„Prince Charming“ – ist das TV Dating Format für die Gay Community ein Schuss nach hinten?
Im April läuft das TVNOW-Dating-Format „Prince Charming“ erstmals im Free- TV auf Vox. Es handelt sich hier nicht einfach um eine weitere Datingshow, RTL bietet der noch immer stark unterrepräsentierten schwulen Community eine Plattform in den Mainstream-Medien. Aber es stellt sich dennoch die Frage: Haben RTL und die Teilnehmer die mediale Aufmerksamkeit und ihr Sprachrohr sinnvoll genützt, oder einfach nur Profit aus dem Thema geschlagen?
Ich habe mir alle neun Folgen Deutschlands erster schwuler Datingshow angesehen und sogar nach 3/4 der Staffel hatte ich Schwierigkeiten, einige der Kandidaten auseinanderzuhalten, weil gefühlt alle was mit Medien machen und sportbegeistert sind – beginnt ja gut. Die Teilnehmer werden nicht als mehrdimensionale Individuen gezeigt, sondern reduziert dargestellt, sodass es dem Zuschauer leicht fällt, sie in bestimmte Schubladen zu stecken.
Im Kopf geblieben ist mir die Aussage von Kandidat Kirill, der gemeint hat: „Ich bin kein typischer schwuler Mann.“ Mir stellt sich die Frage: Was ist ein typischer schwuler Mann? Friseur Andreas betonte mehrmals, dass er keinen zickigen Partner wolle. Solche Szenen reproduzieren Stereotype und machen es den Individuen der schwulen Community schwer, aus den Schubladen auszubrechen, in die sie tagtäglich gesteckt werden.
Interessant ist die Tatsache, dass der Prince Charming – Nicolas Puschmann – in der Sendung oftmals von seinen Vorstellungen von einem idealen Partner spricht und als er nach seinem Beuteschema gefragt wird, nennt er von allen Kandidaten Kirill, welcher recht maskulin wirkt und sich selbst als „nicht typisch schwul“ bezeichnet.
Wie sieht es mit dem Casting aus?
Wenn man jetzt einige Teilnehmer der Show betrachtet, muss man sich die Frage stellen: Hat der Sender falsch gecastet? Was waren wirklich die Kriterien nach denen gecastet wurde? Ich denke hier zum Beispiel an Kandidaten wie Martin, der sich beim Sport über seine Speckfalten beschwert und vor einem Besuch von Bachelor Nicolas an alle appelliert: „Macht euch hübsch, Schwestern!“ und Manuel, der sehr verbunden mit seiner femininen Seite ist und manchmal in die Rolle der Kunstfigur „Lafayette Diamond“ schlüpft.
In meinen Augen hatten alle Beteiligten die Möglichkeit, etwas Großartiges zu schaffen und sich für mehr Toleranz und Verständnis in unserer Gesellschaft einzusetzen. Doch diese Chance wurde vertan. Oftmals wurde den Kernaussagen viel zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt, weil diese von den überdramatisierten Szenen, der Übersexualisierung und anderen Faktoren wie Klischees in den Hintergrund gedrängt wurden.
Eine der Schlüsselszenen war auf jeden Fall die menschliche Prideflagge. Die Kandidaten haben mithilfe von Körperfarbe das Symbol der LGBTQIA+ Community dargestellt. Die Essenz der Aktion ging durch den falschen Fokus vollkommen unter und wurde durch die Nacktheit der Kandidaten und die Übersexualisierung der Körper verdrängt. Auf der einen Seite hat diese Szene eine politische Bedeutung, doch auf der anderen wirkt sie durch die Zurschaustellung und die Nacktheit sehr plump und verrucht – Ziel verfehlt!
In meinen Augen hat RTL gezielt nach bestimmten Stereotypen gecastet. TV Now begründet die Auswahl der Kandidaten folgendermaßen: „Alle 20 Kandidaten sind ein reales Abbild der schwulen Gesellschaft“ und verkauft die Sendung somit als ein Stück Gleichberechtigung.
Die Sendung ist auf jeden Fall unterhaltend und es hat Spaß gemacht sich die Folgen anzusehen, aber wie den meisten Dating-Shows fehlt es ihr an Tiefgang und Diversität. Besonders bei diesem Format wäre es wichtig gewesen von dem Schubladendenken und den Klischees wegzukommen und auf Authentizität und Diversität zu setzen.
DAS KÖNNTE SIE AUCH INTERESSIEREN
FPÖ Chat - Gang Bang Bus sorgt für Lacher in sozialen Medien
Wie das Nachrichtenmagazin Profil gestern berichtet hat, sind im Zuge der Untersuchungen eines Seitenstrangs des „Casino“-Verfahrens auch Chats und Mails […]
Der Imperator Putin und die Sowjetnostalgie
Ein kurzer Beitrag des ARTE-Formats Mit offenen Karten bietet dabei einen kleinen und spannenden Einblick in die geopolitischen Bewegungen Russlands und das von Sowjetnostalgie geprägte Denken Wladimir Putins.
Georges Batailles letzten »obszönen« Werke: Charlotte d’Ingerville und Sainte
Zum ersten Mal auf Deutsch: Georges Batailles letzte und erst posthum veröffentlichten Werke "Charlotte d’Ingerville" und "Sainte".
Cocktail-Effekt mal anders: Schadstoffe in Büroluft besorgniserregend hoch
Messergebnisse aus 100 Büros in ganz Österreich sorgen für Aufregung. Die dortige Luftqualität war leider alles andere als zufriedenstellend.
Künstliche Intelligenz AIVA als Musikproduzent: Geht das zu weit?
In einer technifizierten und hyperrealen Welt der Automatisierung und Robotisierung. Einer Welt, in der Algorithmen das menschliche Dasein fest bestimmen, […]
UNO twittert - wir spielen alle nach falschen Regeln
Wieder einmal bricht ein Streit unter Freunden aus, weil man sich nicht einig über die Regeln wird. Viele dieser vermeintlichen […]







