Wissenschaftler haben Besorgniserregendes herausgefunden: Vor 2000 Jahren verfügten die Menschen über viel mehr Mikrobiome als heute. Heißt: eine andere Darmflora. Ist das der Grund, warum wir heute vermehrt krank werden? Und was sind die Gründe für diese dramatische Veränderung?
Der Darm
Der Darm. Bei erwachsenen Menschen etwa 5½ bis 7½ Meter lang. Weiteres besitzt er wegen der feinen Darmzotten eine Oberfläche von etwa 32 m². Enorm. Der Darm ist daher ein wichtiges Element unseres Körpers. Vor allem unsere Darmflora – die Mikroorganismen, die unseren Darm besiedeln – spielt in unserem Leben eine entscheidende Rolle. Wenn diese nicht mehr funktioniert, sind Krankheiten vorprogrammiert. Doch dass dem leider so ist, genau das haben Wissenschaftler:innen nun herausgefunden.
Kot von gestern…
Wenn der Darm also wichtig ist, vor allem die Darmflora, dann ist es auch wichtig, einen genaueren Blick darauf zu werfen, was dieser so ausscheidet. Fäkalien sind zwar etwas, womit man sich nicht allzu gerne beschäftigt, doch vielleicht sollte man anfangen die öfter zu tun. Genau das haben Justin Sonnenburg von der Stanford University und sein Team gemacht. Allerdings leicht zeitversetzt. Die Wissenschaftler haben nämlich 1000 bis 2000 Jahre alte menschliche Ausscheidungsprodukte aus dem Südwesten der USA und aus Mexiko untersucht.
Wie ist das möglich? Sidefact: Auch menschlicher und tierischer Kot kann versteinern. Doch den Forschenden ging es nicht um den Kot per se. Sie „gruben etwas tiefer“. Denn bei ihren Untersuchungen interessierte sich das Stanford-Poo-Team hauptsächlich für das Vorkommen von Mikrobiomen, welches sich in den fossilen Ko(s)tproben (sorry! bad joke des Jahres!) noch analysieren ließ.
Darmflora damals und heute
Die Darmflora, welche sich in den Kotproben nachweisen ließ, verglichen die Forschenden daraufhin mit jener von Menschen des 21. Jahrhunderts. Einerseits mit Menschen, die ein sehr ursprüngliches Leben als „Jäger und Sammler“ führen und andererseits mit Menschen, die eher in industrialisierten Gesellschaften leben.
Das Ergebnis ist erschütternd: Allein schon der Vergleich zwischen den Kotproben von Menschen aus der heutigen Zeit, die sich eher ursprünglich und pflanzenbasiert ernährten, und derer, die vor allem industriell verarbeitete Lebensmittel zu sich nehmen, zeigt gravierende Unterschiede. So weisen die „Jäger und Sammler“ (des 21. Jahrhunderts wohlgemerkt!) ein deutlich vielfältigeres Mikrobiom auf als Städter:innen in Industriestaaten.
Fossiler shit, rehydrated
Bezüglich der Abweichungen zwischen dem Steinzeitkot und dem modernen Kot ergaben sich jedoch noch einmal um einiges drastischere Unterschiede, als zwischen den Proben der „Jäger und Sammler“ und Städer:innen des 21. Jahrhunderts. Um diese beängstigenden Abgrenzungen in Erfahrung zu bringen, hat Meradeth Snow von der University of Montana winzige Stücke des fossilen Kots, in Fachkreisen auch Koprolithen genannt, rehydriert. Dadurch werden Bakterienspuren besser sichtbar. Aus den Proben konnte das Team dann in etwa 500 Mikrobengenome rekonstruieren.
Das Ergebnis dieser Studie: Das Forscher:innen-Team fand heraus, dass das fossile Mikrobiom noch eher jenem heutigen „Jäger und Sammler“-Typus gleicht, jedoch ebenfalls 61 Genome enthält, die bis dahin wissenschaftlich völlig unbekannt waren. Fazit: Knapp 40 % der damaligen Darmflora findet sich in modernen Kotproben überhaupt nicht mehr wieder.
Großteil unserer Darmflora ist verloren
Anhand des Steinzeitkots wird auch ersichtlich, dass sich in unserem Darm über die Zeit so einiges ereignet hat. So wiesen die Wissenschaftler:innen zum Beispiel nach, dass kaum Gene, die mit Antibiotikaresistenzen zusammenhängen, aber auch kaum Gene für die Produktion bestimmter Proteine, die Glykane abbauen, in den fossilen Kotproben gefunden werden konnten.
Aufgrund dieser Forschungen und der hohen Zahl an bislang unentdeckten Darmbakterien gehen die Wissenschaftler:innen davon aus, dass wir bereits einen großen Teil unseres Mikrobioms verloren haben. Weiteres Problem dabei ist, dass sich unsere Körper in dieser kurzen Zeit daran noch nicht anpassen konnten. Dieser Umstand könnte die zunehmende Zahl an Autoimmunkrankheiten im Darm erklären.
Von Mäusen und Menschen
Eine weitere Studie mit Mäusen legt nahe, dass vor allem unsere Ernährung mit dem Massensterben im Darm zusammenhängen könnte. Die Forscher:innen verglichen zwei Gruppen von Mäusen, denen sie eine menschliche Darmflora eingepflanzt hatten. Nach ein paar Wochen erhielten die Mäuse Futter mit vielen Ballaststoffen. Anschließend wurde eine Gruppe der Mäuse für sieben Wochen auf ballaststoffarmes Futter (ähnlich der „westlichen Ernährung“) umgestellt.
Ergebnis: In 60 % der Bakteriengruppen schrumpfte die Zahl der Bakterien auf ein Viertel ihrer ursprünglichen Zahl. Nach einer Umstellung auf ballaststoffreiches Futter konnten sich einige davon wieder erholen. Interessant war jedoch, dass sich das Verhalten hinsichtlich mehrerer Mausgenerationen veränderte. So waren mehr als die Hälfte der Bakteriengruppen (141 von 208) in der vierten Generation mit ballaststoffarmer Ernährung verschwunden. Vor allem jene Arten, die auf den Abbau von Ballaststoffen spezialisiert waren, sind einfach ausgestorben. Warum? Wegen zu wenig Nahrung, so die Forschenden.
Leiden wir an chronischem Nahrungsmangel?
Unser Essverhalten beeinflusst, welche Bakterien in unserem Darm leben und welche nicht. Ein Blick auf die Essgewohnheiten der westlichen Welt lässt einen zum Schluss kommen, dass unsere Durchschnittsernährung bei weitem nicht so ausgewogen und gesund ist wie noch vor 2000 Jahren.
Was durchaus verwundert, wenn man an die technischen Möglichkeiten und das wissenschaftliche Knowhow denkt, mit dem wir heute ausgestattet sind. Dieses Fazit macht jedoch leider auch Sinn. Denn unsere Ernährung besteht heutzutage leider zum Hauptteil aus Fett, Zucker und Kohlenhydraten und ist arm an Ballaststoffen. Dies führt letztlich auch zum Massensterben in unserem Darm. Statt bakterieller Vielfallt herrscht dort nur noch… the same shit, wenn man das so sagen darf.
WARDA-Advice – 5 Tipps für einen gesunden Darm
Um eure Darmflora steht es also schlecht bestellt. Damit ihr jetzt nicht vollkommen die Hoffnung verliert, hier abschließend unsere fünf Tipps für euch:
- Achtet auf eine gesunde und ausgewogene Ernährung
Heißt: ballaststoffreiche Ernährung, frisches Gemüse, Vollkornprodukte, Hülsenfrüchte, gesäuerte Milchprodukte, ausreichend Flüssigkeit, gründliches und langes Kauen! - Versucht Stress zu vermeiden – we are serious!
Der Darm ist extrem stressempfindlich. Zu viel Stress und Aufregung führt zu Durchfall oder Bauchschmerzen. Versucht daher jede Form von Druck zu vermeiden und nehmt euch vor allem genügend Zeit, um zu essen (wie schon gesagt: langes und gründliches Kauen). - Toiletten-Routine
Euer Körper weiß, wann es an der Zeit ist, loszulassen. Also ist es kontraproduktiv, wenn ihr euch das auf die Toilette Gehen verkneift. Das ist nicht nur unangenehm, es kann auch zu Verstopfungen und schwerwiegenden Bauchschmerzen führen. - move it! move it!
Vor allem diejenigen unter euch, die schon unter Verdauungsproblemen und Blähbauch leiden, sollten wissen, dass regelmäßige Bewegen wichtig ist, um die Durchblutung im Darm anzuregen und dessen Muskulatur zu stärken. Heißt: Mindestens ein täglicher Spaziergang für eine halbe Stunde muss drin sein. Mindestens bedeutet, dass mehr auch erlaubt ist, weniger aber zu wenig ist! - Versucht auf Fleisch zu verzichten
Tierische Produkte (vor allem Fleisch) sind sehr arm an Ballaststoffen. Daher solttet ihr diese auch vermeiden. Aber nicht nur, um eure Darmflora zu stärken, sondern vielleicht auch, um der Umwelt etwas gutes zu tun. Fleisch ist nämlich ein Klima-Killer.
Titelbild Credits: Shutterstock
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