Viele Männer, die sich in einer Phase ihres Lebens von Frauen unfair behandelt oder zurückgewiesen gefühlt und sich dann plötzlich oder mit der Zeit immer mehr zum Frauenschwarm entwickelt haben, entwickeln das „Kill The Cheerleader“-Syndrom. Eine Form der Rache, die Forderung nach Wiedergutmachung.
Eines vorweg: Zu sagen, dass sich dieses Syndrom auf „unattraktive“ Männer bezieht wäre oberflächlich, ignorant und einfach nicht korrekt. Attraktivität ist nicht messbar, da es keine universelle Definition des Begriffs gibt. Doch das hier soll keine Diskussion über Schönheitsideale werden, vielmehr geht es bei diesem Phänomen um Männer, die irgendwann im Laufe ihres Lebens Probleme hatten in der Frauenwelt beachtet zu werden und was mit ihnen passiert, wenn sich das Blatt wendet.
Männer, die von ihrer Vergangenheit gebrandmarkt sind
Sätze wie „Wo warst du, als ich ein Niemand war?“, etc. hört man in jedem zweiten Deutschrap Song. Diese Storyline a la „Als ich nichts hatte, wolltest du mich nicht und jetzt kann ich jede haben“ ist Bestandteil von mindestens einem Song auf jedem Deutschrap Album der Welt. Kay One`s kompletter Song „Ich brech` die Herzen“ basiert auf dieser Thematik. „Mann, du hast mich abserviert. Ich hab` gesagt ich werd` mich rächen. Ich werd` kommen und die Herzen aller Mädchen brechen.“, rappt er.
Männer, die in das „Kill The Cheerleader“- Schema fallen, sind von ihren Misserfolgen in der Frauenwelt gebrandmarkt. Sie sind so fixiert auf die „Ungerechtigkeit“, die ihnen widerfahren ist, dass sie davon komplett eingenommen werden.
„Als ich 13 war, wollte Jessica meine Hand nicht halten und jetzt 10 Jahre später schreibt sie mir auf Facebook. Der wird ich es zeigen!“ Newsflash: Niemand mag niemanden mit 13. Pubertät ist etwas Grauenvolles: Überall wachsen Haare und niemand versteht einen – Misanthropie ist ein natürliches Nebenprodukt dieser unzumutbaren hormonell ausgelösten Ausnahmezustände.
Paradebeispiele aus der Popkultur
Ein gutes Beispiel hierfür ist Seth Cohen aus der Kultserie „O.C., California“. Seine Beziehung zu Summer wird in allen vier Staffeln der Serien thematisiert. Kurz zusammengefasst: Sie war von Anfang an sehr beliebt in der Schule und er nicht. Niemand wollte mit ihm etwas zu tun haben. Er war sehr verschossen in sie und Summer wusste nicht einmal, dass Seth existiert. Jahre später entwickelt sich eine Beziehung zwischen den beiden und Seths langersehnter Wunsch geht in Erfüllung.
Summer ist aufrichtig verliebt und sie sind das perfekte Paar (für etwa fünf Episoden). Seth lebt seinen Teenage Dream. Doch es gibt einen Haken: Seth behandelt Summer schlecht. So schlecht, dass sogar die „teenvogue“ einen Artikel darüber verfasst hat. Und das muss etwas heißen, denn ich bezweifle, dass Anna Wintour nachmittags vor dem TV saß, um sich sämtliche O.C. California Folge anzusehen.
Eine weitere Kultserie, die sich dieses Phänomens bedient ist „Friends“. Wenn man Google nach dem Charakter Ross befragt, trifft man früher oder später auf unzählige Artikel darüber, dass Ross nicht nur ein miserabler Freund, sondern auch ein moralisch fragwürdiger Mensch ist: Seine ganze Identität ist eine einzige Opferrolle.
Er war jahrelang in Rachel verliebt und seine Liebe wurde nicht erwidert. Auch sonst war er in der Jugend nicht gerade beliebt bei den Frauen oder bei Menschen generell. Diese Faktoren führen später dazu, dass er das Gefühl entwickelt, dass ihm gewisse Sachen (oder auch Frauen) zustehen. Sowohl Ross als auch Rachel tragen ihren Teil dazu bei, dass ihre Beziehung so toxisch ist, aber der große Unterschied zwischen den beiden ist: Rachel lügt beziehungsweise verheimlicht ihre Gefühle um Ross nicht zu verletzen, während Ross lügt, um sich selbst und seine Chancen mit Rachel zu schützen.
Ed Sheeran – Von „Kill The Cheerleader“ zu „Kill the Victoria Secret Model“
Wer jetzt denkt, es handelt sich hier um fiktive Charaktere und die kann man nicht wirklich als Beispiel heranziehen, den möchte ich auf diesen Artikel hinwiesen: Ed Sheeran prahlt öffentlich damit, wie leicht es war, diese ganzen Victoria Secret Models ins Bett zu kriegen. Der gleiche Ed Sheeran, der dann Songs singt wie „Beautiful People“, wo er sich klar abgrenzt von der ganzen L.A. Glitzer und Glamour Welt, weil er ja so tiefgründig und real ist. Ironie off.
Ego und Machtgefühle über dem eigenen Glück
Diese Opferrolle, in der sich Männer dieses Syndroms suhlen, ist mehr als fragwürdig. Worauf basiert sie? Auf dem Glauben, dass dir als Mann mehr Pussy zusteht, als du eigentlich bekommen hast. Du hast in deiner Vergangenheit nicht die Gelegenheit bekommen mehr Frauen zu daten und jetzt ist dir die ganze Welt etwas schuldig, weil du ja so „gelitten“ hast.
Im Fokus des Kill The Cheerleader-Syndroms stehen Triumph und Ego. Sogar das eigene Glück und der Seelenfrieden werden außen vorgelassen. Die traurige Wahrheit ist, dass Männer, die unter diesem Syndrom leiden, sich selbst sabotieren. Denn ihr ganzes Leben lang sehnen sie sich nach Zuneigung und Nähe und wenn diese in greifbarer Nähe ist, können sie nicht genießen, sondern müssen die Wünsche ihres gekränkten Egos erfüllen. Sie schneiden sich ins eigene Fleisch.
Es geht vor allem um Macht und das Zurückgewinnen von Kontrolle. Männer, die viele Zurückweisungen einstecken mussten, erleiden folglich einen enormen Kontrollverlust. Männer betroffen von diesem Syndrom handeln so wie sie handeln, um ihren Selbstwert zu regulieren. Indem ich Menschen verletzte, die objektiv attraktiver, erfolgreicher, beliebter sind etc., erlange ich ein bestimmtes Gefühl von Kontrolle und Macht. Würden diese Männer sich in Therapie begeben oder an sich selbst arbeiten, könnten sie ihren Selbstwert von alleine regulieren und müssten andere Menschen nicht erniedrigen.
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Manche Frauen sind leichte Beute…
Doch ein weiterer wichtiger Aspekt, welcher nicht außer Acht gelassen werden darf ist, dass bestimmte Frauen, die sich in so einer Situation wiederfinden, selbst die Verantwortung dafür tragen müssen. Frauen, die bewusst nach „unten“ daten beziehungsweise nur Männer daten, bei denen sie sich überlegen fühlen, um somit die Kontrolle und Oberhand in der Beziehung zu haben, ziehen Partner, die unter dem Kill The Cheerleader-Syndrom leiden, an.
„Kill The Cheerleader“ und die Doppelmoral dahinter
Heruntergebrochen besagt dieses Syndrom also, dass Frauen Männer nicht zurückweisen dürfen, denn das ist böse. Und die armen Männer haben dann keine andere Wahl, als ihren Rachefantasien nachzugehen. Kurz gesagt: Misogynistischer Blödsinn.
Es gibt etliche Studien, die zeigen, dass Frauen eher verzeihen und toleranter gegenüber dem männlichen Geschlecht sind, als dies umgekehrt der Fall ist. In meinen Augen liegt dies an der Programmierung der Gesellschaft. Die Gesellschaft redet Mädchen von klein auf ein, jegliches Fehlverhalten von Männern zu tolerieren, während Frau selbst perfekt sein muss. Wehe, wenn eine Frau es wagen sollte, irgendwelche Ansprüche zu stellen. Ein gutes Beispiel hierfür ist das von Männern heiß geliebte „Cool Girl“.
Wie viele frisch gebackene Väter findet man in irgendwelchen Internetforen, die Sachen posten wie: „Hilfe, meine Frau lässt sich gehen, seit der Geburt. Ich fühle mich nicht mehr von ihr angezogen!“ Aus welchem Grund auch immer ist dies in unserer Gesellschaft völlig akzeptabel und als Mann stößt man auf Verständnis – besser noch – Mitleid. „Er konnte nicht anders, als seine Frau zu betrügen, sie hat sich nach der Geburt fürchterlich gehen lassen.“ Auf der anderen Seite darf man als Frau keinen Mann aufgrund äußerlicher oder anderer Faktoren abweisen, außer natürlich man hat bereits einen Freund oder Mann, dann darf man „Nein“ sagen.
Der TikTok-Trend, den Billie Eilish ins Rollen brachte: wenn der „Kill The Cheerleader“-Mann zuschlägt
Ein Snippet aus einem Billie Eilish Interview wurde binnen kürzester Zeit zum TikTok-Trend. Im Video sagt sie folgendes: „You give an ugly guy a chance he thinks he rules the world. I swear to God. Because they got a hot girl they can be horrible? Like…you`re still ugly, tho…“ (dt.: „Du gibst einem hässlichen Typen eine Chance und er denkt, die ganze Welt dreht sich nur um ihn. Ich schwöre bei Gott. Nur weil sie ein heißes Mädchen haben, denken sie sie können schrecklich sein? Ich mein…du bist trotzdem hässlich…“)
Frauen auf ganz Tik Tok nutzten Billies Worte um ihre eigenen Erfahrungen zu dem Thema zu teilen. Andere User:innen zitierten Billie in Videos über Maddison Bear und Ex Zack Bia und gingen viral.
@izabellapecina
Nicht jeder Mann ist jederfraus Typ
Es ist eine Doppelmoral, die Frauen vorschreibt, jedem Mann, der auch nur ansatzweise nett zu ihnen ist, eine Chance zu geben. Dass Frauen unterschiedliche Geschmäcker haben können und nicht jeder Mann jederfrau Typ sein kann, ist inakzeptabel in unserer Gesellschaft. Schaut man sich die männliche Perspektive an, so kann ein Mann sehr wohl auf seine Vorlieben pochen. Niemand erwartet von einem Mann Faktoren, wie das Äußere seines Partners hintanzustellen.
Titelbild © Shutterstock
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