POWERED BY
Den Spieß umzudrehen schaffen nicht viele. Doch mit ihrer, aus Jux nach sich selbst benannten Methode schlägt die Psychologin und Bestseller-Autorin Patricia Cammarata eine längst überfällige Richtungsänderung vor. Und führt uns… mit Resignation zum Erfolg? Die CamPatri Methode. Ein noch unbekannter Begriff, der es vielleicht wie kein anderer nötig hat, zum Trend zu werden.
KonMari – die Geburtsstunde einer Legende
Gar nicht so lange her – noch kurz genug, um immer noch trendy zu sein –, da fing eine Frau an aufzuräumen. Wortwörtlich! Und wie sie dies tat. Und immer noch tut. Sie fing mit ihrer Wohnung an und drang schließlich in den Rest der ersten Welt damit vor. Plötzlich hieß es nur noch „Räumen Sie noch auf oder „konden“ Sie schon?“ Leute, die die Bücher dieser bemerkenswerten Frau nie gelesen haben, kennen sie vielleicht aus Netflix, wo sie seit 2019 mit ihrer Serie „Aufräumen mit Marie Kondō“ für Quoten sorgt. Und eine neue Ära beginnt.
Aufräumen ist plötzlich nicht mehr einfach nur aufräumen. Sondern wird systematisiert und strukturiert zur KonMari-Methode hochstilisiert. Benannt nach der Aufräum-Königin selbst: Marie Kondō. Und siehe da. Die Tätigkeit des Aufräumens wird plötzlich so gehypt, als hätte es das Aufräumen vorher nie gegeben.
aUnd wie wahr, das hat es vorher auch nicht. Zumindest nicht in dieser neuen Form. Denn plötzlich ist es kein Aufräumen mehr. Denn man räumt (nach KonMari) nicht mehr nur auf, um aufzuräumen, sondern man räumt – dank Marie Kondo – auf einmal auf, um sein Leben zu verändern. New Age trifft (endlich möchte man sagen!) auf die Banalität einer der banalsten Tätigkeiten des Menschseins und macht diese plötzlich… was? Hipp? Doch das wäre das Mindeste. Denn viele sprechen über KonMari sogar als Philosophie oder Revolution.
Mit Resignation zum Erfolg – mit der CamPatri-Methode Dinge nicht tun
Aufbauend auf dieser „Einräum-Philosophie“, schlägt Patricia Cammarata jedoch eine andere Richtung ein, indem sie Marie Kondōs Ansatz weiter entwickelt. Denn „so, wie sich die Menschen in der Serie an ihren Gegenständen festhalten, werdet ihr euch in der ersten Runde an euren To-dos festhalten.“, erklärt sie. Somit spannt sie hier den Bogen von den konkreten Dingen, die Kondō ausmistet, zu subjektiven Tätigkeiten. Denn auch bezüglich unserer To-dos appelliert die Psychologin an die Verwendung von Marie Kondōs Grundsatz: „Does it spark joy?“ Macht einem diese Tätigkeit Freude? Wenn nicht, ja dann einfach weg damit.
Eine etwas leichte Aufforderung. Denn im ersten Moment scheint dieser Ratschlag nur schwer umsetzbar zu sein. Vor allem in der Haushaltsführung, wo bestimmte Dinge bzw. Tätigkeiten einfach erledigt werden müssen. Doch Cammaratas Ratschlag erweist sich in Bezug auf Partnerschaften als durchaus hilfreich. Vor allem dann, wenn es dort eine ungerechte Verteilung der Pflichtaufgaben gibt.
Und genau darum geht es der Psychologin in ihrem Buch Raus aus der Mental Load Falle. Dass in Beziehungen manche am Ende immer die ganze Arbeit übernehmen und die anderen eben nicht. Dies hat jedoch oft nicht wirklich etwas mit bewussten Machtkämpfen zu tun. Sondern resultiert (und das ist der springende Punkt) hauptsächlich aus dem Wurstigkeitsgefühl der einen Partei und aus dem (oft zwanghaften) sich verantwortlich fühlen müssen der anderen.
Denn es verhält sich oft so, dass sich der oder die eine einfach mehr verantwortlich für etwas fühlt als der oder die andere. Und gerade dieses Empfinden der Verantwortlichkeit ist, laut Cammarata, der Sargnagel für unsere Seele. Und der Beginn von Überforderung, Gereiztheit, Ausgelaugtheit und schlussendlich auch Burn-Out.
I'm pretty sure MacGyver would make a rocket launcher out of that cardboard tube and then hunt down whoever left no toilet paper. pic.twitter.com/CoNj1f9c3q
— Luke Romyn (@LukeRomyn) May 23, 2018
Das Geheimnis der leeren Klorolle
Der profunde Ratschlag der Psychologin? Sich einfach nicht mehr verantwortlich fühlen. Denn „sofern man etwas an dem Verantwortungsgefüge ändern möchte, glaube ich wirklich, dass man aufhören muss, ALLES zu tun und sich IMMER verantwortlich zu fühlen. Bei der KonMari-Methode streicht ihr Dinge, weil man auf sie verzichten kann. Mit der CamPatri-Methode stellt ihr euch blind und taub und wartet ab, was passiert. Im Idealfall übernimmt sie irgendwann jemand anders.“, so Cammarata in ihrem Buch.
Wer diesem Gedankengang bis jetzt nicht genau folgen kann, der oder die erlangt vielleicht nach folgendem Beispiel aus Cammaratas Buch die ultimative Erkenntnis. Denn jede:r, der schon einmal mit Menschen zusammengelebt hat (und das hat fast ausschließlich jeder und jede von uns), dessen Charaktertypen-Kenntnis lässt sich grob auf zwei Menschenarten herunterbrechen. Ein Punkt, auf den auch Cammarata verweist. „Ich habe lange geglaubt, es gibt zwei Arten von Menschen: die, die ständig leere Klorollen gegen volle wechseln … und die, deren Klorollen immer voll sind.“
Und tatsächlich. Manche tun es die ganze Zeit (wie die Autorin selbst). „Ich mache es andauernd, zu Hause, im Büro, im Restaurant. Was ist da los? Wieso ist die Rolle immer bei mir leer?“. Eine geradezu lustige Anekdote, die mit ihrer Wahrheit jedoch einen allgemein verbreiteten Punkt trifft. Es gibt eben jene Menschen, die Verantwortung übernehmen und andere, die dies eben nicht tun. Das scheint eine geradezu tiefen-psychologisch-essenzielle Tatsache zu sein.
Der Aufstand der Klorollen
Doch, so versichert die Autorin, ist dies vielmehr eine bewusste Entscheidung, zu welcher Art Mensch man gehört, als eine vorgegebene Fähigkeit. Und wie schafft man es nun, sich weniger verantwortlich zu fühlen? Durch pure Ignoranz! Es gilt sein Leben zu ändern und anzufangen, die leere Klorolle eben nicht zu wechseln. Dafür muss man als passionierter Klorollen-Wechsler jedoch beharrlich bleiben. Denn die Verlockung, sich auch dafür verantwortlich zu fühlen, ist geradezu enorm.
Doch Tatsache ist, dass die Klorolle nicht immer nur zufällig bei euch leer ist. Sie ist bei der Person davor auch schon leer. Doch diese gibt die Verantwortung einfach weiter und ihr nehmt diese dann an. Doch „das macht ihr jetzt nicht mehr. Ihr gebt sie auch weiter. Aufstand der Klorollen! Und was ihr bei der Klorolle lernt, das wendet ihr auf andere Bereiche an.“, versichert die Autorin. Resignation trifft auf Erfolg.
Die Mental Load Falle – mit Resignation zum Erfolg
Wenn die Autorin Dinge nicht selbst erledigt hat, fühlte sie sich jedoch dennoch weiterhin für diese verantwortlich. „Wenn ich Sachen nicht selbst machte, fühlte ich mich immer noch für die Organisation und Delegation von Aufgaben verantwortlich. Ich ging auch ständig mit diesem „Scanblick“ durch die Wohnung.“
Doch gehören diese Automatismen der Verantwortlichkeit unbedingt abgeschüttelt. Man sollte demnach umlernen und vom nicht mehr verantwortlich handeln (bei den Klorollen) weitergehen und sich einfach nicht mehr verantwortlich dafür fühlen. Das Geheimnis dieses Ansatzes nennt sich auch resignative Reife und soll, die Autorin schwört darauf, für Entspannung sorgen.
Entspannung durch resignative Reife
Es ist klar, dass Cammarata uns hier auf eine Reise mitnimmt. Eine glücksversprechende Reise die in der Wurstigkeit der Welt gegenüber zu enden scheint. Resignative Reife nennt sich so etwas. Doch die Autorin konkretisiert. In ihrer Beziehung (mit Partnern und Kindern) hat sie gelernt zu resignieren.
Aber verhält es sich mit dieser Form der Resignation anders als mit dem bekannten Aufgeben (und sich die Kugel geben). Sie ist, meint sie, in dieser Form der Resignation nicht gescheitert. Sie ist vielmehr gelassener geworden. Daher denkt sie ihren Ansatz auch weiter und spricht von „Gesignation“. Eine Wortkreation, zusammengesetzt aus Gelassenheit und Resignation. Und gerade das scheint die Lösung für die Probleme all jener Menschen, die sich für alles verantwortlich fühlen und am Ende ihres Lebens genau daran scheitern werden.
Verantwortlichkeit als ideologisches Konstrukt
Verantwortlichkeit. Dieses große Wort schwappt uns überall entgegen. Wie eine monsunartige Welle. Doch wofür sind, vor allem die „kleinen Menschen“, mit ihrem Leben als Otto-Normal-Verbrauchende, denn schlussendlich wirklich verantwortlich und wofür können sie tatsächlich verantwortlich gemacht werden?
Denn die Moralkeule der oberen Mittelschicht ist groß. Und in ihrer ethischen Überlegenheit (rein bedingt von ihrem finanziellen Vorteil) schlagen sie wild damit um sich, wenn es um den Konsum bestimmter Güter und um eine korrekte Lebensweise geht (womit natürlich ausschließlich ihre eigene gemeint ist).
Mit Resignation zum Erfolg – Verantwortung abgeben!
So scheint in einer Welt, in der man für alles verantwortlich gemacht wird, für das Klima, den Weltfrieden, den Konsum und die Lage der Nation (der eigenen sowie derer in der dritten Welt) dieser Ansatz der resignativen Reife eine geradezu beschwingende Idee zu sein.
Denn sich verantwortlich zu fühlen und tatsächlich dafür verantwortlich zu sein, sind zwei verschiedene Dinge. Man sollte seine Möglichkeiten daher wirklich überdenken. Die Möglichkeiten die man hat, die Welt wirklich zu verändern. Und im Endeffekt sollte man Verantwortung wirklich nur für Dinge übernehmen, die man auch wirklich selbst verändern kann, und das ohne sich bis an den Rand der (moralischen, seelischen und finanziellen) Erschöpfung dafür verausgaben zu müssen.
Es ist daher wichtig, Verantwortung abzugeben und zwar an all jene, die die Macht und die Ressourcen haben, wirklich etwas zu verändern, und nicht bei denen bleiben, die in ihrer (u.a. finanziellen) Ohnmacht gefangen auch noch die Verantwortung für Dinge aufgebürdet bekommen, an denen sie nicht wirklich etwas ändern können.
Titelbild Credits: Shutterstock
DAS KÖNNTE SIE AUCH INTERESSIEREN
Queere Bundesheer-Lovestory "Eismayer": Hauptdarsteller im Gespräch
Der in Venedig preisgekrönte und in Österreich produzierte Film „Eismayer“ wurde am 23. und 24. Oktober 2022 bei der Viennale […]
Was ist ein White Knight: Emanzipierte Männer oder Heuchler?
Der weiße Ritter – oder um es im Fachjargon des Internets auszudrücken, der „white knight“ – gerät aktuell ganz schön […]
Familie, offene Beziehung und Sex: Was kann Katja Lewinas neues Buch "Ex"?
Die große Liebe. Der heilige Gral unserer Zeit. Angetrieben von konsumierten Liebesformaten aus Filmen, Serien, Büchern und Co ist jede*r auf der Suche nach the love of his or her life. Eine Liebe, die sich for ever and ever and ever zu halten vermag. Sich der Unmöglichkeit dieser Erfüllung bewusst, versuchen sich viele an alternativen Beziehungsmodellen. Auch Bestsellerautorin Katja Lewina, deren Werk und Leben sich in diesem Themenbereich bewegen, hat dazu etwas zu sagen und ein weiteres Buch geschrieben. Warum mensch Katja Lewinas Buch Ex unbedingt lesen sollte
Deutscher Kult-Comedian zerlegt HC Strache in Chez Krömer-Show
Radikal-Talker Kurt Krömer hat „Tiefpunkt“-König HC Strache in seine Show geladen und zieht ihn dort erbarmungslos durch den Kakao. Oder wie Krömer vermutlich sagen würde, durch „braune Nazi Kacke“.
Unbeschwerter Fahrspaß mit E-Bikes
E-Bikes eignen sich für Strecken in der Natur, aber auch für den Alltag in der Stadt. Darüber hinaus sind sie eine gute, nachhaltige Alternative.
Alles machbar mit Obi: auch beim Masters of Dirt
Zum 20-jährigen Jubiläum des Masters of Dirt, ließen sich die Veranstaltenden etwas ganz Besonderes einfallen. Wir waren da.