese Robotertiere einen positiven Gesundheitseffekt erzielen. Vor allem bei Demenzkranken, einsamen und depressiven Menschen.
Auch wenn noch größere Studien nötig sind, ist klar, dass durch die Interaktion mit den künstlichen Tieren negative Verhaltensmuster von Demenz verbessert werden. Sogar Aufgebrachtheit und Aggressivität werden abgebaut. Und einsame Menschen wurden durch das Streicheln plötzlich wieder kontaktfreudiger. Eine Revolution der Altenpflege scheint daher nicht mehr aufzuhalten.
Mittlerweile bietet sogar die US-Krankenversicherung HealthPartners Versicherungsnehmenden mit einer Demenz- oder Depressionsdiagnose an, die Kosten für Companion Pets zu Übernehmen. Auch in Deutschland kommen ähnliche Produkte – wie z.B. die Roboterrobbe Paro – schon länger in Altenheimen zum Einsatz. Neuester Hit ist wohl der Pfleger Pepper. Ein humanoider Roboter, der darauf programmiert ist, Menschen und deren Mimik zu analysieren und auf diese Emotionszustände entsprechend zu reagieren.
Ziel: u.a. die Entlastung der PflegerInnen. Da der Pfleger Pepper jedoch zu schwach ist, um körperlich mitanzupacken, fungiert er als rein empathischer Ersatz. Und damit kommen wir vielleicht schon zu einem Problem.
Was ist eine echte Interaktion?
Auch wenn „die Dinger“ mithilfe von hochwertigen Aufnahmen schnurren wie Katzen. Sogar der Körper ähnlich vibriert wie beim Naturvorbild. Inklusive Reaktionen wie Kopfbewegung, Miauen, Blinzeln, Pfotenlecken natürlich. Auch wenn mithilfe eines Reglers sogar die Lautstärke auf Wunsch eingestellt werden kann, hat das Ganze doch einen etwas bedenklichen Beigeschmack und stellt, trotz Innovation und technischer Genialität, der Menschheit doch so etwas wie ein Armutszeugnis aus.
KritikerInnen bezweifeln, allem voran Sherry Turkle vom MIT, dass diese Roboter-Haustiere tatsächlich helfen. Die Psychologin bemängelt z.B. das Fehlen einer echten Interaktion. Die Maschine kann den Kontakt zu echten Tieren oder Menschen nie ersetzen. Schon im Jahre 2013 hat Turkle die Misere kommen sehen und erklärt, dass wir in diesem „Roboter-Moment angekommen sind, nicht weil wir Roboter gebaut haben, die unserer Gesellschaft würdig sind, sondern weil wir für deren Gesellschaft bereit sind“.
This means a lot to me. And I feel more strongly than ever before. Empathy is a human capacity. https://t.co/tSAzeVFYca
— Sherry Turkle (@STurkle) December 6, 2020
Headline
Es wird gearbeitet an Robotern, die helfen, Kinder zu unterrichten und zu betreuen, sowie Kranke, Menschen mit Behinderungen und ältere Menschen zu versorgen. Doch laut Turkle ist die eigentliche „headline“ nicht die fortgeschrittene Robotik. Die eigentliche Botschaft ist, dass die Menschen mittlerweile akzeptieren oder sich sogar danach sehnen, dass Roboter vollständig in Rollen integriert werden, die früher als einzigartig menschlich galten. Das Menschliche, abgelöst von Robo-Cat und Art-Dog?
Natürlich sind diese Roboter kein echter Ersatz, beschwichtigen viele BefürworterInnen. Diese gehen davon aus, dass, solange diese Technik nur ergänzend genutzt wird, die therapeutischen Artefakte viel Potential besitzen. Doch was bedeutet diese vermeintliche „Ergänzung“ wirklich? Im Grunde ist diese Beschwichtigung doch absurd. Fakt ist, dass diese Roboter eingesetzt werden, um den Menschen gerade dort zu ersetzten, im menschlich wichtigsten Bereich, der Empathie und Fürsorge. Denn laut Aussagen des Pflegepersonals bleibt, aufgrund des stressigen Alltags, eben gerade dafür keine Zeit.
Fazit
Automatisierung. Digitalisierung. Robotisierung. Es ist menschlich kein Problem, wenn harte physische Arbeit von Maschinen erledigt wird. (Außer vielleicht die wachsende Unwissenheit des Menschen darüber, wie diese Dinge ohne Maschinen zu bewerkstelligen wären).
Doch wenn die Maschine den Menschen ganz ersetzt, vor allem in dem Bereich, der eigentlich der ausschließlich menschliche ist, dann ist das eine ganz andere „Geschichte“. Humane Gefühle der Empathie, hervorgerufen von einer Roboterkatze? Und das nur, weil eben keine Zeit mehr ist, dass ein anderer Mensch diese bewirkt? Grotesk. Klar hilft diese Technik. Klar ist es eine Entlastung für das überforderte Pflegepersonal, die Pflege. Ein Bereich, der ohnehin recht problematisch ist. Und dennoch? Können, ja dürfen wir – menschlich gesehen! – wirklich zufrieden damit sein?
Titelbild Credits: Shutterstock
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