Rassistische Übergriffe durch Polizeibeamte werden zu häufig nur den USA zugeschrieben, doch auch in Europa sind solche Vorfälle längst nichts Neues. Hier geben wir euch einen kleinen Einblick in rassistische Polizeihandlungen in Österreich, im schlimmsten Fall mit Todesfolge.
Station Floridsdorf – ich gehe die Rolltreppe hoch und beobachte, wie zwei Polizeibeamten meinen Kollegen festhalten. Ein gut gekleideter, großer Kerl, der gerade von der US-Botschaft kommt, um sich mit mir zu treffen. Hoch gebildet, beruflich erfolgreich, aber er ist ein Afroamerikaner. Im Anzug stehend fordern ihn die Beamten mehrmals auf sich auszuweisen und sie sprechen mit ihm, als hätte er ein Verbrechen begangen. Davon ist er aber mehr als weit entfernt.
Als ich hinzustoße, weise ich mich aus und fordere die Beamten auf, mir ihre Dienstnummern zu geben und mir zu erklären, weshalb diese Kontrolle gerade durchgeführt wird. „Das hat keine rassistischen Hintergründe.“, entgegnen sie mir sofort. Wohlgemerkt in Floridsdorf, wo in diesem Moment ungefähr 50 weiße Menschen unseren Weg kreuzen. Viele andere hier scheinen mir weit verdächtiger, sich in kriminellen Kreisen zu bewegen.
Sie weigern sich, mir ihre Dienstnummern auszuhändigen. Deshalb schlage ich im Gegenzug vor, die Amtshandlung rasch zu beenden, wenn sie meine Foderung verweigern. Durch mein Zutun wurde die Kontrolle unterbrochen – scheinbar doch nicht so wichtig. Als ich noch anmerkte, ich sei Journalist und er mein Kollege, wurde aus den vorlauten Erklärungen rasch eine umfangreiche Entschuldigung.
Es mag harmlos wirken, doch genau so beginnt es. Auf Basis von Stereotypen entscheiden sich Beamte für eine Amtshandlung. Auf Basis von Vorurteilen gehen sie zu weit. In diesem Fall kam ich dazwischen – es war nicht das erste Mal, dass ich einschreiten musste. Doch es gibt viele Fälle, in denen Menschen sich mit rassistischen Handlungen konfrontiert sehen und keine Hilfe bekommen. Stattdessen bezahlen auch in Europa und ebenso in Österreich viele am Ende die Amtshandlung mit ihrem Leben.
Der Fall Marcus Omofuma als populärstes Beispiel
„So tobte der Schubhäftling“ betitelte die Krone den Vorfall. Es wirkt, als wäre das Vorgehen der Beamten vollkommen legitim. Nachdem Marcus Omofuma 1999 nach einem abgelehnten Asylantrag nach Bulgarien geflogen werden soll, wehrt sich dieser. Daraufhin befestigen ihn die Polizeibeamten mit Klebeband an den Flugzeugstuhl – leider nicht nur seinen Körper. Sie verklebten seinen Mund und Teile seiner Nase, woraufhin dieser erstickt.
Fahrlässige Tötung – das Urteil. Bedingte Haft – die Strafe. Nur Bewährung? Lächerlich, wenn man bedenkt, dass ein Menschenleben genommen wurde. Hier findet ihr näher Infos zum Fall.
Marcus Omofuma ist kein Einzelfall in Österreich
Ahmed F. verstirb 1999 während einer Drogenkontrolle, bei der Polizisten angeblich versuchten, das Verschlucken von Drogenkugeln zu verhindern. Laut Zeugenaussagen wurde dieser aber 20 Minuten von den Beamten verprügelt.
Im Jahr 2000 kommt der 26-jährige Richard Ibekwe in der Justizanstalt Rüdengasse in Wien Erdberg ums Leben. Dieser wurde bereits bei seiner Verhaftung laut Augenzeugenberichten von Polizeibeamten geschlagen. Bis heute gibt es keine ausreichende Aufklärung über dessen Tod.
Im Jahr 2001 springt der nigerianische Asylwerber Johnson Okpara aus dem Fenster eines Vernehmungszimmers. Trotz eines gerichtlichen Freispruchs kam es zu einer langandauernden polizeilichen Schikane, die letztlich doch zu einer Verurteilung führte. „Johnson Okpara kann als ein Opfer der nach wie vor zu Recht umstrittenen Operation Spring eingeschätzt werden.“ Sein Selbstmord ist als Akt der Verzweiflung zu verstehen und sollte als Mahnmal für eine bis heute nicht gänzlich aufgeklärte und mehr als umstrittene und sehr wahrscheinlich rassistisch motivierte Polizeiaktion stehen. Hier findet ihr nähere Infos zu dem Fall.
Das entsetzliche Verbrechen der Polizei der #MinneapolisPolice an #GeorgeFloyd erinnert mich an den Fall Cheibani Wague. Der mauretanische Physiker und Krankenpfleger erstickte am Asphalt, weil er verboten fixiert wurde. Der damalige Innenminister Strasser sagte zu mir:
— Florian Klenk (@florianklenk) May 29, 2020
Rassismus in Polizeihandlungen – auch in Österreich Realität
Die Liste könnte ich sehr lange ausführen, doch wäre das zu umfangreich. Cheibani Wague, der bei einer gewaltsamen Amtshandlung ums Leben kommt; Edwin Ndupu, der kurz vor seinem Tod von 15 Justizwachebeamten verprügelt wurde. Ddiese Beamten wurden im Jahr 2004 von der Justizministerin Karin Miklautsch (später Gastinger) sogar für ihren Einsatz belohnt (die Ministerin war Teil der BZÖ/FPÖ).
Yankuba Ceesay, der angeblich an Herzversagen mit 18 Jahren in einer Sicherungszelle verstirbt. Essa Touray, der 2006 bei einer Polizeikontrolle in den Donaukanal springt und dessen Leiche einen Monat später gefunden wird – Polizeiversion und Zeugenaussagen weichen deutlich voneinander ab. Bakary Jassey, der in einer Lagerhalle von der Spezialeinheit Wega schwer misshandelt wird. Mike Brennan, den in der U4 Polizisten verprügeln.
Das sind nur Beispiele aus Österreich. In Deutschland – eh klar, größeres Land – kommen rassistische Amtshandlungen noch häufiger vor und enden ebenso viel zu oft in Freisprüchen von Polizeibeamten, wie auch beispielsweise im Fall von Oury Jalloh, der in seiner Zelle laut Monitor – ARD Magazin – angezündet wurde, was auf Brandbeschleuniger zurückzuführen ist. Der Vorfall ereignete sich im Jahr 2005. Bis heute gibt es keine eindeutige Aufklärung oder angemessene Verurteilung aller Beteiligten.
Nur damit ihr es nicht vergesst. Auch hier bei uns sterben Menschen in Polizeigewahrsam: Oury Jalloh in Dessau oder Ahmed A. in Kleve. Damit man es nicht auf das unzivillisierte Amerika schieben kann. Das ist also nicht so weit weg wie es mancher vielleicht wahrhaben will.
— weltraumaffe (@weltraum_affe) May 27, 2020
Die Verantwortung der Polizei und die Verantwortung der Bürger
Häufig begegnet man bei der Polizei rassistischen Tendenzen, obwohl diese unbefangener sein sollten als der Durchschnittsbürger. Problematisch werden solche Gesinnungen vor allem durch die Rahmenbedingungen, weil es den Beamten möglich ist, so häufig strafrei rassistisch motivierte Straftaten zu begehen.
Hier ist es eindeutig nötig, dass seitens des Staates und im Zuge der Ausbildung weit besser selektiert und aufgeklärt wird. Bisher ändert sich jedoch nichts, außer ein Polizeibeamter postet „glücklicherweise“ Hitler verehrende Inhalte auf sozialen Medien. Und sogar hier wird vieles langfristig unter den Tisch gekehrt und endet womöglich auch in keinem Urteil für offensichtliche Wiederbetätigung.
Aber auch die Bürger haben große Verantwortung. Denn: Wegsehen heißt zulassen. Schweigen heißt zustimmen. Deshalb sollte sich jeder, der dieses Unrecht verurteilt, dafür aufstehen und nicht einfach die Dinge passieren lassen.
Am 04.06.2020 findet im Zuge von #BLACKLIVESMATTER eine Kundgebung auf dem Platz der Menschenrechte statt, die wir unsererseits wärmstens empfehlen können. Stehen wir auf für Menschenrechte, denn diese sind nicht abhängig von Herkunft, Farbe, Geschlecht oder anderen Faktoren – Mensch ist Mensch, Ende!
Titelbild Credits: Shutterstock
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