Ein neuer TikTok-Trend ist auf dem Vormarsch. Schon wieder. In sogenannten Subway-Shirts versuchen sich Frauen vor Cat Calling und sexueller Belästigung in den öffentlichen Verkehrsmitteln zu schützen. Was durchaus hilfreich dünkt, führt jedoch im Grunde nur zu einer Opfer-Täter-Umkehr, meint eine Expertin.
Cat Calling und Grapschen in den Öffis
Der Sommer bringt nicht nur, auf der Hitze begründete, kurze Röcke und freizügige Kleidung mit sich. Bedauerlicherweise mehren sich genau zu dieser Jahreszeit auch die unangenehmen Vorfälle von sexueller Belästigung in den öffentlichen Verkehrsmitteln. Ein Phänomen, dem vermehrt Frauen zum Opfer fallen.
Cat Calling ist dabei nur die Spitze des Eisbergs. Unter Catcalling werden sexuell konnotierte Verhaltensweisen zusammengefasst. Dabei handelt es sich um verschiedene Arten der sexuellen Belästigung ohne Körperkontakt. Zu oft kommt es in den öffentlichen Verkehrsmitteln jedoch auch zu körperlichen Übergriffen, wie zum Beispiel Grapschen. Toxische Männlichkeit genießt im Sommer scheinbar eine Art Hochkontur.
Subway-Shirt-Trend: Was ist ein Subway-Shirt?
Da diesen Belästigungen leider immer noch nicht ausreichend Einhalt geboten werden konnte, greifen viele Frauen zu einem Hilfsmittel, um diese Übergriffe vorzubeugen. Wie ein aufkommender TikTok-Trend namens „Subway-Shirts“ offenbart.
Dieser Trend thematisiert die Verwendung von groß geschnittenen Oberteilen. Diese soll in öffentlichen Verkehrsmitteln vor unerwünschten Blicken, anzüglichen Kommentaren und auch vor physischen Belästigungen schützen.
Die Idee dahinter ist, dass junge Frauen im Sommer, wenn sie in öffentliche Verkehrsmittel einsteigen, zusätzlich zu ihrem eigentlichen und freizügigem Outfit ein weites T-Shirt, einen Blazer oder ein Hemd in Übergröße tragen, um sich vor solchen Situationen zu schützen. Sobald sie das Verkehrsmittel verlassen, legen sie diese „Schutzschicht“ wieder ab.
@screenshothq Will this New York trend move across to the UK this summer? Women have been sharing their ‘Subway Shirt’ outfits on social media and teaching others about the purpose of them. #subwayshirt #outfitdampener #nyc #london
Selbstzensur: der Subway-Shirt-Trend als Täter-Opfer-Umkehr
Was sich at first sight als gewitzter Trick verkauft, ist jedoch ein falsches Signal, wie eine Vertreterin von „Lara“, einer Organisation, die sich gegen sexualisierte Gewalt an Frauen einsetzt, gegenüber welt.de richtigstellt. Sie betont, dass es inakzeptabel sei, dass Frauen gezwungen werden, sich vor sexueller Belästigung selbst zu schützen und somit die Verantwortung auf sie abgewälzt wird.
Die Anpassung des eigenen Verhaltens oder Erscheinungsbildes aus Schutzgründen ist in diesem Sinne eine Form der Selbstzensur. Der vermeintlich hilfreiche Subway-Shirt-Trend führt zu einer Täter-Opfer-Umkehr. Anstatt, dass bestimmte Männer einfach aufhören, Frauen zu belästigen, müssen Frauen eben Vermeidungstaktiken und vor allem Vermeidungspraktiken anwenden, um in einer Welt, in der sexuelle Übergriffe scheinbar als Normalität angesehen werden, diesen auszuweichen.
Schuld sind nur die Täter
Obwohl es grundsätzlich positiv ist, dass Frauen einander Ratschläge geben und sich dabei gegenseitig stärken, müsste die eigentliche Botschaft lauten: „Ich sollte in der Lage sein, unabhängig von meiner Kleidung in allen Transportmitteln sicher zu sein, ohne angegriffen zu werden“, so die Sprecherin. Dennoch stellt sich die Frage, warum Kleidung immer noch eine Rolle spielt, wenn es um sexuelle Belästigung geht.
Wenn sie auf eine bestimmte Kleidung zurückgreifen oder bestimmte Outfits vermeiden, machen sich Frauen unbewusst selbst zum Ursprung des Problems. Sind Frauen also selbst schuld, wenn sie belästigt werden, weil sie das Falsche tragen? Natürlich nicht, stellt der Artikel klar „Übergriffe sind nie die Schuld der Betroffenen, sondern die des Täters“, so die Sprecherin.
Die Gesellschaft ist immer noch durchzogen von einer sexistischen und patriarchalen Struktur, die es Frauen verunmöglicht, sich anzuziehen, wie es ihnen gefällt. Die Lösung für dieses Dilemma liegt nicht im Subway-Shirt. Es gilt, ein neues Bewusstsein zu schaffen. Man darf gespannt sein, wie lange das dauern wird.
Titelbild © Mart Production via Pexels
DAS KÖNNTE SIE AUCH INTERESSIEREN
7 psychologische Begriffe in der Alltagssprache, die Krankheiten verharmlosen
Die inflationäre Verwendung von Worten und Begriffen aus der Psychologie und Therapie mag unter anderem auch zur Entstigmatisierung beitragen. Doch […]
WhatsApp und der Datenschutz: Was du innerhalb der EU wissen musst
Am 8. Februar treten die neuen WhatsApp-Regelungen in Kraft. Diese sind auch innerhalb der EU problematisch. Anstatt uns nur aufzuregen, […]
Andrew McMillans Gedichtband Physical: Männlichkeit und Sex jenseits von Porno
Andrew McMillan schreibt ehrliche Gedichte über Männlichkeit, Sexualität und Angst. Körperlichkeit jenseits von Porno und Oberflächlichkeit.
Network Marketing und plötzlicher Reichtum: Erfundene Erfolgsstory?
Reich werden? Einfach, schnell, unkompliziert? Wer will das nicht. Doch Menschen, die euch mit diesen Versprechungen etwas aufschwatzen wollen, solltet […]
Covid nicht für alle Vorbei: Long Covid Patientin im Interview
Corona ist vorbei? Auch wenn viele das Ende der Pandemie feiern. Für Long Covid Patienten ist sie es noch lange nicht! Wir trafen eine Betroffene zum Interview.
Corona-Demo Wien: zwei Aufmärsche und zwei Gesichter der Polizei
Die mit Spannung erwartete und im Vorfeld recht(s) aufgeheizte Corona-Demo Wien. Sie reihte sich dann doch in die Kette jener […]








