In einer Beziehung zu sein, bedeutet für mich verantwortungsvoll zu sein, mitfühlend und kompromissbereit. Ich habe gelernt, mit dem Menschen, den ich liebe, alles zu teilen. Meine Vergangenheit, meine dunkelsten Gedanken, meinen Alltag – und fremde Menschen, mit denen wir uns gemeinsam verabreden.
Als ich mit meinen Freund zusammen gekommen bin, war uns beiden bewusst, dass wir keine monogame Beziehung führen wollen. Die Umstände, in denen wir waren, haben uns auf den Gedanken gebracht, dass wir ein offenes, freies Beisammensein bevorzugen. Er lebte damals in einer anderen Stadt, wir waren beide abends viel unterwegs und wollten das Single- Leben, das wir eigentlich kannten, irgendwie nicht aufgeben.
Also entschieden wir uns zu diesem Zeitpunkt dafür, mit anderen Menschen – getrennt voneinander – schlafen zu können. Daraufhin folgten Monate, in denen es zwar oft gut funktioniert hat, aber es Momente gab, in denen uns bewusst wurde, dass es vielleicht doch nicht so einfach ist, wie wir uns das vorgestellt hatten. Ich war es leid, ihn anzurufen und davon zu erzählen, dass ich am Vorabend jemand neues kennengelernt habe, noch hatte ich weiterhin Lust darauf, es von ihm zu hören. Es war eine komische Zeit, in der wir nicht genau wussten, wie wir unsere Bedürfnisse mit unseren Gefühlen vereinbaren sollen.
Nachdem wir uns eingestehen konnten, dass die offene Beziehung, wie wir sie geführt haben, langfristig nicht funktionieren würde, versuchten wir es monogam. Aber mir wurde schnell klar, dass etwas fehlt. Ich will einfach bis heute nicht verstehen, warum ich – nur weil ich jemanden liebe – auf all die Dinge, die man als Single erlebt, verzichten muss. Mein Freund war der selben Meinung, also kamen wir auf eine neue Idee.
Was passiert vor den Dates?
Unsere Überlegung war die, dass wir gemeinsam, als Paar, andere Leute treffen. Dass wir auf Dates gehen, nur statt einer gemütlichen Zweisamkeit, wären es drei Menschen, die gemeinsam Wein trinken. Ich hatte das Gefühl, dass wir einander so nahe sein konnten, auch wenn noch ein anderer Mensch im Spiel ist. Und es ist aufregend – eben genau das, was wir über lange Zeit gesucht haben. Ich hatte das erste Mal das Gefühl, dass ich glücklich in meiner Beziehung alles ausleben kann, was ich möchte. Ohne, dass ein unguter Beigeschmack auftritt. Und wir haben nicht viel darüber gesprochen, weil wir beide davon überzeugt waren, dass wir das möchten.
Also haben wir uns bei Dating-Apps angemeldet und sind in deutsche Clubs gegangen, die für ihre sexuelle Offenheit bekannt sind. Ich habe schnell verstanden, dass es nicht schwierig ist, Leute kennen zu lernen, aber dass es Zeit braucht, bis jemand dabei ist, der auch genau das möchte, was wir suchen. Denn bevor es überhaupt zu einem Date gekommen ist, haben wir Frauen in Clubs kennengelernt, mit denen wir Stunden verbracht haben. Wir haben miteinander gesprochen, gelacht und geschmust. Ich schreibe immer noch mit wirklich tollen Frauen, die zwar alle für unverbindlichen Spaß zu haben waren, der aber nach einer Nacht aufzuhören scheint. Das war eine Erkenntnis, die nicht immer und zwingend so sein muss, die uns aber gezeigt hat, dass es auf Dating-Apps relativ schneller und einfacher zu einer Verabredung kommt.
Screenshot von der Autorin
Also haben wir einfach begonnen, Leute anzuschreiben. Mal direkt, mal haben wir einfach gefragt, was sich bei dem Gegenüber so tut. Wir haben nicht wirklich irgendeinen Plan verfolgt, noch haben wir genau gewusst, was wir tun. Ich glaube, wir haben es einfach auf uns zukommen lassen und das war das Beste, was wir hätten tun können. Immerhin war es dann doch einfacher, sich zu verabreden, als wir es anfangs gedacht haben.
So ist es, zu dritt auf einem Date
Das erste Mal, als wir eine Frau getroffen haben, ging relativ schnell. Sie war sehr direkt, das mochte ich. Also haben wir uns in einer Bar, die sie vorgeschlagen hatte, verabredet. Als wir hinfuhren, waren wir beide angenehm nervös – wie das halt so ist, wenn man auf dem Weg zu einem Date ist. Als ich Single war, bin ich gerne auf Verabredungen gegangen. Ich fand es immer irgendwie spannend mit Menschen stundenlang zu plaudern, die man interessant findet. Nicht zu wissen, was der Abend noch so bringt. Mein Freund hingegen ging nie wirklich gerne auf Dates, er meint heute, dass es damals Interessanteres gab.
Als wir in der Bar angekommen waren, war sie schon da. Sie winkte uns, wir umarmten sie als wir bei ihrem Tisch angekommen waren. Sie war genauso, wie ich dachte, dass sie sein würde. Offen, direkt und sympathisch. Ich mochte sie von Anfang an. Wir hatten gleich einen Draht zueinander, der verhinderte, dass unser Gespräch unangenehm werden könnte. Wir hatten immer etwas zu reden, wir haben viel gelacht und das Date hat sich nicht anders angefühlt als früher.
Während des Treffens hatte ich nie das Gefühl, dass wir uns gerade in einer ersten Date-Situation befinden, es war eher ein Gespräch mit einem Menschen, den mein Freund und ich spannend fanden. Es war etwas, das wir beide geteilt haben und das ist schön. Ein Erlebnis, das wir gemeinsam haben, das wir miteinander teilen, weil wir beide dabei waren. Ich mag es, dass wir die selbe Person schön finden können, und das aussprechen dürfen. Dass wir verstehen, dass es nichts mit dem Partner zu tun hat, sondern dass es menschlich ist, dass man noch an anderen Leuten interessiert ist. Und das erste Treffen hat mir gezeigt, dass wir es auch ausleben können.
Wenn man einander liebt, dann ändern Dates daran nichts
Als ich begonnen habe, mit meinem Freund andere Menschen zu daten, haben mich viele gefragt, ob ich eifersüchtig bin. Und, welche Emotionen es in mir auslöst, wenn er vor mir mit anderen flirten. Und ich verstehe diese Frage, aber ich glaube, dass die Vorstellung von solchen Situationen oft eine andere ist, als es tatsächlich passiert. Früher, als ich noch nicht in dieser Beziehungsform gelebt habe, habe ich auch so gedacht. Dass es vielleicht keine Liebe ist, wenn man andere Menschen braucht. Aber es geht nicht darum, dass er oder ich es brauchen, sondern darum, dass es uns glücklich macht. Und wenn wir gemeinsam auf einem Date sind, wir die dritte Person beide spannend finden, aber unter dem Tisch trotzdem uns an den Händen halten, wie wir es sonst auch tun würden, dann hat das nichts mit Eifersucht zu tun – ganz im Gegenteil.
Titelbild Credits: Shuttertstock
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