In Großbritannien sind seit Anbeginn der Lockdown-Maßnahmen die illegalen Technoveranstaltungen wieder voll im Trend. Wo haben sie ihren Ursprung und warum sind sie gerade jetzt wieder so populär?
Eine neue Dekade ist angebrochen, unsere goldenen 20er Jahre, right?! Mit Verlaub, eher noch nicht so wirklich. Das nächste Jahrzehnt hat sich bisher recht bescheiden eingeleitet. Dass nun gerade die warme Mitte des Jahres 2020 für alle von uns nicht gerade dem typischen, erhofften oder gar verdienten summer of love entsprechen wird, dürfte mittlerweile allseits ins Bewusstsein vorgedrungen sein. Naja, ins Bewusstsein vielleicht schon, mit voller Akzeptanz bei selbst noch so großer Vernunft ob der Ansteckungsgefahr mit Sicherheit aber noch lange nicht.
Worum geht es? Gar nicht so primär um das sommerliche Reisen rund um die Welt. Es ist noch viel simpler: die Leute wollen raus aus den vier Wänden und rein ins Geschehen, präziser gesagt in den rave. Was man eben so macht, wenn man sich jung und voller Energie fühlt. Ersteres ist unlängst und ohne Einschränkung möglich, zweiteres wiederum eher weniger und die Chancen auf bessere Aussichten sind aufgrund der steigenden Covid-19 Zahlen eher schlecht als recht.
„People are frustrated, people want to be able to get out right now.“
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Stroboskoplichter, hämmernde Bässe, ein Lagerhaus, ein Dungeon oder ein Feld und hunderte, möglicherweise tausende schweißgebadene, berauschte Menschen, die euphorisch durch die Nacht tanzen. Na, klingt doch trotz der Umstände dieser Zeiten zumindest ein wenig reizvoll, nicht wahr?
Man möchte doch schließlich nichts verpassen und gefühlt älter wird man ja mittlerweile auch schon jedes einzelne Jahr, die „I am too old for this shit“-Lebensphase kommt bei manchen immer näher, wenngleich auch nur schleichend und erst sich langsam am Horizont ablichtend. Da lässt man ungern was anbrennen, schon gar nicht im Sommer.
Der Reiz des Verbotenen
Was macht man nun, wenn man etwas wirklich will aber eigentlich nicht darf? Richtig, man macht es heimlich und illegal. Braucht ja schließlich keiner mitbekommen, nicht wahr? Mal ehrlich, von päpstlicher als der Papst sind wir doch noch weit entfernt. Beim Thema rave ist das gar nicht mal solch ein Novum, die Worte illegal und rave kommen recht häufig in einem Satz hintereinander vor. Dafür bedarf es nicht mal einer globalen Pandemie.
Eine Insel, die wohl vielen anderen Ländern hierbei etwas voraus hat, ist das Vereinigte Königreich. Dort fanden unlängst wieder quarantine raves statt. Also quasi Coronaparties in groß und cooler. Dabei war es jedoch nicht so, dass mal gerade so zufällig ein etwas größerer Haufen von vielleicht ein paar Hundert Leuten zusammen kam, sondern man sprach bei den Ereignissen doch von mehreren Tausenden.
Laut britischer Behörden gilt es nun, einen sogenannten „third summer of love“ zu verhindern, um eine weitere Ausbreitung des Virus zu unterbinden. Keine einfach Aufgabe, schon gar nicht in UK, wo die Zahlen im europäischen Vergleich ohnehin relativ hoch sind.
Was ist der summer of love?
Der second summer of love zeichnete sich dadurch aus, dass sich in Great Britain Ende der 80er Jahre ein regelrechtes Katz und Maus Spiel zwischen den Ravern und der Polizei, angeheizt durch eine kurzlebige Explosion von farbenfrohen, MDMA-angeheizten illegalen Raves abspielte. Von einem Versteck im Walddickicht ins nächste verlassene Lagerhaus, bevor es dann wieder zurück in die monotone Arbeitswoche mündete… and repeat, of course.
Die Namensgebung second summer of love soll als Hommage an die ersten psychedelischen Feiern der „Flower Power“ im Jahr 1967 gelten und erinnern. Wie verhält es sich nun heutzutage, gut 30 Jahre später?
Eine Kombination aus strengen Lizenzgesetzen, der Schließung von Clubs und den hohen Lebenshaltungskosten in britischen Städten habe bereits zu einem Boom von Untergrund-Raves geführt, sagen Brancheninsider. Wie sagt man so schön – Traditionen soll man pflegen und wahren. Auf diesen Grundsatz verstehen sich offenbar gewisse VeranstalterInnen in der britischen Techno Szene an der Themse recht gut:
Illegale Raves – die Antwort auf Restriktion
Wie könnte es denn auch anderes sein, handelt es sich beim Hotspot dieses Schabernacks natürlich um die übliche Verdächtige – die Hauptstadt London. Wie im oberen Video deutlich wird, ist die generelle Haltung – zumindest der VeranstalterInnen – jene, dass es sich bei der Pandemie doch nur um eine Grippe handelt und gleichzeitig die Nachfrage dieser Veranstaltungen nun mal sehr hoch ist.
Wenn dann auch noch Polizisten am locus delicti auftauchen, aber dann selbst ein Auge zudrücken und quasi alles dort läppisch durchwinken, braucht man sich doch gleich umso weniger einer Schuld oder eines unverantwortlichen Fehlverhaltens bewusst sein.
Was früher noch via Piratensender, Plattenläden oder Bars durch kryptische Flugblätter Gehör fand, wird heute ganz praktisch und schnell über das Smartphone abgewickelt. Die Interessenten erhalten vor Beginn des Events eine Textnachricht mit allen nötigen Infos. Der Unterschied dieser zwei Episoden des illegalen Raves liegt darin, dass der Drang damals daraus entsprang, dass all diese Ereignisse unter anderem noch so neu und verpönt waren. Als diese immer populärer wurden, folgten Besorgnisse über antisoziales Verhalten und Drogenkonsum, was zu schwerer Polizeiarbeit und neuen Gesetzen führte. Okay, sind wir uns ehrlich, die Befürchtungen waren ja jetzt nicht total aus der Luft gegriffen, aber anyway.
Heute ist das anders, die Welt hat sich weitergedreht. Nichts daran ist mehr allzu neu, doch Corona ist nun mehr als vermeintlich drohender Showstopper auf ungewisse Zeit ein Katalysator für Spitzbübisches Denken – und Organisieren. Man muss nur die richtigen Wege finden. Oder Schlupflöcher.
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Parallelen zu den Raves von damals
Eines haben beide Perioden aber vielleicht doch wieder gemein – die erste markiert eine signifikante, vor allem für junge Menschen prägende timeline während der Thatcher-Jahre. Also quasi eine Zeit der logischen Rebellion als Antwort darauf, wo so ein „unkonventionelles“ Ventil wie illegale Raves und alles was damit zusammen hängt, gerade recht kommen. Heute erleben gewisse Leute, die damals noch als ganz junge in dieser Szene verkehrten, ein regelrechtes Déjà-vu, was die derzeitige politische und gesellschaftliche Landschaft anbelangt.
Hört man sich heutzutage dort um, lässt sich der selbe spirit wiedererkennen, einzig die Akteure haben sich etwas verändert. Die Aussichtslosigkeit von Jugendlichen auf eine sorgenfreie Zukunft und das daraus resultierende Ausbrechen aus dem Alltag oder gar dem System ist damals wie heute aktuell. Stand damals noch primär der bloße Drogenkonsum im Mittelpunkt, ist es heute wiederum der Schrei nach Freiheit und der Drang nach dem bisherigen, gewohnten Lebenstil – ihr wisst schon, dieser bittersüßen, alten Normalität, die jetzt schon gefühlt Ewigkeiten zurückliegt.
A fresh wave of rave is around the corner – and the pandemic is only likely to make it louder
Anhand der Geschichte lernt man – die Gefahr lauert
Die neue Komponente Corona, die im Gegensatz zu den früheren Ereignissen miteinkalkuliert werden muss, macht die ganze Sache wahrscheinlich noch spannender. Je verbotener oder auch gefährlicher, desto größer die Versuchung und nicht zuletzt die Nachfrage. Erlauben wir uns dafür doch vielleicht ganz kurz eine etwas philosophische Betrachtungsweise in Hinblick auf ähnliche Seuchen aus der Vergangenheit.
Die Spanische Grippe von 1918/1919, immerhin mit einem höheren kill count als die Kampfhandlungen des Ersten Weltkrieges versehen, wird seit Monaten oftmals als ein Vergleich herangezogen, von dem man eventuell auch noch das ein oder andere für unsere künftige Herausforderungen lernen kann.
Pandemien habe es so an sich, wellenartig wiederzukehren. Demgegenüber steht der Mensch, ein nach Freiheit strebendes Geschöpf, das noch viel mehr im gesellschaftlichen Korsett seine kollektive Ungeduld beweist. Die Ungeduld, von (staatlicher) Obrigkeit eine aufoktroyierte Isolation auszusitzen, ohne ein rasches Ende in Sichtweite. Nichts, was nicht schon damals im Menschen dazu geführt hätte, zu behaupten, dass einem gleich die Decke auf den Kopf fällt und eh alles harmloser als behauptet ist.
Dieses Muster gemäß des Ausbruchs lässt sich im Kurvenverlauf der Spanischen Grippe beobachten. Insgesamt drei Wellen hatte unter anderem Großbritannien zu verzeichnen, wobei die erste davon noch die harmloseste war und die zweite (Herbstwelle!) am prekärsten. Dazwischen lagen jeweils grob zwei Monate einer Phase des Durchatmens. Die Ruhe vor dem Sturm. Die meisten der Verstorbenen waren Menschen im jüngeren bis mittleren Alter (20 – 40). Ähnlich wie bei Covid-19 wurde die Gefahr durch diese Seuche verharmlost, da man zu dieser Zeit bereits mit anderen Krankheiten wie Fleckfieber oder Tuberkulose zu kämpfen hatte und somit solch ein neues Virus nur als eines von diversen anderen abgetan wurde. Parallelen zur heutigen Situation sind damit definitiv gegeben.
Als waschechte Österreicher dürfen wir es uns an dieser Stelle aber auf keinen Fall erlauben, nicht auch in die Schlagzeilen zu gelangen, indem wir nicht ebenfalls die ein oder anderen, eventuell fraglichen Aktionen liefern. Was die in UK bzw. London können, können wir hier in der Metropole Dreistetten nahe Wiener Neustadt schon lange, werden sich ein paar Spaßvögel vor ein paar Tagen um 3.45 Uhr Nachts gedacht haben, als sie eine durch ein Stromaggregat angetriebene Mega-Boxenwand – 3 mal 10 Meter – zum Laufen brachten, was verständlicherweise nicht so zu Freude der Anrainer geschah, sodass der holprige Versuch einer Raveparty recht bald durch die Polizei unterbunden wurde. At least they tried, I guess.
Vorausblickend sei in dem Gedanken, dass uns diese globale Pandemie noch eine Weile begleiten wird, somit vorhergesagt: das war wohl erst der Anfang einer kulturellen Revolte des Ausbruchs zum Wohle der Freiheit und zum Trotze der Einschränkung.
Eine Frage bleibt dennoch klar im Raum stehen – wäre es nicht sinnvoller, im Rahmen legaler Möglichkeiten das Treiben temporär zu erlauben, unter Berücksichtigung, dass dies in Clubs kontrolliert und nur untern bestimmten Bedingungen möglich ist?
Hierzu gab es immerhin schon seitens der Clubs einen durchaus brauchbaren Vorschlag.
Titelbild Credits: Shutterstock
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