Unsere Redakteurin ist ein life-long Fan der Pride und passionate bezüglich all der Themen, die damit einhergehen. Dieses Jahr sind ihr bei der Pride Parade so einige Dinge aufgefallen, die das Bild des friedlichen Zusammenseins zwar etwas irritierten, der positiven Stimmung jedoch keinen Abbruch zufügten.
Dieser Artikel enthält einen PERSÖNLICHEN und SUBJEKTIVEN Bericht über die Pride Parade/Regenbogenparade 2024 in Wien. Jede Erfahrung kann unterschiedlich sein. Diese Darstellungen sollen einen Einblick geben, aber keine Generalisierung befeuern. Da es sich hier nicht nur um eine reine Lobrede handelt, ist es mir, der Autorin, sehr wichtig, das stark zu betonen.
Vienna Pride-Parade
Wenn ich mich zwischen Geburtstag, Weihnachten und der Vienna Pride-Parade entscheiden müsste, wäre die Sache klar, bevor die Frage zu Ende gedacht werden wurde. Pride ist Lust, Liebe, Esprit. Der Tag, an dem Schritte auf dem Asphalt gesetzt werden, wo sonst für Flinta* Angst um die eigene Integrität gefühlt und gelebt wird.
Die Straße gehört an diesem Tag uns, der queeren Community und allen unterstützenden Personengruppen. Erstmal ein großes DANKE! Es gibt keinen anderen Tag, an dem ich mich so wohlfühle, aus dem Haus zu gehen. Beim ersten Mal noch ganz shy, mit einer kleinen Fahne und mit Augen von damals gesehen, einem skandalösen kurzen Minirock, einer viel zu großen Gruppe und der stressigen Wunschvorstellung, alle am Rathausplatz wiederfinden zu wollen.
Nein, nein, dieses Mal sollte es anders sein. Ich bin mit einer überschaubaren Gruppe von Freundinnen gestartet und war vorbereitet wie noch nie zuvor. Da schon um 12 Uhr Vormittags die insgesamt 84 angemeldeten Gruppen und Wägen ihre Runde in die entgegengesetzte Fahrtrichtung der Ringstraße losfahren, war ich um 10 fix und fertig. Und um 10:01 hatte ich den ersten Sekt in der Hand. Das Leben kann schon prickelnd sein. Die Sonne hat sich extra für uns im besten Schein gezeigt und allgemein war die Stimmung wie jedes Jahr vibrant.
© Sarah Roland
Vienna Pride Parade: Sicht- und Nahbarkeit
Es wird feiernd demonstriert für die Rechte der queeren Community. Es geht um Sicht- und Nahbarkeit und vor allem Repräsentation. Zelebrieren und demonstrieren. Wofür?
Es gibt eine weltweit hohe Dunkelziffer, aber allein in Deutschland hat sich laut der Staatsanwaltschaft Berlin die Menge an Anzeigen im Kontext queerfeindlicher Gewalt fast verdoppelt. Jetzt kann man sagen: Na ja, jetzt trauen die sich halt endlich auch was zu sagen! Kein Wunder, dass die Anzahl steigt.
Mehr Sichtbarkeit eines Themas bedeutet mehr Aufmerksamkeit, mehr Raum. Dich zu äußern bedeutet aber nicht, dass die Wurzel des Problems entfernt wurde. Xenophobie, auch Angst vor dem Fremden genannt, schleicht sich (wenn wir ganz ehrlich sind) bei so gut wie jeder Person ein. Diese Angst will uns vor dem Unbekannten schützen, das uns eventuell verletzen könnte.
Allerdings machen sich das manche zu nutzen und bekommen auf diesem ungalanten Weg ihre Wähler*innen. Schürt man die Angst an der richtigen Stelle, lodert ein Feuer aus Angst und Unsicherheit auf. Die Pride setzt ein klares Zeichen gegen diese Ängste. Es geht darum, sich gut, sicher und für (zumindest) diesen einen Tag besonders frei zu fühlen. Was könnte da in die Quere kommen?
Here for the change.
Zum einen waren es männlich gelesene Fotografen. Ja, die sind jedes Jahr da. Doch dieses Mal sind im Vergleich zu den letzten Jahren, meines Empfindens nach, besonders viele Kameras auf einen gerichtet worden. Bis zu dem Punkt, wo mir regelmäßig Handykameras ins Dekolleté gehalten wurden. Das haben mir einige andere Teilnehmer*innen auch unabhängig von meiner Wahrnehmung so berichtet.
Man möchte meinen, Cat Calling und andere Gesten toxischer Männlichkeit haben auf der Pride keinen Platz, doch genau das ist mir zweimal passiert. Jemand wollte mir nach so einem Spruch auch noch eine Fahne für einen Euro verkaufen. Schatz? Klare Themenverfehlung.
Glasscherben und Gegröle
Vielleicht ist es mir bei den letzten Malen einfach nicht besonders ins Auge gestochen, dieses Mal aber dafür direkt in meinen Fuß. Überall waren an den Bordstein-Rändern Glasscherben zu sehen. Eine männlich gelesene Person warf hinter mir energisch eine Flasche zu Boden, die sofort zersprang. Anstatt die Scherben aufzuheben und wenigstens etwas zur Seite zu legen, grölte er etwas Unverständliches und lief mit seiner Gruppe weiter.
Offensichtlich alkoholisierte Personen auf ihr Fehlverhalten anzusprechen ist unter Umständen nicht nur eine Überwindung, sondern auch gefährlich. Konsum hat auf der Pride viel Platz, aber es gibt eben nur begrenzte Möglichkeiten, den dadurch entstandenen Dreck auch zu entsorgen. Praktisch, dass die MA48 gleich hinter der Pride hinterherfährt und alle Schandtaten beseitigt, aber vielleicht wäre ein zusätzliches Angebot an großen Wegwurf Möglichkeiten (vor allem für Glas) ein nützliches Add-on.
© Sarah Roland (natürlich wurde der meiste andere Müll verantwortungsvoll entfernt.)
In öffentlichen Räumen wird oft und gern geklaut. Gleich zwei Freundinnen sind auf diesem Wege ihre Taschen mitsamt Handy und Geldbörse losgeworden. Auch das war für mich eine Premiere. Dieser Tag war für mich die letzten Jahre in eine regenbogenfarbene Zuckerwatte gehüllt. Alle sind gutdrauf, alle demonstrieren feiernd für eine offene und liebende Community.
Ist das so ähnlich wie bei Festivals? Das erste Mal, wo man dort ist, ist immer am besten und die Jahre danach fällt einem auf, was eigentlich so alles doch nicht passt? Ich habe es mir zur Aufgabe gemacht, Berichte über die Pride zu sammeln und in einem gesonderten Artikel zu veröffentlichen. Falls du etwas teilen möchtest, dann schicke mir eine Nachricht auf Instagram: sarahxpiaxliebe.
Falls du noch mehr Infos zu der diesjährigen Vienna Pride brauchst, dann lies dir diesen Artikel hier durch.
Vienna Pride Parade: ein Fazit
Ein kurzes Fazit zum Schluss: Der Tag bleibt mein Lieblingstag! Wir verlangen mehr, wir verlangen nach nachhaltiger Change und Sichtbarkeit. Es ist wunderbar, Teil dieser Community zu sein. Dafür bin ich dankbar. Jeden Tag, nicht nur an der Pride. Daran können alle Fotos und Glasscherben der Welt nichts ändern.
Titelbild © Mercedes Mehling via Unsplash (Zugriff 10.06.2024)
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