Wenn Musik auf tiefen, inneren Schmerz trifft – Faces x Mirac – Grow EP
Independent Musik aus Österreich bekommt viel zu wenig Aufmerksamkeit, weshalb wir ihr wieder einmal etwas Zeit widmen. Eine EP, zwei Musiker und ein paar Fragen offenbaren, dass hinter diesen Songs sehr viel Emotion und eine schwere persönliche Geschichte stecken. Wir haben für euch reingehört, nachgefragt und hier dürft ihr jetzt lesen, was die EP von FACES x MIRAC so besonders macht.
„Ich wurde 2013 zwangseingewiesen und mir wurde die Diagnose bipolare affektive Störung auf die eingerauchte Birne geklatscht.“ – erzählt mir die Sängerin FACES ganz unverblümt. Das psychische Leiden, das durch viele Hochs und Tiefs geprägt ist und in schweren Fällen sogar zu Psychosen führt, zwingt die Betroffenen durch eine wahnsinnige Leidensgeschichte. Häufig ziehen diese Medikamente heran, um die Symptome zu lindern. Manche finden aber ihre Therapie in der Kreativität – so auch FACES. „Laut der ÄrztInnen dort müsste ich bis an mein Lebensende Lithium nehmen, um meine Stimmungen zu nivellieren. Dass das für mich keine Option ist, war von Anfang an in jeder Faser meines Wesens spürbar.“
Wer oder was sind FACES x MIRAC
Das ist ein Zusammenschluss zweier Musiker – dem Rapper und Produzenten MIRAC und der Sängerin und gelebten Gefühlsachterbahn FACES – unter dem Indie Label Duzz Down San, das vorwiegend Hip Hop und artverwandte Elektronik vertritt und vertreibt. „2016 war ich bei Rapper lesen Rapper zuschauen so wie Selbstlaut (Anm. d. Red.: ein österreichischer Rapper und Producer), der mir dort den Mirac als seinen Producer vorgestellt hat.“, erzählt mir die Sängerin.
Etwas später im selben Jahr „fragt Selbstlaut telefonisch, ob ich eine Ballade singen mag, die Mirac und er grad geschrieben haben.“ So entstand der Song „Lighthouse“, der Teil von Faces erster EP „Ahead“ wurde.
Mirac als Einzelkünstler
Mirac gab es bereits vor der Entstehung dieses Duos. Mit deutschsprachigem Rap und Humor verbrachte der zudem als Produzent tätige Rapper seine vorangegangenen Jahre in der österreichischen Musiklandschaft. Durch den Song „Alaba“ hatte er vor 6 Jahren einen viralen Hit gelandet.
Er absolvierte die Red Bull Music Academy in Montreal und wurde im Jahr 2017 mit dem Österreichischen Filmpreis für beste Tongestaltung ausgezeichnet. Im Jahr 2019 konnte er sich den gleichen Preis nochmal abholen!
Faces als Einzelkünstlerin
Bereits in jungen Jahren fühlte Faces ihre erste Verbindung zur Musik. „Eine Zeile weiß ich noch: ‚Nein oh nein oh nein. Wie kann man ohne Liebe glücklich sein? Das frag ich mich manchmal ganz still und allein.‘ Wir waren sechs (Jahre alt – Anm. d. Red.)!“
Die Musik und Faces hatten sich dann aber für eine längere Zeit aus den Augen verloren, bis sie sich dann beim Wiederholen der 7. Klasse für Vokalunterricht entschieden hatte.
Viele kleine Schritte und über verschiedenste Stationen führte sie die Musik dann in die Hände von Mirac, mit dem sie neben ihrer ersten EP auch ein erfolgreiches Single Release über die Duzz Down San Compilation „X“ feiern durfte. Der Song „Jump’N’Run“ (Video darüber) ist ihr meistgespielter Track und ist auch heute noch auf FM4 zu hören.
Die EP Grow
Fünf Songs tragen durch die Lebens- und Leidensgeschichte von Faces, begleitet von stimmigen Beats und einer astreinen Produktion des zweiten im Bunde, Mirac. Bis auf einen Track schwingt in allen Songs die Zeit in der Psychiatrie mit.
„Viermal bin ich in nur einem Frühling (Anm. d. Red.: im Jahr 2013) auf der Baumgartner Höhe gelandet, bis mich niemand mehr als Selbst- oder Fremdgefahr wahrgenommen hat. Nicht mal ich selbst. ‚I eat and I eat in order to keep the steam of the screams inside‘ sing ich zb in ‚Deep Down‘. Wenn du rumgeheult hast, wurdest du sediert. So lief das.“
Für mich ist dieser Song ein brillianter Beweis, dass auch popig angehauchte Musik richtig unter die Haut gehen kann – ich feier diesen Song wahnsinnig!
„‚King Of Clean Cuts‘ ist der härteste Track der EP. Ich kann mich noch an den Blick meines damaligen Partners erinnern, als er dachte, ich hätte sein Essen vergiftet. Das war so arg. Das is also ein in Pop verpackter wahrer Horrorfilm.“, erzählt mir Faces. Viele kleine Puzzleteile ihres Lebens finden in dieser EP Ausdruck. Was mich persönlich wirklich erstaunt: Jeder Song hat eine ganz eigene Dynamik und ist divers zu den anderen. Und doch teilen sie alle ein Schicksal – das Leben von Faces.
Im Infosheet der EP war ein Satz zu lesen, der mich persönlich noch sehr neugierig gemacht und den Sherlock in mir hervorgeholt hatte. Daraufhin hat mir Faces gleich unerwarteter Weise ein paar offene Fragen beantwortet, die ich noch stellen wollte.
Fabian: „Was bedeutet für dich „vom verwundeten Wir zum gesunden Ich“? – Metapher für Beziehung oder innerer Zwiespalt?“
Faces: „(Anm. d. Red.: in Bezug auf das verwundete Wir) Ich war komplett eingenommen von diesem Partnerschaftsgedanken, hab mich Anfang Zwanzig brutalst runtergehungert, Haare glätten & Bräunungscreme inklusive, nur um Männern zu gefallen. Ich hab alles versucht, um verliebt zu sein. Das war der Inbegriff des Glücks für mich. (…) Die wenigen echten Beziehungen hab ich ohne Kiffen oder Alkohol dann gar nicht ausgehalten, weil es eine 24/7 Reizüberflutung war. (…) Also hab ich irgendwann so viel verdrängt und mich benebelt, bis ich eine Psychose geschoben hab,(…)“ – was auch nach Faces Reflexion mehr Menschen als nur ihr selbst geschadet hatte.
Fabian: „Und das gesundende Ich?“
Faces: „In ‚Let Me Grow‘ sing ich ‚let me be ashamed of my behavior‘. Ich musste viel aufrollen und auch viel nacherzählt bekommen, weil ich in der Manie/Psychose ziemlich viel vergessen hab. (…) Dann erkenn ich ein Muster in diesem Chaos und kann wieder ein paar Teile zu einem Bild zusammenfügen, das mir ein Wegweiser für mein Handeln sein kann.“
Und dass ihr aktuelles Handeln süße Früchte trägt, ist schnell hören, wenn man sich die EP Grow zu Gemüte führt. Von unserer Seite gibt es eine ganz klare Empfehlung. Von den Beats, über die Stimme, bis hin zum Ablauf der fünf Songs – hier entsteht in einem Feld zerrissener Gefühle eine wunderbare Harmonie. Reinhören schadet nicht und heutzutage kostet es auch nichts. Auf Spotify oder auf Youtube könnt ihr die EP Grow von FACES x MIRAC hören. Hier findet ihr zudem alle Kanäle.
Titelbild Credits: FACES x MIRAC / Artwork by Anita Brunnauer
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