Hieß es Anfang des Jahres 2000 noch so charmant einfach nur „It wasn‘t me“, wenn man beim Seitensprung erwischt wurde, so ist auch dieses Kulturgut dem Wandel unterworfen. Denn Fremdgehen scheint in den Genen zu liegen. In Zukunft kann man dann wohl „Blame it on my genes“ sagen. Wenn man seinen Seitensprung überhaupt noch kommentieren wird müssen.
Rammeln wie die Wühlmäuse – ein Hormon verändert vieles
Präriewühlmäuse sind monogam. Ihre nahen Verwandten, die Gebirgswühlmäuse, sind es jedoch nicht. Letztere neigen dazu, sich durch alle möglichen „Betten“ zu wühlen. Auch wenn der Unterschied zwischen diesen beiden Arten diesbezüglich recht gravierend erscheint, so trennt sie beide im Grunde nur eine Kleinigkeit. Wenn man lediglich ein oder zwei Hormonrezeptoren verändert, können die sexuellen Neigungen dieser so differenten Wühlmäusearten praktisch neu programmiert werden.
Dazu reicht es aus, wenn bei der Ersten die Vasopressin-Hormonrezeptoren blockiert werden. Dann verwandeln sich die treuen Präriewühlmäuse in betrügende „Mistkerle“. Wenn man jedoch umgekehrt das Vasopressin-Hormon im Blutkreislauf der Gebirgswühlmäuse frei fließen lässt, verwandeln sich die sexuell befreiten Nager in monogame Familientiere.
Das Untreue-Gen – der biologische Beweis, dass Fremdgehen in den Genen liegt?
Die Ableitung bzw. der nächste Gedankenschritt dieser Wühlmaus-Erkenntnis ist klar. Soziales und sexuelles Verhalten liegen in unseren Genen begründet. Doch gibt es wirklich ein Gen, das für Promiskuität verantwortlich ist? Und wenn ja, entschuldigt dies dann auch ein treuloses Verhalten?
Dr. Richard Friedman, Professor für klinische Psychiatrie am Weill Cornell Medical College, war der Erste, der diese mögliche Existenz eines solchen Gens in den Raum gestellt hat.
„Wir sind es gewohnt, sexuelle Untreue als Symptom einer unglücklichen Beziehung, eines moralischen Fehlers oder als Zeichen einer Verschlechterung der sozialen Werte zu betrachten. Als ich als Psychiater ausgebildet wurde, wurde uns gesagt, wir sollten nach verschiedenen emotionalen und Entwicklungs-faktoren suchen – wie einer Geschichte instabiler Beziehungen oder eine notorischen Untreue bei einem Elternteil -, um Untreue zu erklären.Doch während meiner Karriere erwiesen sich viele der Fragen, die wir den Patienten stellten, als unzureichend, da sich bei so vielen Verhalten herausstellt, dass Gene, Genexpression und Hormone eine große Rolle spielen.Nun scheint dies sogar für Untreue der Fall zu sein.“, so Friedman 2015 in der New York Times.
Vasopressin – Ursache der Treulosigkeit?
Bereits seit längerem ist bekannt, dass Männer einen genetischen und evolutionären Impuls „zum Betrügen“ haben. Ihr promiskuitives Verhalten bzw. Impuls erhöht die Wahrscheinlichkeit, mehr Nachkommen zu wollen. Macht eigentlich Sinn. Doch mittlerweile gibt es Studien und Forschungsergebnisse, die belegen, dass auch einige Frauen biologisch dazu neigen, „zu wandern“. Und das abseits der Pfade evolutionärer Vorteile.
Dies betrifft vor allem Frauen, die eine bestimmte Variante des Vasopressinrezeptor-Gens in sich tragen. Frauen, die diese Variante aufweisen, neigen viel eher dazu, Bindungen mit Menschen außerhalb der Beziehung einzugehen. Sprich: zu bescheißen. „Schuld“ an dieser „Misere“ scheint eben das Vasopressin zu sein.
Ein Hormon, das Vertrauen, Empathie und sexuelle Bindung beeinflusst. Eine finnische Studie ergab, dass Frauen, die Varianten des Vasopressinrezeptor-Gens tragen, häufiger über sexuelle Promiskuität berichten. Obwohl bei Männern keine solche Beobachtung gefunden wurde, deutet die Studie darauf hin, dass einige Frauen „biologisch dazu neigen, zu wandern“, so Friedman.
DRD4-7R – wie wirkt sich das Gen aus?
Zugegeben, beim Vasopressin scheiden sich die wissenschaftlichen Geister. Vor allem John Horgan reagierte mit Skepsis. „Diese Behauptung basiert – wie praktisch alle gemeldeten Verknüpfungen komplexer menschlicher Merkmale und Störungen mit bestimmten Genen – auf fadenscheinigen, widersprüchlichen Beweisen“, schrieb dieser als Reaktion auf Friedmans Beitrag in der New York Times.
Doch auch andere Forschungen, die einen anderen Ansatz verfolgen, deuten in dieselbe Richtung eines Untreue-Gens. Vor allem Gene, die unseren Reiz für riskantes Verhalten erhöhen, machen uns auch anfällig fürs Fremdgehen oder einen Seitensprung. Eine US-Studie nahm dafür jedoch nicht mehr das Vasopressin, sondern das DRD4-Gen unter die Lupe. Die Studie bringt dieses Gen auch mit anderen Verhaltensweisen in Zusammenhang, die mit unserem Wohlbefinden zu tun haben. DRD-4 hilft, den Dopaminspiegel im Gehirn zu kontrollieren und steuert über diesen Weg auch „Untreue-Impulse“.
Die Forschenden rund um DRD-4 waren auf der Suche nach biologischen Mechanismen, die häufigen Partnerwechsel erklären könnten. Dazu haben sie 181 junge Erwachsene nach ihrem Sexualverhalten befragt und natürlich auch eine DNA-Probe entnommen.
Männer und Frauen tragen das Seitensprung-Gen
Das Ergebnis dieser Studie. Menschen mit einer als 7R+ bezeichneten Variation des DRD4-Gens sind einem Seitensprung weniger abgeneigt bzw. wechseln häufiger ihre PartnerInnen als Menschen ohne diese Variation. Um etwaige Klischeevorstellungen vorwegzunehmen. Dieses Gen kommt bei 26% der Männer und bei 23% der Frauen vor. Und ist somit gleich häufig verteilt. Somit sehen die Forscher die Ursache für einen Seitensprung möglicherweise im körpereigenen Belohnungssystem. Fremdgehen in Form des Nervenkitzels regt die Produktion des Glücksbotenstoffs Dopamin an.
Doch obwohl die genetische Ausstattung unser Sexualverhalten offensichtlich beeinflusst, sehen die Forschenden dieser Studie keinen zwangsläufigen Zusammenhang. Denn es gäbe jede Menge treue Träger des 7R+-Gens sowie untreue „Normal“-Träger.
Sich beim Fremdgehen auf die Gene rausreden gilt also nicht. Und vor allem dann nicht, wenn man sich selbst als reflektiertes und mündiges Individuum bezeichnen will. Doch wenn Monogamie ein Konzept ist, dass für immer mehr Menschen einfach immer weniger funktioniert, sollten wir die Strukturen, unter denen wir unsere Beziehungen führen, vielleicht auch einmal einfach so überdenken, ohne die zwanghafte Rückfrage an unsere Biologie. Vielleicht wäre es sinnvoll, als notorische*r Fremdgeher*in die Beziehungskonstrukte zu überdenken und eine andere Form der Beziehung zu wählen? Offen, polygam oder dauerhaft Single? Wie wäre es mal mit einem Date zu dritt?
Titelbild Credits: Shutterstock
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