Vom Gesang zum Rap, von einer großartigen Stimme für Jazzgesang zur Stimme vieler, bescheiden aber dennoch mit voller Kraft voraus – KeKe, die fleischgewordene Repräsentation gegen den Status Quo. Havanna schaffte einen perfekten Brückenschlag zum Calle Libre Festival 2021 mit dem Motto „RE:PRESENT“, wo sie bei einem Live-Auftritt glänzte. Doch wie fühlt sie sich mit der Repräsentation einer aufbrechenden Generation?
„Pressure (zu Deutsch: Druck)“, sagt sie und lacht. Obwohl Feminismus, Empowerment und auch die Psyche Leitmotive ihrer Songs sind, winkt KeKe die repräsentative Rolle etwas ab:
„Ich denke gar nicht so viel über die Repräsentation nach. Ich bin nicht jemand, der die ganze Zeit aktiv so viele feministische Inhalte raushaut. Sondern allein dadurch, dass ich mir den Raum nehme und dass ich überhaupt existiere, entsteht ‚basically‘ schon die Message. So nach dem Motto: Wenn ich das kann, können das andere Frauen auch.“
Doch während ich mich mit KeKe unterhalte, zeigt sich, weshalb viele ihr den Status als Idol einer Generation attestieren. Ein einzigartiger Mix aus der den Instagram-Idealen widersprechenden Optik, gewitzten und tiefgründigen Antworten und einer angenehmen Kombination aus Bescheidenheit und gesundem Selbstbewusstsein.
Mit einer natürlichen Selbstverständlichkeit verkörpert sie Widerstand. Der Zeitgeist eingefangen in einer Person. Und da stellt sich natürlich die Frage, woher sie das hat und wer sie positiv beeinflusst?
Vom engen Kreis zur Zäsur: wer Rapperin KeKe beeinflusste
„Meine Freundinnen – for sure.“ Fast etwas überrumpelt von der Frage liegt ihr offensichtlich eine ehrliche Antwort sehr am Herzen. „Ich müsste jetzt wahrscheinlich länger darüber nachdenken. Aber da gab es meine Deutschlehrerin, die mich geprägt hatte. Sie führte mich auch auf diesen Pfad des Feminismus. Und machte mich mit dem Thema bekannt. Ihr schulde ich eigentlich wahnsinnig viel.“
Während viele in diesem Fall mit berühmten Persönlichkeiten antworten würden, bleibt KeKe weiter im persönlichen Umfeld: „Meine Mama. Weil ich sie bewundere, wie sie durchs Leben geht. Mit all ihren Erfahrungen und ihren Erlebnissen.“ Dennoch, auch musikalisch gab es Einflüsse. Ein Duo stieß unwissend sogar den ersten Schritt zum Genrewechsel an.
Immerhin liegen KeKes Ursprünge im Jazz-Gesang – was nach wie vor zum Teil in ihren Songs zu hören ist. „Ich hatte keinen Kontakt mit Hip-Hop, bis mir eine Freundin SXTN (Anm. d. Red.: Hip-Hop Duo bestehend aus den Rapperinnen Juju und Nura) zeigte. Das fand ich richtig cool und war sofort beeindruckt.“
Frauen im Hip-Hop und KeKe mittendrin
Jetzt also Hip-Hop auf Electronic Beats, frechen Lines und Cloud-Rap-Elementen mit gesanglicher Untermalung. Und damit tritt KeKe gewissermaßen auch in die Fußstapfen großer weiblicher Genre-Kolleginnen, die es ihres Zeichens nach noch deutlich schwerer im als frauenfeindlich verschrienen Hip-Hop hatten. Doch auch die junge österreichische Rapperin ist nicht vor Hass gefeit. Obwohl sie während der Pandemie nach Krems zog und so der Rap-Bubble entfliehen konnte, blieb durch soziale Medien eine Angriffsfläche bestehen.
„Durch den Rückzug, den ich mir ja aktuell nehme, bekomme ich selten den Hate mit oder ab. Was aber total interessant ist – vor kurzem hat mich Juju (Anm. d. Red.: früher SXTN, jetzt deutsche Solo-Rapperin) in ihrer Story erwähnt, weil ich ihre Klamotten getragen habe. Und auf einmal bekomme ich so einen Haufen neuer Leute als Follower:innen – obwohl ich basically nichts dafür getan habe – und da kommen halt sofort mindestens zwanzig Nachrichten von Dudes, die schreiben ‚du bist eklig‘ oder ‚ich kotz mich an‘ oder ähnliches.“
Du willst auch mehr über Juju erfahren – hier findest du unseren Beitrag
Aber KeKe macht klar, dass dies kein Problem des Genres sei. Immerhin ist Musik auch nur ein Spiegel der Gesellschaft. Und daraus resultiere das Problem mit dem patriarchalen oder auch den rassistischen Aussagen und Verhaltensweisen.
Rassismus, Sexismus, Unterdrückung – Calle Libre Festival trifft auch KeKe
„Nach wie vor liegt in diesen Bereichen noch vieles im Argen, aber es geht etwas weiter. Viele Dinge, die früher einmal durchgegangen sind, gehen jetzt so nicht mehr durch. Es trauen sich immer mehr Leute, ihre Stimmen zu nutzen. Auch immer mehr Frauen trauen sich, was zu sagen. Ich bin kein Mensch mit Rassismus-Erfahrung, aber ich merke, dass auch da die Solidarität wächst.“
Durch Havanna entstand dann die Brücke zum Calle Libre Festival, das sich dieses Jahr eben mit genau solchen Problemen beschäftigte. Zuvor schon hatte KeKe in einer umfangreichen Kooperation als Markenbotschafterin agiert, viele Konzerte gegeben und ein limitiertes Vinyl herausgebracht. „Ich habe in der Kooperation alle Freiheiten.“ Und das ist gerade bei den Themenschwerpunkten von KeKe äußerst wichtig.
KeKe auf der Siebter Himmel OPENING & BLOCKPARTY in Kooperation mit dem CALLE LIBRE Street Art Festival, © Jolly Schwarz Photography
In Sachen Empowerment und Feminismus darf sich auch KeKe entgegen ihrer Bescheidenheit ein wenig selbst auf die Schultern klopfen. Immerhin verkörpert sie als Künstlerin den Kampf gegen das Patriarchat, wenn auch nicht ganz bewusst. „Ich habe nicht geplant, jetzt groß für die Frauen im Hip-Hop zu kämpfen. Es waren schon vor mir großartige Frauen im Genre, ich bin ja nicht die erste gewesen. Aber das hat sich dann natürlich ergeben, weil das auch einfach Inhalte sind, die mich in meinem Leben beschäftigen.“
Bei allem Fame bleibt Mensch auch Mensch
Was mich in Zeiten wie diesen natürlich immer interessiert – wie geht jemand mit Hass im Netz um. Durch soziale Medien wurden in der Öffentlichkeit stehende Personen angreifbarer, die Psyche von Betroffenen leidet nicht selten darunter.
„Ich bin ein Mensch. Mich verletzt es schon, wenn ich Hate-Nachrichten bekomme. Ich mag das auch nicht, wenn Leute einfach sagen ‚lass das nicht an dich rankommen‘. Darauf kann ich nur sagen: Dann soll dir das mal passieren und dann schau mal, ob du das einfach von dir abprallen lassen kannst. Aber ich blockier die Leute, lösche es, schicke es manchmal Freuden, damit ich darüber reden und es ein bisschen verarbeiten kann. Und dann ist es meistens eh wieder weg. Am Ende des Tages hat es ja nichts mit mir zu tun.“
Nicht immer geht es so einfach: „Es sind aber so Phasen. Es gab auch Zeiten, wo mich das voll belastet hat. Je mehr man aber versucht, Glück und Freude im eigenen Leben zu kultivieren, desto mehr lässt das einen auch kalt.“
Ein Role Model – KeKe als Musterbeispiel für Aufgeschlossenheit, Toleranz und Reflexion
Im gesamten Gespräch zeigt sich deutlich, dass sich KeKe auch abseits der Bühne intensiv mit aktuellen Themen beschäftigt. Nicht nur als Musikerin weiß sie zu imponieren und hinterlässt schnell einen bleibenden Eindruck. Es sind Kleinigkeiten, die sie von sich gibt und die ihre so warme Persönlichkeit widerspiegeln. Und die Zukunft?
Während in der Pandemie viele überproduktiv waren und einen Song nach dem anderen released hatten, verhält es sich bei KeKe deutlich entspannter. „Ich habe mich in der Zeit voll zurückgezogen. Eher Pause gemacht. Ich war erst dieses Jahr wieder ein bisschen im Studio. Aber aktuell gibt es nur ein Themenfeld für mich und das ist Fun. Everything should be fun – music ist just about having fun for me. Aktuell schaue ich einfach intuitiv was passiert und bearbeite auch nur Themen, die intuitiv kommen.“ Das hat sie sich auf jeden Fall verdient!
Titelbild © Jolly Schwarz Photography
DAS KÖNNTE SIE AUCH INTERESSIEREN
Daft Punk: Ein Stück Musikgeschichte und viel mehr als nur Musik
Wir wollen und können es nicht glauben. Daft Punk – die Band, die für einige der einflussreichsten Songs aller Zeiten […]
Nana Forest: nach über 400 Cover-Auftritten endlich erste Single
Nach über 400 Acoustic Cover-Auftritten veröffentlicht Münchnerin Nana Forest, gebürtig Nathalie Forest, am 5. Februar ihre Debut-Single. „Show me your […]
Normal unnormal: Kendrick Lamar dropt neues Album "Mr. Morale & The Big Steppers"
Der erste mit einem Pulitzer-Preis ausgezeichnete Rapper Kendrick Lamar veröffentlichte sein langersehntes fünftes Studioalbum „Mr. Morale and the Big Steppers“. […]
WARDA Club-Guide Episode 7: die Grelle Forelle
Als Expert*innen der Wiener Eventkultur erkunden wir für euch die Nachtclubs der Stadt! Den Anfang macht die Grelle Forelle.
Brofaction Single Release: Vom Kiddy Contest zum virtuellem Duett mit Ed Sheeran
Das Österreichische Singer und Songwriter Brüderpaar Nico und Laurin Greiter begeistern seit 2010 ihre Zuhörer und Fans mit authentischem Sound, […]
Donna Savage Interview // Flinta*-Artists to the front
Unsere Redakteurin Sarah hat wohl DAS Hip-Hop Event 2024 besucht und ein Interview mit der Flinta*-Rap-Ikone Donna Savage geführt.