Cannabis als Schutz vor Corona – also kiffen für die Gesundheit? Was jetzt ein US-Forschungsteam der „Oregon State University“ in einer Studie festgestellt hat, dürfte wohl Wasser auf die Mühlen der Legalisierungskämper:innen weltweit kippen. Säureanteile der Marihuanapflanze könnten nämlich der Wissenschaft in Zukunft im Kampf gegen das Coronavirus ein weiteres Instrument in die Hand legen. Sensationsmeldungen rund um Cannabis gibt es immer wieder. Einerseits lässt sich das auf den international wachsenden Markt, andererseits auf die zahlreichen Anwendungsbereiche des grünen Krautes zurückführen.
Bereits zu Beginn der Pandemie gab es immer wieder Schlagzeilen rund um die angeblichen Vorteile von CBD in der Coronabehandlung. Manches, was zu sehr nach einer Sensation klang, blieb auch nur bei der Meldung. Und Folgestudien konnten es nicht eindeutig bestätigen. Auch wenn die Hanfpflanze und ihre vielversprechenden, zahlreichen Einsatzmöglichkeiten oftmals Hoffnung geben, das Allheilmittel oder gar Wundermittel, welche Fans des Cannabis stets propagieren, ist sie nicht immer.
Vor der Veröffentlichung der aktuellen US-amerikanischen Studie rund um den Einsatz cannabinoider Säuren gab es im Internet schon zahlreiche Berichte über CBD in der Coronabehandlung. Die Evidenz des Wirkungsmechanismus oder breite Studien wurden aber dabei selten präsentiert. Der Tenor kam aus teils esoterischen Ecken. Schnell wurde klar, hier polarisiert eine Interessensgruppe. Was auch keine Überraschung bei einem ständig wachsenden Markt und einer tatsächlichen breiten Wirkungsevidenz der Cannabispflanze ist.
Cannabis: Von Beginn an als möglicher Schutzfaktor verdächtigt
Bereits im Jahr 2020 wurde über eine Entdeckung eines kanadischen Forschungsteams berichtet. Teile der Marihuanapflanze hätten möglicherweise das Potenzial, vor dem damals neuartigen Coronavirus zu schützen. Die Daten der Forschungsarbeit stützten sich dabei auf die Behandlungsmöglichkeiten der Pflanze gegen Krebs bis hin zu Morbus Crohn.
In dieser Studie kam man zu dem Schluss, dass gewisse Anteile der Pflanze das Eindringen des Virus in die Schleimhäute eventuell reduzieren könnten. Jedoch war die Publikation zu dem damaligen Zeitpunkt, als darüber voreilig berichtet wurde, noch nicht von anderen Forscherkolleg:innen gegengeprüft worden.
Düstere Anfangszeit voller Unsicherheiten
Zu dem Zeitpunkt, als man fieberhaft auf der Suche nach einer Impfung und Medikamenten gegen das Virus war, überschlugen sich teilweise die Meldungen über halb gare Informationen aus der Forschung. Vieles klang für uns Laien erstmal vielversprechend oder haarsträubend, konnte in weiterer Folge aber nicht immer der Evidenz standhalten. Manches wurde auch nicht als Therapieansatz weiter seriös verfolgt.
Ein gut dokumentiertes Beispiel dafür war ebenso ein Bericht, welcher nahelegte, dass Nikotin gegen das Eindringen des Coronavirus helfen könnte. Die verblüffende Publikation eines französischen Forschungsteams rund um das Rauchen verlief nach sensationeller Berichterstattung aber weiter im Sand.
Denn das faktische Risiko, einen schweren Verlauf durch das Rauchen zu bekommen, welches nachweislich zu einer höheren Hospitalisierungsrate führt, rechnete sich nicht mit dem möglichen positiven Effekt. Vereinfacht gesagt, das Rauchen bringt dich eher um, als dass es dich länger am Leben lässt. Die Berichterstattung damals brachte manchen Medien ein paar Klicks, konnte aber auch so interpretiert werden, dass zahlreiche Raucher:innen in ihrem Habitus etwas Gesundheitsförderndes sahen.
Cannabissäuren als Wundermittel gegen Spike Proteine?
Angetrieben durch die internationale Legalisierungswelle erleben die weiblichen Blüten der Cannabispflanze schon seit Jahren eine medizinische Renaissance. Tatsächlich enthält die Pflanze ein großes Potenzial zur medizinischen Anwendung. Ihre heilende Wirkung wird aber ebenso gerne als ideologisches Argument von Kiffern und Befürwortern eingesetzt.
Ein US-Forscherteam der „Oregon State University“ konnte aber nun nachweisen, dass Cannabinoide den Eintritt des Virus in die Zelle blockieren und somit grundsätzlich vor einer Infektion schützen können. Konkret geht es dabei um zwei Säuren, die in der Cannabispflanze vorkommen. CBGA (Cannabigerolsäure) und CPDA (Cannabidiolsäure). Im Gegensatz zum Tetrahydrocannabinol (THC) sind diese beiden Säuren nicht psychoaktiv, weit verbreitet und für den Menschen sicher und gut verträglich. Die Theorie dahinter ist, dass die Cannabinoide die Spikeproteine des Virus blockieren können, durch die es für gewöhnlich an die körpereigenen ACE2- Enzyme andockt. Eine Blockade des Zugangs wäre damit gewährleistet. Die Wissenschaft hätte somit neue Hemmstoffe für den Zelleintritt gefunden.
Die Säuren des Hanfs könnten, wenn sich die Forschungsergebnisse in weiteren Studien bestätigen, als Ergänzung für die Impfung gesehen werden. Gemeinsam mit den Antikörpern der Impfung könnte so für das Virus ein umgebungsfeindlicheres Umfeld geschaffen werden. Ein weiteres Cannabis-Sicherheitsnetz als Schutz vor dem Virus. Ebenso kann die beschriebene Methode die Dauer der Infektion einschränken, indem es die weiteren Vermehrung der Viren blockiert.
Trotzdem schlechte Nachrichten für Kiffer:innen
Doch bevor ihr jetzt eure Papers rauskramt und eilig eure:n Dealer:in des Vertrauens anruft, solltet ihr weiterlesen. Denn einen Haken hat das Ganze nämlich für Kiffer:innen. Cannabissäuren können nicht durch den klassischen Konsum aufgespalten werden. Das heißt das Zeug einfach rauchen bringt keinen Schutz, und wie oben erwähnt erhöht das Rauchen das Risiko eines schweren Coronaverlaufs. Ein weiteres kleines Manko für Cannabis-Konsument:innen haben die Forschungsergebnisse ebenso im Hinblick auf die neuen Coronamutationen.
Denn die Wirksamkeit konnten die Forscher:innen bis jetzt nur bei der Alpha- und Beta-Variante verifizieren. Sie gehen zwar davon aus, dass die Säuren ebenso bei neueren Coronamutantionen wirksam sind, jedoch sind noch Folgestudien notwendig. Ob es also im Endeffekt das sensationelle Allheilmittel sein kann, ist derzeit noch nicht klar. Sich einfach einrauchen und high dem Virus trotzen, wird leider grundsätzlich nichts. Das wäre ja wohl auch ein bisschen zu einfach gegangen.
Es zeigt sich mal wieder, dass hinter vermeintlichen Sensationsmeldungen also auch immer zwei Seiten einer Medaille stecken. Wir werden wohl einfach auf weitere Testergebnisse sowie eine intensivere Erforschung der Cannabinoide warten müssen. Auch wenn uns das grüne Kraut als älteste Nutzpflanze schon verdammt lange begleitet, polarisiert das Thema bis heute. Ohne weitere Legalisierungen und dem damit verbundenen international Ausbau der Forschung übt das grüne Gras als Rausch-, Genuss- oder Heilmittel wohl noch lange auf uns eine mysteriöse und anziehende Wirkung zugleich aus.
Titelbild © Shutterstock
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