Seit November 2024 ist Wien nicht mehr die unfreundlichste Stadt der Welt. Diese „Ehre“ gebührt nun Berlin und München – Gratulation an unsere deutschen Nachbarn! Doch keine Sorge, der Wiener Grant bleibt uns erhalten. Er hat sich längst als kulturelles Phänomen etabliert und könnte theoretisch als immaterielles UNESCO-Weltkulturerbe durchgehen. Doch mal ehrlich: Muss das wirklich sein?
Der Grant ist tief in der Wiener Seele verwurzelt. Eine Mischung aus Charme, Sarkasmus und unterschwelliger Wut, die sich vor allem an der Kaffeehauskultur, dem Wetter oder der Politik entzündet. „Nix geht weiter“, „Des is hoid so“, oder „Geh bitte!“ sind geflügelte Worte, die in keiner Unterhaltung fehlen dürfen. Während Tourist:innen diesen grantelnden Charme entweder amüsant oder abschreckend finden, sehen viele Wiener:innen den Dauerzustand des Missmuts als unverzichtbaren Teil ihrer Identität. Doch wie viel von dieser Unfreundlichkeit ist Kult und wie viel davon einfach schlechte Laune?
Random Acts of Kindness Day – Freundlichkeit als Trend?
Am 17. Februar wird weltweit der „Random Acts of Kindness Day“ gefeiert – der Tag der spontanen Nettigkeiten. Eine Bewegung, die aus den USA kommt und dazu ermutigt, ohne Grund einfach nett zu sein. Der Tag wurde 1995 von der „Random Acts of Kindness Foundation“ ins Leben gerufen, einer Non-Profit-Organisation mit Sitz in Denver, Colorado. Ziel ist es, durch kleine Gesten des Wohlwollens – sei es, jemandem den Kaffee zu zahlen, einer fremden Person die Tür aufzuhalten oder ein aufmunterndes Post-it am Arbeitsplatz zu hinterlassen – das Miteinander freundlicher zu gestalten.
Besonders in sozialen Medien erfreut sich der Hashtag #RandomActsofKindness großer Beliebtheit. Videos von Menschen, die kleine Gesten der Freundlichkeit verbreiten, gehen viral. Doch ist das nur eine Modeerscheinung oder steckt mehr dahinter? Studien zeigen, dass freundliches Verhalten das Stresslevel senkt und das allgemeine Wohlbefinden steigern kann. Also vielleicht auch eine Lösung für den Grant?
Wien – einst unfreundlichste Stadt der Welt
Nun zu Wien: Die Stadt galt lange als Bastion der Unfreundlichkeit. Im „Expat City Ranking 2022“ wurde Wien von internationalen Beschäftigten zur unfreundlichsten Stadt der Welt gewählt. Besonders Expats taten sich schwer, hier Freundschaften zu schließen oder sich willkommen zu fühlen. 43 Prozent der Befragten beschrieben die Wiener Bevölkerung als unfreundlich, 46 Prozent fanden, dass sich die Unfreundlichkeit speziell gegenüber der ausländischen Bevölkerung zeigt. Doch 2024 gab es eine Überraschung: Wien hat sich verbessert! Laut der aktuellen Umfrage liegt die Stadt nicht mehr auf dem letzten Platz, sondern nur noch im hinteren Mittelfeld. Noch unfreundlicher gelten nun Berlin und München.
Doch woran liegt das? Gibt es eine Bewusstseinsänderung oder einfach nur eine schlechtere Stimmung in deutschen Städten? Fakt ist: Wien bleibt ein Ort mit hoher Lebensqualität, aber seine Menschen sind nicht unbedingt bekannt für überschwängliche Freundlichkeit. Immerhin, ein Fortschritt ist gemacht.
Wiener Grant – Nostalgie oder Ausrede?
Die Wiener Alltagspoeten haben längst erkannt, dass Grant nicht nur eine Lebenseinstellung, sondern auch ein Geschäftsmodell ist. Ihre Sammlung an authentischen Wiener Schimpftiraden und skurrilen Dialogen zeigt, dass die Stadt zwar herzlich unfreundlich ist, aber eben auch einzigartig charmant. Doch ob dieser Charme reicht, um das Leben in Wien freundlicher zu gestalten, bleibt fraglich. Vielleicht ist es an der Zeit, den Grant zumindest ab und zu gegen ein Lächeln einzutauschen.
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Ein Blick in die Geschichte zeigt: Der Wiener Grant hat Tradition. Schon vor Jahrhunderten beklagte sich der Wiener über die Umstände – ob in der Monarchie, in der Nachkriegszeit oder in der heutigen Bürokratie. Während andere Städte sich den Optimismus auf die Fahnen schreiben, bleibt Wien seinem kollektiven Sudern treu. Doch darf Grant auch eine Ausrede sein? Eine Entschuldigung, um unfreundlich zu sein, oder ist er schlicht eine Art Humor, die Außenstehende oft missverstehen?
Ein bisserl Freundlichkeit tut nicht weh
In Zeiten wie diesen, in denen eh schon alles anstrengend ist, könnte ein kleines bisschen mehr Freundlichkeit nicht schaden. Ja, Grant ist Kult, aber ein Lächeln oder eine nette Geste tun keinem weh – nicht einmal in Wien. Vielleicht also mal ausprobieren: Statt „Geh scheißn!“ einfach ein freundliches „Passt schon!“ oder statt genervtem Augenrollen ein ehrliches „Danke!“. Wer weiß, vielleicht landet die Stadt dann irgendwann nicht nur in den Top 10 der lebenswertesten, sondern auch der freundlichsten Städte der Welt.
Titelbild © Shutterstock
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