Wir kennen es: das Beziehungsaus. Von den schlechten, mit Trennungsschmerz, bis hin zu den erwachsen-geregelten Break-ups, sie sind meist alle ein heikles und unangenehmes Thema. Vor einem Beziehungsbruch ist allerdings niemand gefeit — im Gegenteil. Immer öfter trennen sich Pärchen oder lassen sich scheiden. Doch warum? Und kann das verhindert werden? Gibt es das typisch, romantische Happy End, bis in alle Ewigkeit, überhaupt noch?
Die Soziologin Eva Illouz geht genau diesen Fragen auf den Grund. In ihren Forschungen beschäftigt sie sich schon seit über 20 Jahren damit. Die preisgekrönte Autorin, Wissenschaftlerin, (Gast-) Professorin und Präsidentin einer Kunsthochschule zeigt auf, wie der Kapitalismus unsere Gesellschaft geprägt und verändert hat — sogar in Sachen Liebe.
Warum endet die Liebe immer öfter?
Eva Illouz nimmt uns in ihren Büchern nicht die Hoffnung auf ein Liebes-Happy End. Eher ist es eine Erklärung, warum es der Gesellschaft, mit dem derzeit geführten Lifestyle, so schwerfällt eine langjährige Partnerschaft zu halten.
Mitschuld an den häufigen Trennungen sei unsere Sexualität. Grundlegende Dinge haben sich in den letzten Jahrzehnten verändert, die Sexualität wird mehr und intensiver erkundet. Sexualität ist legitimer. Wir können mehrere Partner*innen haben (manchmal auch gleichzeitig) und gehen deswegen auch mehrere, verschiedene Beziehungen ein.
Ein weiterer Grund, den Illouz nennt, ist der Fortschritt. Der Fortschritt der Emanzipation zum Beispiel, Frauen sind (zum Glück) nicht mehr abhängig von Männern. Es gibt nun die Möglichkeit, für beide Geschlechter, ihre*n Partner*in selbst zu wählen.
Dadurch hat, laut der Soziologin, jedoch auch die Möglichkeit zugenommen, Partner*innen wieder abzuwählen, — die Beziehung also zu beenden. Doch trotz dieses Meilensteins seien wir durch den Fortschritt nicht automatisch glücklicher und die ganze Sache sei auch nicht unkomplizierter geworden. Wir bekämen dadurch nur mehr Optionen und würden wählerischer und unzufriedener werden.
Die Machtverhältnisse
Aus diesen beiden Gründen kann man vor allem schließen, dass zwar Beziehungen immer häufiger enden, nicht aber die Liebe. Die Liebe wechselt nur zu einer anderen Beziehung.
Die Geschichte, Beziehungen und Liebe, wird auch komplizierter für uns, wegen den immer noch vorhandenen, vorgegebenen Machtverhältnissen. Durch den Fortschritt der Emanzipation haben sich die Machtverhältnisse zwar verändert, bestehen aber noch.
Frauen müssen doppelt so viel Arbeit leisten und seien daher auch leichter unzufrieden. Außerdem werden beide Geschlechter unterschiedlich sozialisiert. Frauen lernen meistens schon im Kindesalter zu kommunizieren, Gefühle zu zeigen und empathisch zu sein. Männer hingegen lernen, wie sie in einer kapitalistischen Welt mit Rationalität vorankommen und möglichst Profit-steigernd arbeiten. Daher überrascht es nicht, wenn es Männern schwieriger fällt, die Gefühlswelt einer Frau zu verstehen und umgekehrt.
Der Kapitalismus und die Liebe
Es stellt sich die Frage, was der Kapitalismus mit dem Verschwinden von Langzeitbeziehungen zu tun hat. Eins vorweg, hat man sich mit Eva Illouz Ansichten und Erkenntnisse befasst, dann ist klar: alles. Es hat alles mit dem Kapitalismus zu tun.
Die Geschichte beginnt in den 1960ern, in den Jahren sexueller Freiheit. Diese Freiheit brachte uns nicht nur die Flowerpower-Bewegung und die Beatles, sondern auch einen ganz neuen Bezug zu unserem Körper. Der Körper wurde jedoch nicht nur freier, sondern vor allem auch zur Ware. Sexualität wurde zu Ware.
Spätestens in den 1970er und 1980er Jahren wird der (meistens weibliche) Körper sexualisiert und von der Film- und Medienindustrie objektiviert und ausgebeutet. Denn, obwohl Feministinnen sich in dieser Zeit schon für Frauenrechte einsetzten, nahmen Männer weiterhin die hohen Posten ein und machten eine Ausbeutung des weiblichen Körpers möglich.
Das bedeutet, von dieser Zeit an wurde Sex, Sexualität und Romantik als Ware angeboten und auch als solche konsumiert. Die Sexualität und damit auch Beziehungen und Romantik werden seither von der Industrie vereinnahmt. Das Intimleben wurde kommerzialisiert, Dating-Apps als digitale Kommunikation genutzt, welche Beziehungen flüchtig machen. Der Drang zur Selbstmaximierung, der durch den Kapitalismus entstanden ist, führt zu schnellerem Beenden einer Beziehung oder Partnerschaft.
Nun möchte man meinen, dass unsere Gefühle nichts mit der Wirtschaft gemein haben, doch auch das ist ein Irrtum. Männer sowie Frauen suchten und suchen sich, laut der Soziologin, immer noch ihre Partner nach finanziellen Kriterien, Status und Bildung aus. Daher spiele die Wirtschaft auch weiterhin eine bedeutende Rolle in unserer Auswahl von Beziehungspartner*innen.
Das Paradoxon in Sachen Beziehungen
Nun gibt es viele Punkte in den kapitalistischen Zeiten, in denen wir leben, die aber wieder für eine Beziehung sprechen. Laut Eva Illouz hat das ökologische, emotionale, psychologische und wirtschaftliche Gründe. Nicht viele könnten sich heute noch alleine ein Eigenheim kaufen, das doppelte Einkommen sei daher extrem attraktiv. Uns wird von der Industrie eingeredet, dass das Leben nur mit Partner*in vollkommen erfüllt ist. Dies erfahren wir durch den Valentinstag, Dating-Apps und von den Erwartungen Kinder in die Welt zu setzen.
Genau diese Widersprüche, machen es uns so schwer, eine Partnerschaft langjährig und gesund zu führen. Die Spannungen führen zu Konflikten und zu dem damit verbundenen Konsum. Laut Illouz, würde einerseits nach Selbstbestimmung, andererseits nach Zugehörigkeit gesucht werden.
Einerseits seien wir Arbeitstiere, die zwölf Stunden lang auf ihren Körper vergessen würden, um rational und diszipliniert denken zu können und um Karriere zu machen. Andererseits sollen wir dann wieder durch den Kapitalismus konsumieren, unser Bedürfnis nach Ruhe und Geborgenheit stillen und uns mit unseren Emotionen beschäftigen. Die Soziologin nennt es in ihrem Interview mit Frau Bleisch, bei dem Format Sternenstunden, ein „hin und her gerissen sein, zwischen Kontrolle und sich gehen lassen“. Genau dieser Punkt sei die Schwierigkeit der modernen Beziehung.
Werden Langzeitbeziehungen also wirklich zur Rarität?
Eva Illouz betont immer wieder, dass sie damit nicht meine, es wäre unmöglich, so eine Beziehung zu finden — nur schwieriger.
Nun kann ich mich persönlich nicht mit allem anfreunden, was Eva Illouz sagt. Doch der Glücklich-bis-ans-Lebensende-Partner ist in Zeiten der Reizüberflutung bestimmt schwerer zu finden. Unsere Smartphones, Socialmedia-Apps und die gefühlt nicht aufhörenden Krisen sind Faktoren, die eine Beziehung überstrapazieren können. Auch stimme ich zu, dass die unterschiedliche Erziehung zwischen den zwei Geschlechtern, zu Misskommunikation führt.
Jedoch fällt es mir schwer, bei dem Punkt zuzustimmen, dass wir ohne dem Fortschritt der Emanzipation glücklicher waren. Ich wage zu behaupten, Männer waren in dieser Zeit vielleicht sorgloser und glücklicher in Beziehungen. Dass eine unterdrückte Frau in diesen Zeiten mehr Wohlbefinden und Freude verspürt haben soll, ist unfassbar, unvorstellbar für mich. Die Emanzipation mag das Thema Beziehungen komplizierter gemacht haben — jedoch aus dem einfachen Grund, weil jetzt zwei Leute das Sagen in einer Beziehung haben und nicht nur eine Person den Ton angibt, während die andere unterdrückt wird.
Fazit
Nun müssen sich die Partner*innen in den Beziehungen miteinander beschäftigen, miteinander reden und können sich authentisch lieben. Eine Ehe muss nicht mehr erzwungen werden, um in der Gesellschaft zu überleben. Frauen können finanziell für sich selbst sorgen und haben daher die Wahl, einen Mann zu verlassen oder nicht. Dass es genau deswegen komplizierter und schwieriger wird, eine Beziehung aufrecht zu halten, erscheint für mich completely logical.
Eine gute Gegenstrategie wäre eine komplette Gleichstellung der Geschlechter, neue Erziehungsformen und ein Umdenken der Industrie bezüglich der Sexualisierung des weiblichen Körpers.
Ich finde es zu einfach, die Schuld am Fortschritt zu suchen. Ich gebe die Schuld, dem Nicht-Fortschritt. Auf den Fortschritt der Emanzipation, hätte der Fortschritt der Gleichstellung folgen sollen, der allerdings immer noch auf sich warten lässt. Träfen dieser Fortschritt und andere neue Denkansätze endlich ein, wäre es mit der ewigen Liebe vielleicht auch nicht mehr so kompliziert.
Titelbild © Shutterstock
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