Interview mit Jahfro — Magnetische Dancehall Beats aus Hamburg
Man kam für den Sound, blieb für die Botschaft — so würde ich es auf den Punkt bringen. Es gibt Bands, die das Publikum schon mit den ersten Beats in Bewegung bringen, und Jahfro ist definitiv eine davon. Aber was sie wirklich besonders macht, ist ihre Fähigkeit, tiefgreifende gesellschaftliche Themen in ihren Tracks zu verpacken und mit Musik zu verbinden, die sowohl zum Tanzen als auch zum Nachdenken anregt.
Bei den Afrika Tagen auf der Donauinsel war es, als hätte die Band das Publikum wie mit einem Magneten auf die Tanzfläche gezogen. Anfangs war kaum jemand vor der Bühne, doch sobald Jahfro ihre Musik anstimmten, zog es die Menschen in ihren Bann. Ihre einzigartige Mischung aus Reggae, Hip-Hop und Dancehall erinnerte mich an den Sound von Thievery Corporation — entspannte Beats, mitreißende Rhythmen und eine Energie, die die Menge zum Tanzen brachte. Es war klar: Diese Band ist live ein Erlebnis. Ihre Performance war so mitreißend, dass es fast eine Sünde gewesen wäre, nicht mehr über diese spannende Hamburger Band herausfinden zu wollen.
Und so kam es, dass ich die Gelegenheit genutzt habe, Jahfro ein paar Fragen zu stellen, um mehr über ihre musikalische Reise, ihre Botschaften und ihre Zukunftspläne zu erfahren.
Jahfro: die frühen Jahre
Du hast deine Karriere mit 15 Jahren als MC bei Catchy Record begonnen und bist später der Band „Das Goldene Handwerk“ beigetreten. Wie haben diese frühen Erfahrungen deinen musikalischen Stil und deine Richtung geprägt?
Tatsächlich habe ich etwas früher schon begonnen mit Gitarre Songs zu schreiben. So wie heute haben Jan und ich, mit dem ich auch heute das Jahfro Projekt zusammen gestalte, uns getroffen und damals im Schuppen zusammen Musik gemacht. Catchy Record war dann sozusagen das erste Kollektiv und das erste Mal, dass wir regelmäßig vor vielen Leuten auf einer Bühne standen. Das Goldene Handwerk war dann unsere erste Live-Band, mit der wir schon sehr früh durch ganz Deutschland touren durften. Beide Projekte haben uns sehr geprägt und uns inspiriert, unser Leben mit und durch Musik zu gestalten. Nachdem ich beispielsweise meine ersten Songs hauptsächlich auf Englisch und Patois geschrieben habe, entdeckte ich mit der Band meine Leidenschaft für deutsche Texte. Das hat meinen musikalischen Stil schon nochmal verändert. Die Band löste sich im Laufe der Zeit auf, Catchy Record ist heute noch unser Label und Soundsystem sowie tägliche Inspiration.
Wie hat eure Reise nach Jamaika im Jahr 2016 eure Musik beeinflusst?
Ihr habt dort eure erste Solo-EP aufgenommen, die Dancehall, Modern Reggae und Hip-Hop miteinander verbindet. Wie hat die jamaikanische Kultur und Musik euren künstlerischen Werdegang beeinflusst?
Unsere erster Jamaica-Trip hat unseren Werdegang ganz stark beeinflusst. Nachdem wir schon seitdem wir 14/15 waren Reggae und Dancehall gelebt und geatmet haben, endlich vor Ort die Wurzeln dieser einzigartigen Musik und Kultur zu erforschen, war wahnsinnig schön für uns. Wir haben dann insgesamt über zwei Jahre auf Jamaica verbracht und auch unser erstes Album damals dort produziert. Abgesehen davon, dass auch jamaikanische Produzenten und Artists bei unseren Platten mitgewirkt haben, hat das natürlich auch unsere Musik extrem geprägt, quasi jamaicanized. Heutzutage gibt uns das Ganze eine gewisse musikalische Base, die wir dann mit allen möglichen Einflüssen und Elementen, die uns begeistern, vermischen.
Jahfro vereinen Reggae, Hip-Hop und Dancehall
Eure Musik vereint verschiedene Genres wie Reggae, Hip-Hop und Dancehall. Wie geht ihr daran heran, diese unterschiedlichen Stile zu verbinden? Welche Herausforderungen und Belohnungen bringt es mit sich, einen Sound zu kreieren, der diese Genres überschreitet?
Der Großteil unserer musikalischen Prägung kommt aus Reggae, Dancehall und Hip Hop. Wenn wir aber ins Studio gehen, haben wir nicht ein bestimmtes Genre im Kopf, das wir produzieren wollen, sondern sind immer inspiriert von vielen aktuellen Einflüssen und Emotionen. Dadurch entsteht eine Verschmelzung, die oft gar nicht mehr einem Genre klar zuzuordnen ist. Im Moment kommt sogar noch viel mehr dazu. Wir integrieren gerade auch Afrobeats, Amapiano und Afro-Tech in unsere Ideen und haben ganz große Pläne. Man darf gespannt sein. Die Herausforderung und gleicherweise die Belohnung dabei ist es, bei so vielen Einflüssen immer noch gut und authentisch zu klingen, sich selbst gerecht zu werden und etwas ganz neues, einzigartiges zu kreieren.
Die deutschen Vocals sind ein integraler Bestandteil eurer Musik und reichen von tief und rau bis hin zu süßen Gesangsstilen. Wie entscheidet ihr, welcher Gesangsstil zu einem bestimmten Track passt?
Das wird durch Emotionen, Gemütszustand, Songidee aber manchmal auch durch den Beat bestimmt. Manchmal habe ich eine Idee und dann bauen wir den Beat dazu, ein anderes Mal passiert das Ganze andersherum. Oft ist uns dann ganz schnell bewusst, welchen Stil ich wo benutze. Meistens entsteht eine Idee innerhalb von Stunden und hat schon das endgültige Grundgerüst. Dann basteln wir Wochen an Nuancen, bis wir den Track selbst schon gar nicht mehr hören können. Gut dabei, wie wir finden, ist auf jeden Fall, dass wir keinen Einheitsbrei produzieren, sondern sich die Songs immer mal wieder anders anhören.
© Tobias Goebbels
Festivals und Live-Auftritte: die feinen Unterschiede
Ihr habt kürzlich auf dem Afrika Tage Festival in Wien gespielt. Wie war diese Erfahrung und wie unterscheidet sich das Spielen auf Festivals von anderen Live-Auftritten?
Es war großartig! Wir haben uns total wohl und gut aufgenommen gefühlt. Der ganze Vibe war natürlich auch sehr unser Ding und alle vor Ort hatten viel Liebe für Reggae und Dancehall Musik. Aber auch unsere neueren, schnelleren Produktion haben gut gepasst. Festivals bedeuten natürlich zunächst immer Sommer, draußen auftreten und Begegnungen mit anderen tollen Künstlern. Das ist schon immer eine ganz besondere Zeit des Jahres, die wir lieben. Veranstaltungsorte/Venues haben aber selbstverständlich auch ihren Reiz, wenn alle eng an eng auf dem Floor stehen und dadurch eine besondere Atmosphäre in einem geschlossenen Raum entsteht. Wir freuen uns in beiden Fällen auf ganz viele weitere heiße Shows mit tollen Menschen.
Könnt ihr einen denkwürdigen Moment von euren Touren, sei es in Deutschland oder international, teilen, der einen bleibenden Eindruck bei euch hinterlassen hat?
Auf Tour hatten wir schon viele beeindruckende, lustige, peinliche aber auch wahnsinnig bereichernde und erfolgreiche Momente. Da ist es unglaublich schwer einen bestimmten auszumachen und mehrere zu nennen würde den Rahmen sprengen, aber das beste daran ist definitiv, mit tollen Leuten zusammen in fremden Städten unterwegs zu sein und gemeinsam uns und viele andere Menschen mit Musik glücklich zu machen. Vielleicht dürfen wir ja demnächst mit der Person, die das hier liest einen unvergesslichen Moment bei einer Show teilen. Komm mal vorbei!
Jahfro: zukünftige Projekte
Was können die Fans in den kommenden Monaten von Jahfro erwarten? Gibt es neue Veröffentlichungen oder Kollaborationen, auf die ihr euch besonders freut?
Ja, und zwar wieder etwas ganz neues. Bis zum Festivalsommer waren wir dieses Jahr sehr viel im Studio und haben an einem neuen Sound geschraubt, bei dem wir wieder neue aktuelle Einflüsse mit einbringen und den wir sehr feiern. Mittlerweile sind ein paar Songs recorded und fast ausproduziert. In welchem Rahmen die neuen Songs veröffentlicht werden, wie das ganze heisst und wann es veröffentlicht wird, erfahrt ihr als erstes bei uns auf Instagram und co.
Angesichts der sich wandelnden Musikindustrie, wie seht ihr die Weiterentwicklung des Sounds von Jahfro in der Zukunft?
So wie die Musikindustrie sich wandelt, entwickelt sich auch unser Sound mit allem um uns herum stetig weiter und der Wandel bringt ja in einigen Aspekten auch spannende Möglichkeiten mit sich. Wir machen sehr viel DIY und auf diesen Prozess freuen wir uns immer wieder. In anderen Aspekten versuchen wir uns nicht allzu doll beeinflussen zu lassen, denn am Ende geht es immer um die Liebe zur Musik. Selbstverständlich ist es aber als Künstler nicht immer einfach in der heutigen Musiklandschaft und wir freuen uns über jeden Support.
Jahfro: eine Band mit Botschaft
In eurem Song ,,Warnung“ setzt ihr euch mit wichtigen gesellschaftlichen Themen auseinander. Was war die Inspiration hinter diesem Song und welche Botschaft wollt ihr damit besonders vermitteln? Wie wichtig ist es euch, solche Themen in eurer Musik zu behandeln, und wie wurde der Song vom Publikum aufgenommen?
Warnung ist definitiv einer unserer ganz wichtigen Songs. Die Inspiration dazu fanden wir in täglichen Gesprächen mit Frauen aus unserem Bekanntschaftskreis. Es gibt so wahnsinning viele Storys von Übergriffen auf Veranstaltungen. Das Nichtakzeptieren eines Neins. Die verschobene Ansicht, man müsse eine Frau überreden. Die Implikation, das Outfit oder die Art zu tanzen, rechtfertigt eine übergriffige Handlung. Und nicht zuletzt das gekränkte Ego bei einer Abfuhr, das oft zu einem Unsicherheitsgefühl bei der Betroffenen führt. Selbstverständlich ist es wunderschön, wenn Menschen sich auf Veranstaltungen kennenlernen, aber doch keine Raketenwissenschaft, die Signale einer anderen Person zu deuten und Grenzen zu respektieren. Davon handelt Warnung.
Uns ist es extrem wichtig, Themen kritisch in unseren Songs aufzuarbeiten. Musik kann und darf das, so wie vieles andere auch. Bei uns gibt es neben Hüftschwing-, Party- oder Liebessongs also auch immer etwas zum Nachdenken aufs Ohr und wir haben das Gefühl, dass das Publikum es wertschätzt.
Jahfro in Wien
Ihr habt gerade bei den Afrika Tagen in Wien gespielt. Wie war die Resonanz des Wiener Publikums im Vergleich zu euren Auftritten in Deutschland?
Gibt es Unterschiede in der Art und Weise, wie das österreichische Publikum eure Musik aufnimmt?
Das Wiener Publikum war total toll. Wir hatten das Gefühl, dass alle Lust auf Bewegung und gute Vibes hatten. Die Location, sprich ein Festival auf der Donauinsel, bietet natürlich alleine von der Lage ein einzigartiges Ambiente. Alle waren miteinander, friedlich und kulturaffin. Unsere neuen Songs schienen besonders Anklang zu finden, was für uns eine wahnsinnig gute Resonanz war. Das Wetter war auch bombastisch. Wir haben uns wirklich sehr wohl gefühlt und können es kaum erwarten, wieder vorbeizukommen. Einen grundsätzlichen Unterschied zum deutschen Publikum konnten und wollen wir nicht feststellen, denn das findet eher auf individueller Ebene statt. Der eine mag es ein wenig zu schunkeln und den Texten zuzuhören, der andere springt und tanzt, was die Kanone hergibt. Und das ist auch voll okay so.
Wien hat eine sehr lebendige Musikszene. Wie habt ihr die Stadt und ihre Atmosphäre als Künstler erlebt?
Wien hatte für uns eine extrem angenehme Atmosphäre. Leider ist neben Soundcheck und An- und Abreise immer nicht allzu viel Zeit, die Stadt ausgiebig zu erkunden, aber schon die Veranstaltung an sich und die Möglichkeit auf der Donauinsel etwas Derartiges auf die Beine zu stellen, wie die Afrika-Tage, spricht für die Stadt und die enorme Kulturaffinität der Wiener. Hinter der Bühne war zwischen den anderen Artists und allen Mitwirkenden vom Festival ein mega entspannter Vibe. Ganz großes Kompliment geht raus an alle Verantwortlichen und Künstler.
Österreich und Deutschland
Würdet ihr gerne wieder nach Österreich kommen? Wenn ja, gibt es bereits Pläne für zukünftige Auftritte hier?
Wir haben es geliebt bei euch zu sein und haben große Lust wiederzukommen. Bisher stehen keine weiteren Bookings in Österreich an, aber auch hier bekommt ihr es als erstes auf unseren Kanälen mit, wenn wieder etwas geplant ist.
Was bedeutet euch der Auftritt in Österreich im Vergleich zu Deutschland? Gibt es Aspekte, die ihr an der österreichischen Szene besonders schätzt?
Wir würden uns bisher nicht anmaßen die österreichische Szene fundiert einzuschätzen, aber können uns total gut vorstellen, dass unsere Musik in Österreich noch viel mehr Anklang finden könnte. Wenn wir dann ein paar ordentliche Touren durch euer schönes Land gespielt haben, würde ich dir die Frage nochmal beantworten wollen. Also lieber Leser, wenn du auch die Antwort auf diese Frage wissen möchtest, dann promote einfach Jahfro Konzerte in deiner Stadt und lass ein Feedback auf unseren Kanälen da. Das würde uns die Welt bedeuten, denn im Vergleich zu Deutschland heisst ein Auftritt in Österreich natürlich vor allem mehr Menschen, die uns noch nicht kennen, aber uns vielleicht kennen möchten. Es kommt bald unheimlich schöne neue Musik heraus, die Reggae/Dancehall mit Afrotech, Amapiano und Afrobeats vermischt. Den Sound wollen wir unbedingt mit euch live feiern. Wir freuen uns darauf!
Jahfro: ein Fazit
Großartige Musik und starke Botschaften können Hand in Hand gehen — eine seltene Kombination, die Jahfro sowohl musikalisch als auch thematisch herausstechen lässt. Zudem ist es immer erfrischend, wenn eine Band Genres wie Reggae, Dancehall, Hip-Hop und Einflüsse wie Afrobeats und Amapiano so nahtlos miteinander verschmilzt, dass sich ihr Sound keinem festen Genre zuordnen lässt.
Ihre Musik ist nicht nur Unterhaltung, sondern ein Medium für Veränderung und die Auseinandersetzung mit den wichtigen Fragen unserer Zeit. Diese einzigartige Mischung aus fesselndem Sound und tiefgründigen Texten macht definitiv Lust auf mehr — man darf gespannt sein, welche Botschaften sie in Zukunft noch mit uns teilen werden.
Titelbild © Johannes Sander
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