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Reich werden? Einfach, schnell, unkompliziert? Wer will das nicht. Doch Menschen, die euch mit diesen Versprechungen etwas aufschwatzen wollen, solltet ihr lieber mit Distanz begegnen. Zum Großteil versteckt sich hinter ihren „genialen Plänen“ das kontroverse Konzept „Network Marketing“. Was dahinter steckt, erfährt ihr hier.
Träume eines Gewinners
Albert Hinterdorfer. Ein Name, der in aller Munde ist. Vor allem deshalb, weil dieser selbst von sich Sprechen lässt. In letzter Zeit auch immer öfter durch Werbung. Hinterdorfer, eine Erfolgsstory? Vom „hart schuftenden“ Bäcker, der wortwörtlich „Staub“ gefressen hat – und das ab 3 Uhr Früh –, hat er es in kurzer Zeit zum „Top-Unternehmer seiner Brache geschafft“. Welche Branche das genau ist, erklärt er in seinem Vorstellungsvideo jedoch nicht.
Dort erzählt der Absahner lieber kurz von seinem geilen life. Protzt mit (s)einer fetten Luxuskarre. Telefoniert in Büros mit atemberaubender Aussicht. Chillt am Bug einer Jacht und macht dort einen auf Titanic. Lässt mit dem Jet Ski in Dubai die Wellen höher schlagen. Und versichert vor atemberaubenden Kulissen, dass man „innerhalb weniger Wochen finanziell frei und unabhängig werden kann“. Ganz einfach! Wie genau? Erklärt er in diesem Clip ebenso nicht. Um Kontaktaufnahme wird gebeten.
Perspektivenlos? Finanziell frei und unabhängig in nur wenigen Wochen!
Mittlerweile auf der (finanziellen) Sonnenseite des Lebens hatte Hinterdorfer wahrlich harte Zeiten hinter sich. Ausgelaugt ist er jeden Morgen aufgestanden. Hatte keine Perspektive im Leben. War umgeben von Hilfsarbeitern, die sich die Brötchen, die sie backen mussten, selbst nicht leisten konnten. Doch war er offen für neue Möglichkeiten aus dem Hamsterrad auszusteigen. Und dann ging alles ganz schnell.
Denn „bis vor wenigen Jahren“, wie er in dem Video versichert, hat er ja noch „in einer Bäckerei geschuftet“. Seltsam, wo er doch in einem Live-Interview mit Wolfgang Fellner vom 18 Jänner 2018 noch behauptet, „gelernter Büro- und Versicherungskaufmann“ zu sein. Klar ist beides möglich. Trotzdem wird das eine hier erwähnt und dort verschwiegen.
Aber egal. Hinterdorfer ist vor allem eines, ein Samariter des Cash, der Menschen weltweit zeigen will, wie sie ihr Traumleben verwirklichen können. Und dabei finanziell unabhängig und frei werden. Es ist vermutlich jetzt schon klar, wer den Friedensnobelpreis 2021 einheimsen wird. Doch nicht nur das, auch der Nobelpreis für Wirtschaft ist eine heiße Option, vor allem für das „einzigartige Konzept, ohne großes, finanzielles Risiko profitieren zu können!“
Network Marketing!
Das Internet ist geradezu voll von Menschen, die euch erklären wollen, wie ihr schnell und einfach reich werden könnt. Auch wenn viele dieser „Gewinner“ es nicht so nennen wollen, so greifen dennoch viele dieser Geldpropheten auf das kontrovers diskutierte Network Marketing zurück.
Da es vor allem kontrovers diskutiert wird, wollen diese Propheten sich selbst natürlich nur ungern als Network Marketer bezeichnen. Verständlich. Doch zurück zum Thema. Was Network Marketing überhaupt?
Der Ursprung des Network Marketing
Auch wenn als neues und innovatives System gepriesen ist, wurde Network Marketing bereits in den 1930ern entwickelt. Auslöser dafür war die Wirtschaftskrise in den USA. Die Ökonomie war damals gerade am Boden und kreative Business-Pros suchten nach neuen Modellen des Wiederaufbaus.
Die Grunderkenntnis dieses Modells ist die Tatsache, dass eine Empfehlung von Bekannten enormen Einfluss auf die Kaufentscheidung hat. Klar, wenn ein guter Freund, eine gute Freundin euch erzählt, es handelt sich bei X um ein gutes Produkt, dann seid ihr schon einmal gewillter, es euch auch zu kaufen. Egal ob Pfanne, Auto, Kinderbett oder die Imbissbude an der nächsten Ecke. Eure Freunde sind Personen eures Vertrauens und meinen es nur gut mit euch.
Wenn euch also ein*e Freund*in das Produkt einer bestimmten Firma nahelegt, werdet ihr euch vermutlich eher dafür entscheiden, als ein Produkt der Konkurrenz. Und somit hätten wir einmal die Grundlage für dieses sogenannte Multi-Level-Marketing (MLM) aka Network Marketing. Heißt: Ein Unternehmen generiert Vertriebspartner und gibt ihnen Produkte zum Weiterverkauf an Freunde und Bekannte. Somit werden deren Produkte durch Empfehlung verkauft.
Schnell und direkt an den Endverbraucher
Die Firma, die so arbeitet, verkauft ihre Produkte somit schnell und direkt an den Endverbraucher. Es gibt keine Zwischenhändler über welche verkauft wird. Deshalb findet man diese Produkte auch nicht in herkömmlichen Shops. Verständlich, bekommt der Kunde schließlich auch die Möglichkeit selbst Vertriebspartner zu werden. Er kann seine Investition in das Produkt also über Gewinnspannen und Provisionen ausgleichen. Zugleich aber auch viel dazuverdienen, wenn er selbst viele Vertriebspartner anwirbt.
Vor allem dafür bezahlt das Stammunternehmen oft eine gute Provision. Der Vertriebspartner bekommt die Produkte zusätzlich zum Einkaufspreis. Sein Gewinn akquiriert er über die Differenz zum Verkaufspreis. So funktioniert im Grunde das System Network Marketing. Das Ziel: über ein großes Netzwerk viele Vertriebspartner bzw. Käufer anzuwerben.
Kontroverse!
Die Frage lautet jetzt. Kann man damit wirklich Geld verdienen? Oder ist das alles ein sogenanntes Schneeballsystem, das nur den großen Vertriebspartnern hohe Gewinne verschafft. Dies ist jetzt natürlich schwer zu beantworten, vor allem weil jedes damit operierende Unternehmen das Network Marketing anders umsetzt. Es ist oft ein schmaler Grat zwischen seriös und illegal, denn Schneeballsysteme sind illegal.
Doch legen unseriöse Anbieter ihren Schwerpunkt oft auf eine aggressive Anwerbung. Wobei die Qualität und die Sinnhaftigkeit des Produkts nachrangig sind und die wirkliche Eignung des Vertriebpartners nicht wirklich relevant zu sein scheint.
Es gibt einige wichtige Kriterien, auf die ihr achten müsst, wenn ihr in so ein Network Marketing einsteigen wollt: Wie hoch sind die Einkommensversprechen? Wenn zu hoch und unglaubwürdig, dann kann damit einfach etwas nicht stimmen. Ein weiterer Hauptpunkt: Wenn versprochen wird, dass es ganz leicht ist, Menschen anzuwerben. Wenn ihr „nur fünf“ anwerbt im Monat und diese werben auch wieder fünf an dann seid ihr schon Manager*in und habt ein entsprechendes Einkommen… blablabla.
Recht fraglich, denn es ist nicht so leicht Menschen anzuwerben. Vor allem nicht für ein Produkt, dessen Sinnhaftigkeit einem selbst nicht sofort klar wird. Und auch wenn man es schafft, fallen diese vielleicht wieder raus etc.
Relevant sind auch die Anfangspakete. Wie viel muss man am Anfang investieren. Das sind oft relativ hohe Kosten und noch kein Gewinn. Und vor allem, wofür sollt ihr das bezahlen? Wichtig: Wie werden die eigenen sozialen Beziehungen missbraucht? Oft wird man angehalten, alle seine Freunde und Bekannte anzuhauen. Wer ein echter Freund ist und seine Freunde nicht ausnutzen will, sollte davon vielleicht absehen. Das schadet einer jeden Beziehung, vor allem wenn man diese hohen Versprechen auf schnelles Geld weitergibt.
Beware – Network Marketing als Abzocke
Das Internet ist geradezu voll von Menschen, die euch erklären wollen, wie ihr schnell und einfach reich werden könnt. Vergleich Alfred Hinterdorfer. Wir wollen nicht behaupten, dass alle davon nur lügende Betrüger und Aufschneider sind, die euch Geld aus der Tasche ziehen wollen. Vielleicht sind ja wirklich einige Samariter dabei, die nur euer Wohl zum Ziel haben.
Aber bedenkt! Wenn jemand es geschafft hat, eine Methode zu finden, einfach und schnell Geld zu machen, warum zum Teufel (!) sollte er diese Methode gratis mit euch teilen wollen? Und warum investiert er nicht einfach noch viel mehr Geld in seine Methode und wird dabei noch reicher, als er ohnehin schon zu sein scheint, einfach und schnell?
Alles Fragen, die ihr euch, aber auch diesen Samaritern des Cash kritisch stellen solltet, bevor ihr auch nur daran denkt, gutgläubig eure Brieftasche zu zücken. Wir wissen darüber Bescheid, wie unsexy es ist, aber dennoch scheint der einzige Weg für Erfolg zu sein, dafür zu arbeiten. Und leider leben wir immer noch in einer Welt, in der euch niemand wirklich freiwillig etwas schenken will. Cheers!
Titelbild Credits: Shutterstock
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