Musikalischer Aktivismus: 3G Afghanistan „Nichts gesehen, nichts gehört, nichts gesagt“

Namentlich an die 3G-Regel angelehnt, solidarisieren sich heimische Musiker:innen in dem Track „3G Afghanistan“ mit Kriegs- und Fluchtbetroffenen. Die 3G-Regel der österreichischen Bundesregierung wird hier umgedichtet und lautet im Hinblick auf unterlasse Hilfeleistung bei Flüchtlingen nun: „Nichts gesehen, nichts gehört, nichts gesagt“. Für die Nummer haben sich die Linzer KGW3 zusätzlich musikalische Verstärkung von den Politrappern vom Dienst, Def Ill & Kid Pex geholt.
Völlig konträr zur anti-humanistischen und unchristlichen Asyllinie, mit der Sebastian Kurz und seine ÖVP-Administration etliche Österreicher:innen verstören, fordert der Track hier einfühlsam Verständnis und Toleranz für die Betroffenen. Empathie und klare Aussagen treffen auf Rapskillz und melodiösen Gesang.
So vielseitig die Musiker auf dem Track, so unterschiedlich sind auch ihre Parts. Absolute Einigkeit gibt es hingegen bei der künstlerischen Botschaft, die der Song uns Hörer:innen transportiert. Ein demokratisches Veto in sozial kalten Zeiten, kreativ aufgearbeitet und musikalisch dargeboten sozusagen.
KGW3: Linzer Rapkombo als Initiatoren
Die Linzer Gruppe KGW3 bezeichnen auf ihrer Homepage ihre Musikrichtung als „Drum’N’Brass Rap“. Sie rappen also hauptsächlich auf Drum’n’Brass-lastigen Beats, klassisch gerappt. „Drum n Brass“ klingt erst mal wie „Drum n Bass“, ist aber ein bisschen was anderes. Es handelt sich dabei um elektronische Beats, die mit Blechblasinstrumenten wie Trompeten-Sounds zu vollwertigen Beats ergänzt werden.
Benjo, Maryjana, Iz, Dojo und ihre Clique bearbeiten für gewöhnlich in ihren Texten eine weltoffene Grundhaltung. Sie greifen dabei politische und gesellschaftskritische Themen auf und geben es mit einem positiven Drive wieder. Oftmals trifft feelgood Sound auf knallharte Kritik. Wie wenn sie im aktuellen Track „3G Afghanistan“ rappen: „Das geht an Kurz und an Nehammer, dank euch klebt rotes Blut am türkisem ÖVP-Banner“
Coverbild „3G Afghanistan“
Durch ihren energetischen und tanzbaren Sound erreichen sie viele junge Menschen. So hat man KGW3 schon öfters zum Beispiel bei Klimaprotesten spielen gesehen. Dass den Worten auch Taten folgen, haben sie in der Vergangenheit bereits öfters unter Beweis gestellt.
So haben sie Anfang des Jahres eine Spendenaktion für „Caritas Österreich“ organisiert. Gesammelt hatten sie für Menschen, die während der Corona Pandemie prekären Verhältnissen ausgesetzt waren.
Die Einnahmen des Tracks „3G Afghanistan“ sollen diesmal ebenso gespendet werden. Als Überbringer haben sie sich dafür den Verein „SOS Balkanroute“ ausgesucht. Dessen Obmann Petar Rosandić aka Kid Pex ist hier als Musiker und Featurepartner ebenso auf dem Track vertreten.
Kid Pex: „Taliban und ÖVP – Schwesterparteien…“
Kid Pex, über dessen letzten politischen Track wir gerade erst hier berichtet hatten, war im Zuge der Afghanistandemonstrationen und Proteste in Wien mit „SOS Balkanroute“ organisatorisch ganz vorne mit dabei.
Mehrere Protestzüge zogen durch Wien, um auf den Zustand der unterlassenen Hilfeleistung bei Leidbetroffenen aufmerksam zu machen. Dass Asylgesetze, um ihnen nicht nachkommen zu müssen, bis zum Brechen gebogen werden, zeigt wie weit das Gift der menschenfeindlichen Politik bereits unserer Gesellschaft vorgedrungen ist.
Nach zwanzig Jahren kolonialem Befreiungskrieg dem Chaos überlassene Menschen verweigert die Regierung den Schutzstatus, was dabei nur eine weitere Eskalationsstufe des Antihumanismus darstellt. Der diesmal so weit reicht, dass man in einem Atemzug die Taliban als Terrorregime bezeichnet, aber gleichzeitig bereit ist, mit ihnen über Abschiebungen zu verhandeln.
Den emotionalen Preis dafür zahlen wir schlussendlich alle. Denn unsolidarisches Verhalten mag sich vielleicht im ersten Moment leicht anfühlen, ist aber einer Bürde, die uns noch auf Dauer verfolgt. Es wird sich zeigen, wie es sich damit leben lässt, Kindern täglich zu erklären, dass sie gute Menschen sein sollen. Wir demgegenüber aber als gesamter Staat in einer absoluten Notsituation Menschen einfach im Stich lassen.
All das benennt Kid Pex in seinem Part in deutlichen Worten. Sein künstlerischer Widerstand drückt sich in der Nummer nicht nur darin aus, die Situation verständlich zu machen. Nein, die Verantworlichen sollen ebenso benannt werden.
3G Afghanistan: „Nichts gesehen, nichts gehört, nichts gesagt…“
Def Ill spannt den Bogen zwischen internationalen Geschehnissen und unserem Verhalten hier. Eindringlich und mit viel Druck steigert sich sein Part immer weiter. Die Leidenssituation der betroffenen wird hier übersetzt und künstlerisch in die Darbietung mit reingenommen.
Fängt Def Ill noch langsam an, die Verhältnisse zu beschreiben, steigert er sich im Verlauf des Parts in Rage. Das Gefühl, in einer ausweglosen Situation zu sein, in der einem die Zeit davon läuft, überträgt er hier perfekt. Mit Wortwitz und politischer Genauigkeit, alles in 16 Zeilen zu verpacken ist eine Kunstform, die der routinierte Linzer MC im Laufe der Jahre stets weiter verfeinert hat.
„3G Afghanistan“ ist im Endeffekt ein Track, der die derzeitige Situation sehr eindringlich abbildet. Man kann in dem Sinne nur hoffen, dass genug Spenden zusammenkommen, um den Betroffenen, die es hierher geschafft haben, helfen zu können.
Titelbild Credits: Coverbild „3G Afghanistan“ – Von den Künstler:innen freundlich zur Verfügung gestellt
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