Was Musikgeschmack über die Persönlichkeit aussagt: Studien mit erstaunlichen Ergebnissen

Das Internet ist voll von (Pseudo-)Tests, die von eurem Musikgeschmack vermeintlich einen bestimmten Charakter oder eine Persönlichkeit ableiten können. Allein auf Grundlage der Songs, die ihr auswählt, kann euch verraten werden, wer genau ihr seid. Kompletter Unsinn? Oder doch irgendwie wahr? Wir haben es für euch herausgefunden. Die Ergebnisse werden euch vielleicht überraschen. Press Play!
Musikgeschmack und Persönlichkeit – Du bist, was du dir anhörst
Um Hörerinnen und Hörer einer jeden Musikrichtung kursieren bestimmte Klischees. Wer Techno hört, ist ein Party Animal. Folklore-Liebhaber sind ausnahmslos Hippies. Verehrer:innen klassischer Musik intellektuelle Snobs. Metal-Fans asoziale Draufgänger und Schlager-Fans… ihr wisst schon. Alles haltlose Unterstellungen! So vermutlich die Vorwürfe. Und heutzutage sind Stereotypisierungen ohnehin mehr als fehl am Platz. Denn in einem Zeitalter des radical individualism ist nämlich jeder und jede eine unique snowflake. Basta!
Auch in der Forschung sind Stereotypen ein Minenfeld. Der Vorwurf der Verallgemeinerung ist schnell zur Stelle. Zu viel der hoch zelebrierten Individualität bleibt dabei auf der Strecke, so der Vorwurf. Doch eine wissenschaftliche Erhebung zum Thema Musikgeschmack bestätigt das Klischee. Denn dass Musikgeschmack und Persönlichkeitsmerkmale sehr viel miteinander zu tun haben, legen psychologische Studien von Forschern der University of Cambridge nahe.
Musikgeschmack und Charakter: sehr zutreffende Persönlichkeitsvorhersagen
Für ihre Forschung zur Verlässlichkeit musikalischer Stereotypen (kaum zu glauben, dass es diesbezüglich Forschungen gibt!) nahmen Peter Rentfrow und Samuel Gosling die Hörer:innen von 14 Musikgenres genauer in Augenschein. Und überprüften, inwieweit das genreeigene Klischee zur Fanpersönlichkeit mit der Realität übereinstimmt.
Das Ergebnis: „Die Lieblingsmusik eines Menschen lässt erstaunlich genaue Aussagen über den Charakter des Hörers zu. Ob ein Mensch eher extrovertiert oder schüchtern ist, lässt sich laut Studienergebnissen ebenso gut am Musikgeschmack festmachen wie die persönliche Einstellung zur Politik, Religion, Bildung und Wertevorstellungen.“ Das vermeintliche Vorurteil von „Du bist, was du hörst“, erscheint somit als durchaus legitimes Beurteilungsmittel einer Persönlichkeit.
Ein Persönlichkeitsprofil für jeden Musikgeschmack
Eine weitere Studie aus Großbritannien befasste sich ebenfalls eingehender mit der Persönlichkeit von Musikhörer:innen. Professor Adrian North von der Heriot-Watt University, Edinburgh, hat die bisher umfangreichste Studie zu Musikgeschmack und Persönlichkeitstyp durchgeführt.
In einer Laufzeit von drei Jahren hat der Experte für Musikpsychologie mehr als 36.000 Menschen in mehr als 60 Ländern gebeten, ein breites Spektrum an Musikstilen nach ihrer Präferenz zu bewerten. Bestimmte Aspekte der Persönlichkeit wurden auch per Fragebogen erfasst. Am Ende konnten jedem Musikgenre bestimmte Eigenschaften zugeschrieben werden.
Country Musik – Musikgeschmack im Zeichen der Tradition
Das Genre der Country Musik ist seit jeher „Sinnbild“ für ein eher traditionelles und konservatives Lebensgefühl ländlicher Regionen. Urbane Trends aus der fernen Stadt werden dort eher kritisch wahrgenommen. Nachzusehen in jedem x-beliebigen Hollywoodfilm über den Süden der USA, in dem ein „Hinterwäldler“ sich in eine, sich in seine Hood verirrende New Yorker Business-Tussi verliebt und umgekehrt.
Doch das Augenzwinkern und das sich Lächerlichmachen über diese Art von Filmen kann man sich ab jetzt leider sparen. Denn laut Forschungsergebnissen ist die „Country-Seele“ tatsächlich eher konservativen Werten zuzuordnen. North definierte die Persönlichkeit von Fans des Country-Genres als emotional stabil und extrovertiert, jedoch wenig experimentierfreudig und nur selten offen gegenüber unkonventionellen Denkansätzen.
Die good old times werden im Country nämlich überzeugt verteidigt. Das verdeutlicht auch die konservative Instrumentierung. „Gerade Instrumente wie das Banjo oder Cajón als Inbegriff traditioneller Melodik bilden die Grundlage für das äußerst geschichtsträchtige Klangkonzept der Country Musik. Beide Instrumente haben ihren Ursprung in der Kolonialzeit, wobei speziell das Cajón von afrikanischen Sklaven erfunden wurde.“, so die Autorin Susann Schmidt.
young, wild and free – Pop, Dance, Hip-Hop und Rap
Obwohl die Musikrichtungen sehr stark voneinander abweichen, haben Pop-Fans, Hip-Hopper:innen und Dance Musik-Enthusiast:innen laut Forschungsergebnissen einiges gemeinsam. Sie alle sind eher: extrovertiert, gesellig, mit einer Extraportion Selbstbewusstsein ausgestattet und feiern gerne.
Weiteres zeigen sich Liebhaber:innen besagter Genres weniger sensibel. Nicht zu Unrecht, handelt es sich bei diesen Genres doch auch um sogenannte Jugendgenres. Im Vergleich zu anderen Musikrichtungen sind diese noch relativ jung und ziehen daher auch eher ein jugendliches Publikum an.
Heißt: Persönlichkeiten die eher rastlos und wild sind. Das Austesten der Grenzen und auch Exzesse, sowie der Austausch stehen hier im Vordergrund. „Das Lebensgefühl der jungen Rebellen wird durch schnelle Elektro-Rhythmen, provokativen Rap und relativ einfache, partytaugliche Klangkonzepte, wie sie für Pop-Musik typisch sind, am besten ausgedrückt.“, so Schmidt.
Der Musikgeschmack der Intellektuellen – Jazz und Klassik
Die Sesselfurzer:innen aus der Oper und den Jazz-Clubs. Auch an diesem Stereotyp scheint etwas „Wahres“ dran zu sein. Aus der Studie von Adrian North geht nämlich hervor, dass Liebhaber:innen von Klassik und Jazz eher introvertiert sind, aber auch äußerst kreativ, selbstbewusst und geistig aktiv.
Auch ein anspruchsvoller Geist wird diesen Hörenden unterstellt. Und in der Tat scheint sich dieser mit den komplexen Klangkonzepten von Klassik und Jazz zu decken. Beide Genres mit ihren reichen Klangwelten „lassen sich unumstritten als melodische Poesie beschreiben, bedürfen aber eines Hörers, der die vielen unterschiedlichen Klangelemente auch zu schätzen weiß.“, heißt es.
Rock und Heavy Metal – Von wegen aggro
Erstaunen mag die Studie aber vor allem in einem Punkt. Und zwar, dass Hörende von Klassik und Jazz den Fans von Hard Rock und Heavy Metal ähnlicher sind, als es zunächst den Anschein hat.
Während Rocker und Metal-Fans gerne als aggressiv und rüpelhaft stereotypisiert werden, kommen die wissenschaftlichen Studien zu einem ganz anderen Schluss. Dort entpuppen sich diese hartgesottenen Rocker:innen nämlich als äußerst sensibel, introvertiert, hart arbeitend und teilweise mit sehr geringem Selbstbewusstsein ausgestattet.
Die somit eher extreme Musik steht also im klaren Wiederspruch zu deren Persönlichkeit. Doch ist die charakterliche Ähnlichkeit zu Jazz- und Klassik-Connoisseur:innen nur auf den ersten Hinhörer ominös. „Wer etwas genauer hinhört, der wird jedoch feststellen, dass sich unter all den harten E-Gitarren, E-Bässen und Schlagzeugrhythmen eine ähnlich anspruchsvolle Melodik verbirgt, wie es eigentlich für Klassik und Jazz typisch ist.“, so Schmidt weiter. Zudem ist gerade Metal-Musik als Ausdruck extremer Emotionalität zu verstehen, die von den in sich gekehrten Hörer:innen im Alltag oft nicht ausgelebt werden kann.
Musikgeschmack verrät viel über Denkstil einer Persönlichkeit
Weiteres konnte eine andere Studie sogar nachweisen, dass der Musikgeschmack sehr viel über den Denkstil eines Menschen verrät. An den musikalischen Präferenzen lässt sich daher ganz klar ablesen, ob ein Mensch eher empathisch oder systemisch denkt. Genauer gesagt geht es in der Studie um den „kognitiven Stil“ eines Menschen. Damit bezeichnet man die Neigung eines Menschen, eher empathisch oder aber systematisch-rational auf seine Umwelt zu reagieren.
Das Ergebnis war überraschend eindeutig und ist sogar unabhängig von sonstigen Persönlichkeitstypen wie z.B. Geschlecht. Menschen, die hohe Empathiewerte hatten, bevorzugten sanfte, unprätentiöse Musik mit eher traurigem Thema und mieden intensive Stilrichtungen. Systematisch veranlagte Hörerinnen und Hörer bevorzugten dagegen eher komplexere, laute, intensive und anregende Musik.
„Obwohl der Musikgeschmack sich im Laufe der Zeit verändert, bestimmt das Empathie-Niveau und der Denkstil, welche Musik jemand mag“, erklärt Greenberg. „Der kognitive Stil kann sogar besser vorhersagen, welche Musik wir bevorzugen als unser Persönlichkeitstyp.“ Diese Unterschiede sind sogar ablesbar innerhalb einer Musikrichtung bzw. innerhalb einer Stilrichtung. Beim Jazz bevorzugten empathische Menschen eher einfache, gefühlsbetonte Stücke, während systematisch Denkende eher intensive, komplexe Jazzstücke präferierten. Ähnlich waren die Ergebnisse auch innerhalb der Klassik oder des Pop.
Die Playlist der Psychopathen
Auch bezüglich der musikalischen Vorzüge von Psychopathen und Psychopathinnen liesen sich klare Ergebnisse feststellen. Eine Studie der New York University ließ ursprünglich eine Gruppe von 200 Probanden und Probandinnen 260 Lieder anhören und bezüglich des Gefallens beurteilen. Lustigerweise hatten viele der Teilnehmenden auch bei einer anderen Studie teilgenommen, wo auch die Levenson Self-Report Psychopathy Scale auszufüllen war. (Ein Selbstbericht zur Messung der primären und sekundären Psychopathie in nicht institutionalisierten Bevölkerungsgruppen.)
Ergebnis: Diejenigen mit den höchsten Psychopathen-Werten gehörten zu den größten Fans des Blackstreet-Hits No Diggity. Eminems Hit Lose Yourself wurde von ihnen ebenfalls hoch bewertet. Vorerst gibt es aber noch keine größeren Studien zu diesem Thema, weshalb es von wissenschaftlicher Seite nicht noch weitere Informationen dazu gibt.
Fazit – the sound of your life
Dass sich die Persönlichkeit eines Menschen so erschreckend genau am Musikgeschmack festmachen lässt, hängt nach Meinung von Musikwissenschaftlern mit dem assoziativen Denken der Personen zusammen. Man identifiziert sich einfach leichter mit Musik, die einem buchstäblich aus der Seele spricht.
Die eigenen Vorlieben in Sachen Musik sind also auch immer ein Spiegelbild des eigenen Empfindens. „Musik drückt aus, wer wir sind – emotional, kognitiv und sozial.“, so Jason Rentfrow von der University of Cambridge. Somit sollte man womöglich darauf achtgeben, welche Musik man in seiner Dating-App als seine Favoriten anzeigt. Oder bei den anderen einen genaueren Blick darauf werfen, auf was für Mucke sie so stehen.
Titelbild Credits: Shutterstock
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