Wenn ein Sender namens TLC – The Learning Channel – eine Reality TV Show namens #“In 90 Tagen zum Altar“ #produziert, in der es um Aufenthaltsvisa und vermeintliche Liebe geht, fragen wir uns natürlich, was wir daraus lernen sollen. Hier geben wir euch Einblicke in eine Show, die man gesehen haben sollte, aber sich danach trotzdem fragt, warum man sie sich angesehen hat. Also, was lernen wir daraus?
Stell dir vor, du lebst im Land der unbegrenzten Möglichkeiten. Dort leben dir viel zu wenige Menschen (nur lächerliche 328 Millionen) und du beginnst deine Liebe im Internet – in einem weit entfernten, wirtschaftlich eher prekären Land – zu suchen. Du findest deine GREAT LOVE dort, wo die Kultur deiner eignen nicht fremder sein könnte, und sich die Amtssprache anhört, wie deine eigene nach dem 11ten Bud.
Die Bräuche lauten dort unter anderem „Schwiegersohn wegwerfen“ – Alter? Könnte prinzipiell dein Kind sein. Kohle? Fehlanzeige. Zukunftsaussichten? Desaströs. Klingt vielversprechend! Und dann hast du exakt 90 Tage Zeit, um unter die Haube zu kommen, damit deine orientalische Prinzessin oder dein orientalischer Prinz legal in den Staaten leben und dich endlich bedingungslos ausbeuten – ups Pardon – bedingungslos lieben kann.
When all you wanted to do was human traffic a young girl, but you end up sleeping on the ground. #90dayfiance pic.twitter.com/GT4uOCzsfN
— Miss TV Fan (@FBLayla11) April 13, 2020
Wahrscheinlich denkst du dir gerade, Filmregisseur Guy Ritchie durchlebt derzeit eine Midlife-Crisis der besonders üblen Art und das ist der Teaser zur gefühlt 37sten Neuverfilmung des Walt Disney Klassikers „Aladdin“. Aber nein. Guy Ritchie geht es blendend. Und das hier ist die ridiküle Realität.
Wir reden hier wirklich von der amerikanischen Reality-TV-Serie „90 Day Fiancé“ oder auf Deutsch „In 90 Tagen zum Altar“, welche das erste Mal am 12. Jänner 2014 auf dem amerikanischen TV-Sender TLC ausgestrahlt wurde und mittlerweile stolze 7 Staffeln zählt. 7 Staffeln mit 41 Menschen, welche nahezu punktgenau das oben beschriebene Szenario durchlaufen sind, und ihren 41 Seelenverwandten, die sich an der Naivität ihrer amerikanischen Visumbeschaffer erfreut haben.
<FREAKOUT IINTENSIFIES> #90DayFiance pic.twitter.com/B03LphiQHf
— 90DayFiance (@90DayFiance) April 13, 2020
DIE „LIEBE“ WÄHRT, SOLANGE DAS VISUM ES MÖGLICH MACHT
Damit diese total romantischen Lovestorys überhaupt eine Chance haben, muss ein sogenanntes K1-Verlobtenvisum der Vereinigten Staaten beantragt werden. Dieses besagt, dass Menschen aus anderen Ländern sich nur dann legal in den USA aufhalten dürfen, wenn sie eine Beziehung zu einer US-Bürgerin oder einem US-Bürger nachweisen können. Bei Antragsstellung müssen dann bereits Dokumente unterzeichnet werden, die klar deklarieren, dass es innerhalb von drei Monaten zu einer Eheschließung kommen muss. Sollte dies nicht geschehen, heißt es Winke Winke und Good Bye amerikanischer Traum.
Besser wär’s. Denn wenn man den Protagonisten dabei zusieht, wie sie ohne nachzudenken erst einmal Tausende von Dollar an eine nahezu völlig fremde Person überweisen – wohl bemerkt, dass sie meist selbst monetär lädiert sind – tatsächlich glauben, ihr Schnuckelputz liebe sie für das, was sie sind und dann auch noch unbeeindruckt meinen „so macht man das halt, wenn man verliebt ist“, bringt einen dazu, seine Stirn mit der Tischkante bekannt machen zu wollen – und das am liebsten gleich mehrfach.
Sieh dir diesen Beitrag auf Instagram an
Ihre exotische Perle dann sicher und geborgen in ihren Armen wissend, planen die schockverliebten Amis bereits tatkräftig die Hochzeit und machen sich über die hier und da getätigte Aussage ihrer Liebsten mal lieber keinen allzu großen Kopf. Es muss die wahre Liebe sein, davon sind sie felsenfest überzeugt – die hat nämlich schon viel zu viel gekostet, dafür, dass es dann doch nicht klappt.
„ICH LIEBE IHN! ZU UNGEFÄHR 90 PROZENT.“
Annie, 24, aus Buen Kann, Thailand, machte ihrem David, 48, aus Louisville, Kentucky, im Interview einst ein bezauberndes Liebesgeständnis: „Ich liebe ihn. Zwar nicht hundertprozentig, aber ungefähr zu 90 Prozent, denke ich! Er ist nicht besonders hübsch, aber ich mag ihn irgendwie“, schwärmt die 24-Jährige.
Sieh dir diesen Beitrag auf Instagram an
Die 22-jährige Nicole aus Florida liebt den 24-jährigen Azan aus Marokko. Hier stimmt zumindest das Alter so ziemlich überein, aber ein anderer Punkt passt Azan so gar nicht: Nicole ist dem Marokkaner zu beleibt. Daher wiederholt er den Satz „Ich will, dass meine Frau mit mir ins Gym geht und gesund lebt!“ nahezu so oft, dass man annimmt, sein Plattenspieler da oben wäre hängen geblieben. Auf die Frage seiner amerikanischen Verlobten: „Fühlst du dich zu mir hingezogen, egal wie ich aussehe?“, antwortet Azan prompt „Ja, natürlich!“. Einen Satz zuvor beteuert er „Ich fühle mich körperlich zu Nicole hingezogen, aber eigentlich nur zu 55 Prozent“ – zwischenzeitlich fragt man sich, ob die Holden der US-BürgerInnen nicht besser hätten MathematikerInnen werden sollen, so gerne wie sie Prozentrechnen.
Ein Paradebeispiel sind auch die zwei Turteltäubchen Anfisa, 20 aus Moskau, Russland und der 27-jährige Jorge aus Riverside, Kalifornien. Sie haben sich, wie die meisten der Paare, online kennengelernt und sind schwer ineinander verliebt. Zumindest so lange, bis Jorge sich weigert, Anfisa eine – eh schon herabgesetzte – 10.000 Dollar Handtasche zu kaufen. Ja und das leicht erschwingliche Designer-Hochzeitskleid um 45.000 Dollar gönnt er ihr auch nicht – pf.
Wem sie das nicht wert ist, der hat auch sie nicht verdient, konstatiert Anfisa des Öfteren. Verständlich, oder? Also muss Jorge härtere Geschütze auffahren, um genügend Geld für seine 20-jährige russische Modelfreundin aufzutreiben. Leider geht diese Aktion gehörig schief, Jorge landet für 2.5 Jahre im Gefängnis und Anfisa datet jetzt einen neuen Typen. Tja, vielleicht sollte man sich edlere Methoden dafür aussuchen, als einen rund 133 kg schweren, illegalen Marihuanatransport durchzuführen. Mit Cannabidiol hätt’s vielleicht besser geklappt, denn das ist auch in den USA völlig legal, Jorge.
ALTER SCHÜTZT VOR TORHEIT NICHT
Niemand sagt etwas gegen Online-Dating, geschweige denn gegen die Tatsache, sich in jemanden verliebt zu haben, der in einem anderen Land lebt. Das ist selbstverständlich legitim. Aber diese Reality-TV-Serie berichtet nicht von Paaren, die über Jahre hinweg eine Fernbeziehung führen und in der dreimonatigen Frist lediglich den organisatorisch Teil der Hochzeit hinter sich bringen müssen, sondern von jenen, die sich online kennenlernen, sich nach gefühlten zwei Stunden chattend ihre innige, immerwährende Liebe gestehen und sich dann so schnell einen Ring an den Finger stecken, dass man glaubt, sie hätten Angst davor, dass sich die Ringe selbstständig machen und ihnen davon laufen könnten.
Und was das ganze besonders haarsträubend hirnrissig macht, ist die bahnbrechende Blödheit, mit der die amerikanischen Protagonisten jedes einzelne, noch so offensichtlich vorgelogene Wort für bare Münze nehmen und jeder Hinweis, bei dem laut schrillend die Alarmglocken läuten und die eigene Vernunft lauthals ruft: „HALLO? BIST DU NOCH GANZ DICHT?“, gekonnt ignoriert wird.
Eigentlich möchte man meinen, ab einem gewissen Alter hat man den Dreh fürs Leben und seine Tücken raus und die kindliche Naivität kann einem somit nichts mehr anhaben. TLC bedeutet „The Learning Channel“. Also was lernen wir aus der Geschicht’? Alter schützt vor Torheit nicht.
Titelbild Credits: Shutterstock
DAS KÖNNTE SIE AUCH INTERESSIEREN
Wohnung günstig einrichten für Studierende: 4 heiße Tipps
Umziehen ist teuer. Maklerprovision, Kaution, etwaige Renovierungen, neue Elektrogeräte – da bleibt einfach nicht viel Geld für Möbel und Deko […]
Die 5 Festivaltypen beim Sziget Festival
Das jährlich in Budapest stattfindende Festvial Sziget ist mittlerweile schon zu einem der bekanntesten und beliebtesten Festivals Europas geworden. WARDA war für euch vor Ort, hat das Publikum des Festivals genauer unter die Lupe genommen und 5 Festivaltypen herausgefiltert.
Känguru-Haustier prügelt Besitzer tot
Ein 77-jähriger Australier aus Redmond ist von „seinem“ Känguru angegriffen und Tod geprügelt worden.
Neue Plattform MALOUM: Fetisch, Kink und die Welt der sexuellen Freiheit
MALOUM ist eine neue Adult-Content-Plattform, die den Fokus darauf legen will, die eigenen sexuellen Vorlieben zu erkunden und gemeinsam zu erleben.
Reddit User stellen sich gegen QAnon-Propaganda
Reddit ist schon lange dafür bekannt, mit seinen Foren und Threads öffentlich immer wieder aufzufallen, wie kürzlich auch erst durch […]
Spiritueller Narzissmus: Wenn Yoga, Meditation und Co nur das Ego fördern
Jede:r strebt in einer gewissen Form nach gesellschaftlicher oder sozialer Anerkennung. Das Ego füttern zu wollen, resultiert aus unserer zunehmend […]