Es war einer dieser Sonntag- Nachmittage, an denen meine Gedanken eigentlich nur um die Frage kreisen sollten. Wo bekomme ich am unkompliziertesten und billigsten mein Katerfrühstück her. Meine sozialen Verpflichtungen und ein Theaterstück zerstörten aber die Idylle des kleingeistigen Daseins und veranlassten mich dazu, mich mit unangenehmeren Themen wie der Beschneidung meiner Männlichkeit auseinanderzusetzen.
Dschungel Wien im Museumsquartier ist eigentlich dafür bekannt, Programm für Kinder und Jugendliche zu gestalten. Der Verein TATHEN:MUT hat sich mit seinem Stück FEMINIS:MUT mit einem generationsübergreifenden Thema befasst. Darin zeigt er mit fünf Schauspielerinnen im Teenager- Alter, welchen Konflikten Frauen in ihrem teils noch jungen Leben ausgesetzt sind. Davor war ich noch sehr skeptisch gewesen, weil das Thema Feminismus manchmal sehr undifferenziert behandelt wird.

Die Frau unter Druck gesetzt von den vielen Anforderungen, Credits: Katharina Zoubek
Tiefe Einblicke in das Frauenleben
Nun gut – ich versuchte dennoch ganz vorbehaltlos der Inszenierung zu folgen. Bei minimalistischer, aber sehr ausgeklügelter Bühnenkulisse sitzen fünf junge Frauen vor jeweils einem Spiegel. Eine von ihnen führt einen Monolog darüber, welche Erwartungen an sie gestellt werden. Zusehends fasst mich das Schauspiel an der Hand und führt mich durch eine Vielzahl von Problemen, denen Frauen Tag für Tag gegenüberstehen. Probleme, die ich als Mann häufig übersehe.
Jede der Schauspielerinnen bringt neue Aspekte des täglichen Frauendaseins ein. Schönheitsideale, wie lange Haare und ein schlanker Körper. Das Frauenbild in sozialen Medien. Veraltete Geschlechterrollen. Vereinigung von Karriere und Kind oder die biologische Verpflichtung Mutter zu sein. Respektloses Verhalten oder Bevormundung durch Männer, aber auch die Stutenbissigkeit unter den Frauen. Obwohl die Protagonistinnen noch jung sind, schaffen sie es, die emotionale Achterbahnfahrt glaubwürdig zu verkörpern.

Die gebährende Frau, Credits: Katharina Zoubek
Mit Fortlaufen des Stückes radikalisieren sich die Schauspielerinnen zusehends. Sie gründen eine Frauenbewegung, die sich zum Ziel setzt, die Welt mit fragwürdigen Mitteln wachzurütteln. Auf brutale Weise schaffen sie es, durch Entführung eines Fernsehmoderators ins TV zu kommen, wo sich die Lage zuspitzt. Ihre Rädelsführerin verteufelt das männliche Geschlecht zur Gänze und stellt Männer unter Generalverdacht – und das ist der Punkt, den viele am Feminismus kritisieren und der neben den überspitzten und falschen Darstellungen der Bewegung ein Grund dafür ist, dass Feminismus einen schlechten Ruf genießt und Frauen dieser Bewegung schnell als Emanzen abgestempelt werden.

Die Frauenbewegung beim Demonstrieren, Credits: Katharina Zoubek
Von ihren Leidensgenossinnen wird sie dann auf den Boden der Tatsachen gebracht. Durch diese differenzierte Betrachtung überrascht mich das Stück und belehrt mich entgegen meiner Erwartungen eines Besseren. Denn das Stück schneidet nicht nur die Bestrebungen der Frauen, sondern auch indirekt die Probleme der Männer mit dem Feminismus an, ohne sie dezidiert zu nennen.
Mit viel Humor, brutaler Ehrlichkeit und charmanten Darbietungen schaffte das Schauspiel, mich bis zum Ende mitzureißen und brachte mich dazu, meinen katergeplagten Kopf doch nochmal anzustrengen und mir Gedanken zu machen.
Männer und der Feminismus
In der Realität funktioniert es leider nicht immer so wie im Stück. Ich persönlich hatte auch schon die Erfahrung gemacht, dass die Forderungen an uns Männer teilweise sehr hoch und nicht zu erfüllen sind. Die wohlbekannte eierlegende Wollmilchsau – als Mann muss ich genug verdienen, um eine Familie zu ernähren und meiner Frau auch ein wenig Luxus zu bieten, nebenher sollte aber noch mehr als genug Zeit bleiben, meiner Frau ein guter Mann und ein bester Freund zu sein, wie auch meinen Kindern ein guter und liebevoller Vater.
Ich muss Emotionen zeigen können, soll aber Stärke und auch Härte an den Tag legen, ein Handwerker und auch Hausmann sein, bestimmend und zugleich nachgiebig. Wenn du weniger als eine Frau verdienst, bist du eine Lusche. Sprüche wie „Frauen und Kinder zuerst“ oder „Ein echter Indianer kennt keinen Schmerz“ prägen und die Tatsache, dass wir Männer bis zu einem gewissen Grad von der Gesellschaft zu Soldaten erzogen werden, lassen ein Männerbild entstehen, das von Stärke und Dominanz geprägt ist. Doch an der Misere von uns Männern ist nicht der Feminismus schuld.
Außerdem kommt es zu einem weiteren Konflikt. Die Schubladisierung von Männern, die sich für Gleichberechtigung einsetzen. Nicht selten werden Männer dann als „simp“, „nice guy“ oder vor allem als „white knight“ abgestempelt.

Credits: Katharina Zoubek
Wie Man(n) seine Frau steht
Feminismus, Emanzipation, Gleichberechtigung – das sind Begriffe, die viele Männer, im Speziellen selbstwertlose Patriarchaten, noch immer in Angst und Schrecken versetzen. Dadurch entsteht bei ihnen häufig das (unberechtigte) Gefühl von Benachteiligung. Mir einzugestehen, dass uns Frauen dank des Feminismus und ihren Emanzipationsbestrebungen in manchen Bereichen viel voraus sind, fällt mir natürlich wegen meines männlichen Stolzes nicht allzu leicht – aber auch das wird noch.
Denn Frauen schaffen es, vermeintlich männliche Domänen zu besetzen. Sei es im Beruf oder beispielsweise beim Bedienen einer Bohrmaschine. Umgekehrt sieht es da manchmal recht düster aus. Ich kenne genug Männer, die weder kochen noch Wäsche waschen können. Dunkel erinnere ich mich noch an einen Vortrag von Vera F. Birkenbihl, in dem sie von der Emanzipation des Mannes sprach, die nur sehr schleppend vorangeht. Damit meinte sie nicht, dass Männer wieder an die Macht gehören und Frauen zurück an den Herd, sondern dass die althergebrachten Rollenbilder durchbrochen werden sollten.
Als Beispiel: Männer sollen auch weinen können und dürfen, ohne gleich als Weichei bezeichnet zu gelten, statt ihre Traurigkeit in Form von Aggression auszuleben. Vielleicht nehmen sich ja die Regisseurinnen und Theaterpädagoginnen Michaela Illetschko und Christine Nocker, besser bekannt als TATHEN:MUT, auch einmal dieses Themas an.

Credits: Katharina Zoubek
Also, ich fühle mich in meiner Männlichkeit jedenfalls nicht beschnitten – man kann auch Playboy und Feminist zugleich sein. Aber es stellt sich eben auch weiterhin die Frage: Wann ist ein Mann überhaupt ein Mann? Das kann wohl niemand kollektiv beantworten. Doch trotz unserer biologischen Voraussetzungen sollten wir lernen, die alten Rollenbilder langsam aufzugeben und uns – damit meine ich Frauen und Männer gleichermaßen – zu emanzipieren.
Die vielen kulturellen Einflüsse und Entwicklungen machen es natürlich schwer, das absolute Bild des Mannes zu definieren. Aber wir dürfen ein Schritt nach dem anderen machen. Heißt nicht, dass Mann die Türe nicht mehr aufhalten darf!
Titelbild Credits: Katharina Zoubek
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