Immer mehr Mediziner*innen und vor allem Medizinstudent*innen nutzen Online-Plattformen wie YouTube, Instagram und TikTok, um Informationen und Tipps zur Gesundheitsvorsorge zu verbreiten. Doch ist es wirklich immer ein authentisches Interesse an der Gesundheit, dass diese sogenannten „Medfluencer“ antreibt? Denn auffallend häufig wird für verschreibungsfreie Medikamente oder Kosmetika geworben. Wir haben uns das Phänomen etwas genauer angesehen.
Medfluencer: Influencer mit medizinischem Hintergrund
In an Nutshell: Die Medfluencer sind Influencer mit einem medizinischen Hintergrund. Zum Beispiel sind diese oft Ärztinnen, Ärzte, Pflegekräfte oder Medizinstudierende. Sie nutzen ihre jeweiligen Plattformen, um gesundheitliche Informationen und medizinische Ratschläge zu erteilen. Dabei geht es oft um allseits beliebte Themen wie Gesundheit, Ernährung, Fitness und Lifestyle.
Wie in der Welt der Influencer üblich haben sich viele dieser medizinischen Influencer auf bestimmte Bereiche spezialisiert, wie zum Beispiel auf die Behandlung von Hautproblemen oder auf die Prävention von Krankheiten. Andere wiederum teilen ihre persönlichen Erfahrungen mit Krankheiten oder Verletzungen und geben Tipps, wie Betroffene damit umgehen können.
Medfluencer extrem beliebt
Auch wenn im Vergleich zu den immer trendenden Lifestyle-Influencern eher im Hintergrund einzuordnen, haben auch Medfluencer eine große Anzahl von Followern, die ihnen vertrauen und ihre Empfehlungen befolgen. Diese können daher einen großen Einfluss auf das Gesundheitsverhalten haben.
Es ist eben dieser potenziell hohe Einfluss der Medfluencer auf das gesundheitliche Verhalten der Follower, der auch Anlass zur Kritik bietet. Vor allem Experten warnen davor, dass medizinische Influencer falsche Informationen verbreiten oder unangemessene Ratschläge geben könnten. Ein weiteres Problem: Neben Ärztinnen, Ärzten und Menschen mit fundiertem Wissen gibt es immer wieder auch unseriöse Influencer, die unter falscher Flagge ihre Tipps verbreiten, ohne wirklich ausgebildete Mediziner*innen zu sein. Diesbezüglich gibt es folgende Problemstellen.
Die Tücken der Medfluencer
- Glaubwürdigkeit und Eigeninteressen: Einige Medfluencer könnten möglicherweise eigene Interessen verfolgen, wie die Förderung von verschreibungsfreien Medikamenten oder Kosmetika, um damit Geld zu verdienen. Dies stellt die Glaubwürdigkeit ihrer Ratschläge natürlich infrage und führt zu einer Verzerrung von Informationen.
- Mangelnde Überprüfung: Im Gegensatz zur traditionellen medizinischen Berichterstattung und Forschung gibt es in den sozialen Medien oft weniger Kontrolle und Überprüfung von Informationen. Es besteht daher die Gefahr, dass falsche oder ungenaue medizinische Ratschläge verbreitet werden, was potenziell gesundheitsschädlich sein kann.
- Regulatorische Fragen: Die Bewerbung von Medikamenten und Kosmetika unterliegt bestimmten rechtlichen Vorschriften und Werberichtlinien. Einige Medfluencer könnten sich nicht immer an diese Regeln halten, und es kann Schlupflöcher geben, die ausgenutzt werden.
Rechtlicher Graubereich
Vor allem, was den letzten Punkt betrifft, gibt es etliche Probleme. Eine rechtliche Unsicherheit besteht zudem auch darin, dass einige Medfluencer ungenaue Berufsbezeichnungen verwenden. Beispielsweise wird „Mediziner“ oft mit einem abgeschlossenen Studium in Verbindung gebracht, aber es verwenden auch Studierende diese Bezeichnung.
Bedeutet: Nicht jede Person, die sich „Doc“ nennt und mit einem weißen Kittel herumläuft, besitzt auch einen Doktortitel. Und manchmal werden auch ganz bewusst falsche Fachbezeichnungen verwendet. Wenn dann im Impressum sogar noch eine Agentur angegeben ist, sollten Nutzer*innen vorsichtig sein. Immer mehr Agenturen und Pharmakonzerne drängen nämlich in diesen Markt und streben nach kommerziellen Möglichkeiten.
Echt oder Fake: die feinen Unterschiede
Für Verbraucher*innen ist es oft schwierig, zwischen seriösen und unseriösen Medfluencern zu unterscheiden. Influencer, die Qualifikationen vortäuschen, setzen sich dabei rechtlichen Risiken aus und können mit Abmahnungen konfrontiert werden. Grundsätzlich dürfen Ärzte und Ärztinnen natürlich auch online Werbung machen. Aber nur, um ihr Image zu fördern und Vertrauen aufzubauen. Und das nur unter der Bedingung, dass dies sachlich und angemessen geschieht. Es ist für echte Mediziner*innen jedoch verboten, für Produkte, Arzneimittel oder Dritte Werbung zu betreiben. Die Nichteinhaltung dieser Vorschriften kann zu empfindlichen Strafen führen, darunter Bußgelder und der Entzug der Berufszulassung.
Hier nutzen die Pharmaunternehmen im Hintergrund vor allem die Medizinstudierenden unter den Medfluencern aus, denn diese sind rechtlich gesehen keine Ärztinnen oder Ärzte. Was bedeutet, dass sie „grundsätzlich werben dürfen, wie jede*r normale Bürger*in auch.“ Diese Medizinstudierenden unter den Influencern vermitteln einerseits genug Medizinkompetenz, um ernst genommen zu werden (heißt, Produkte absetzen zu können). Unterliegen andererseits aber nicht denselben Regeln wie ausgebildete Mediziner*innen. Ein rechtliches Schlupfloch, das die Firmen im Hintergrund schamlos ausnutzen, um sich zu bereichern. Und die Studierenden natürlich auch!
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Medfluencer: Möglichkeit und Gefahr
Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass medizinische Influencer eine faszinierende Entwicklung im Bereich der Gesundheitskommunikation darstellen könnten. Wie in Schweden schon länger üblich, wo die Leute über Videocalls mit Ärzten kommunizieren können und sich so auch Diagnosen holen, bietet eine technologisierte Kommunikation im Bereich der Medizin durchaus eine Möglichkeit, Behandlungswege zu verkürzen und auch den Gesundheitssektor effektiver zu gestalten.
Auch die Medfluencer können dazu beitragen, medizinische Informationen einem breiten Publikum zugänglich zu machen und zu einer Steigerung eines verbesserten Gesundheitsbewusstseins beizutragen. Doch die Versuchung ist natürlich groß, zum Handlanger der Pharmaindustrie zu werden. Daher sollten auch Influencer aus dem medizinischen Bereich ihre Verantwortung ernst nehmen und sicherstellen, dass ihre Empfehlungen auf fundiertem Wissen basieren.
Sie sollten verantwortungsbewusst handeln und ihre Informationen auf wissenschaftlichen Erkenntnissen gründen. Außerdem sollten sie darauf achten, dass ihre Empfehlungen nicht dazu führen, dass ihre Follower medizinische Behandlungen oder Beratungen vernachlässigen oder abbrechen. Schließlich ist es wichtig, rechtliche Grauzonen zu vermeiden und sich klar und transparent von Marketingaktivitäten abzugrenzen.
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Fazit
Es ist wichtig, dass die User und Verbraucher*innen anfangen kritisch zu hinterfragen, welche Motive hinter den einzelnen Medfluencern stehen und wie glaubwürdig die bereitgestellten Informationen überhaupt sind. Auch die medizinische Gemeinschaft und Gesundheitsbehörden sollten die Entwicklungen in den sozialen Medien im Auge behalten und sicherstellen, dass die Verbreitung von medizinischem Wissen im Einklang mit den besten medizinischen Praktiken und ethischen Standards steht.
Doch ist Geld einmal ein Mitspieler in einem System, so ist eine moralische Erosion nur noch schwer zu verhindern. Daher aufgepasst, nicht jeder Medfluencer hat euer gesundheitliches Wohl im Sinn. Vor allem dann nicht, wenn er oder sie unverhohlen Werbung für Produkte macht, sollten die Alarmanlagen schrillen.
Titelbild © Shutterstock
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