In ihrem Buch Überhitzt: Die Folgen des Klimawandels für unsere Gesellschaft eröffnen die Autorinnen Claudia Traidl-Hoffman und Katja Trippel zutiefst aufrüttelnde Einblick in klimatische Veränderung, die immer verhängnisvoller für den Menschen werden. Allem voran die Überhitzung des Planeten. Nach wie vor ein unterschätztes Problem. Wir haben für euch etwas genauer hineingelesen.
Ein Sommer wie damals…
Wir schreiben das Jahr 2003. Wir erinnern uns: Der Jahrhundertsommer. Wochenlang strahlte das Hoch Michaela wie ein elementarer Feuerball auf Mittel- und Südeuropa. Ergebnis: Dauersonne und Temperaturen von bis zu fünf Grad über dem langjährigen Durchschnitt. Dieser Ausnahmezustand trocknete Flüsse aus, ließ Ernten verdorren, Tiere verdursten und entfachten Waldbrände. In Portugal allein wurden damals 40 Prozent der Waldflächen durch Feuer verwüstet.
Verhängnisvoll war dieser heiße Zustand auch für urbanisierte Regionen. Vor allem Städte heizten sich unerbittlich auf. In Paris und im Rest Frankreichs war der August 2003 dauerhaft um die 40 Grad heiß. Nachts kühlte es nur noch selten unter 20 Grad ab.
„Große Teile Europas erlebten keine klassischen „Sommertage“ mehr, bei denen nach meteorologischer Definition die Temperaturen über 25 Grad klettern, sondern ungewohnt viele „Hitzetage“ mit Temperaturen über 30 Grad. Von einer Hitzewelle ist die Rede, wenn sich drei oder mehr Hitzetage aneinanderreihen.“, erklären Claudia Traidl-Hoffmann und Katja Trippel in ihrem Buch Überhitzt. Die Folgen des Klimawandels für unsere Gesundheit und schildern darin eine immer noch unterschätzte Gefahr.
Brennpunkt Paris
Diese Hitzewellen „schlauchen“ natürlich umso mehr, wenn es auch noch zu Tropennächten kommt. Das sind Nächte, die über 25 Grad warm bleiben und keinerlei Abkühlung bieten. Weder den Körpern noch den Wohnungen. Während am Atlantik und im Mittelmeer eine filmreife Urlaubsstimmung herrschte, bahnte sich im Landinneren ein dramatischer Gesundheitsnotstand an.
„Als die Temperaturen am 14. August erstmals 39 Grad übersteigen, brachen allein auf den Straßen von Paris 40 Menschen leblos zusammen“, berichtet der Spiegel. In den Krankenhäusern fielen die Klimaanlagen aus. Hitzechaos herrschte überall. „Später füllten sich die Leichenhallen so schnell, dass Hunderte Verstorbene in Kühllagern eines Lebensmittelgroßmarkts außerhalb von Paris untergebracht werden mussten, sogar in Kühllastern.“, erklären die Autorinnen.
Europas Hitzeproblem
Bis die globale Relevanz dieses wortwörtlich heißen Problems erfasst wurde, dauerte es natürlich. Mittlerweile ist jedoch klar: Der Hitzesommer 2003 war die tödlichste Naturkatastrophe der vergangenen hundert Jahre in Europa. Und beschäftigte in ihrem Anschluss natürlich auch die Wissenschaften. Über siebzig Studien versuchten nach diesem „Ereignis“ die genauen Opferzahlen zu erfassen. Die sogenannte Hitze-assoziierte Übersterblichkeit.
Ergebnis: Allein im August 2003 waren in zwölf Ländern rund 70.000 Menschen an Hitze-Folgen gestorben. Darunter 15.251 Französinnen und Franzosen sowie 7.295 Deutsche. In Frankreich hat sich die Zahl der Todesfälle im Vergleich zum langjährigen Mittel sogar verdoppelt.
In Italien betrug die Übersterblichkeit 40 Prozent, in Deutschland 20 Prozent. Bezüglich Österreich haben Wiener Wissenschaftler nachgewiesen, dass im Sommer von 2003 zumindest in Wien 130 Menschen an den Folgen der Hitze gestorben sind. Für kurzfristige Abhilfe haben wir übrigens Tipps zur Abkühlung.
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Europaweit hat nur das Erdbeben im italienischen Messina im Jahr 1908 mehr Opfer gefordert als der Hitzesommer 2003.
Der Klimawandel verschlimmert auch den Verlauf bekannter Krankheiten
Wer jedoch annimmt, bei diesen Hitzetoten handelt es sich „ohnehin nur um Ältere und todgeweihte“ und auf alle anderen hätte die Hitze keine Auswirkungen, der oder die irrt sich gewaltig. Denn auch viele Krankheiten und deren Verlauf verschlimmern sich aufgrund des Klimawandels.
Diabetiker, Demenzkranke, Menschen mit Multipler Sklerose, Schizophrenie oder mit kranken Nieren, Adipositas oder Neurodermitis. Sie alle kriegen keine Luft mehr. Vor allem in den Beton-,Asphalt- und Autowüsten der Innenstädte. Gebäude und Asphaltstraßen speichern die Hitze des Tages nämlich wie eine Art Backofen und geben diese nachts nur unvermindert wieder ab.
Überhitzung – wenn die Ausnahme zur Regel wird
Das, was lange eine Ausnahme und Seltenheit war, wird jedoch in Zukunft noch viel öfter auftreten. Wie Traidl-Hoffmann und Trippel in ihrem Buch feststellen, traten sechs der elf extremsten Hitzewellen zwischen 1950 und 2020 in Deutschland nach dem Jahr 2000 auf. Das Hitzejahr 2003 steht natürlich ganz oben. Gefolgt von 2018, 2019, 2015, 2006 und 2002.
Auch die Zahl der sogenannten Hitzetage – derjenigen mit 30 Grad und mehr – ist in Deutschland, ebenso wie in Österreich und der Schweiz, in den jüngsten Jahren deutlich gestiegen. Und wird dies auch weiterhin tun. Denn laut einer Prognose des Potsdam-Instituts für Klimaforschung (PIK) wird sich die Zahl der Hitzewellen bis 2040 vervierfachen. Vorausgesetzt natürlich, wir verringern die globalen Treibhausgasemissionen nicht sofort.
Überhitzung – Einfluss auf den menschlichen Alltag
Sommer, Sonne, Sonnenschein mögen viele beschwichtigen und sich auf die „positiven“ Nebeneffekte dieses Klimawandels freuen. Doch auch da sind die Dinge nicht so einfach. Denn der Mensch funktioniert nur bei einer Körpertemperatur von 36 und 37,5 Grad optimal. Und das überall auf der Welt, stellen die Autorinnen klar. Diese Grade betreffen die Kerntemperatur innerhalb des Körpers, also jene, die ein Fieberthermometer messen würde. Die sogenannte Körperschalentemperatur kann dabei ruhig etwas höher oder niedriger sein. Je nach Außentemperatur und Muskelaktivität.
Doch allzu viel Spielraum gibt es nicht. Denn schon ab 38,2 Grad sind wir körperlich, geistig und motorisch nicht mehr fit. Nach unten hin ist die Spanne genauso klein. Ab 35 Grad zittert man und das Urteilsvermögen wird eingeschränkt. Spätestens bei 27 Grad verliert man das Bewusstsein. Die Kerntemperatur sollte daher im Bereich um die 37 Grad gehalten werden.
Doch auch andere Probleme kommen auf uns zu: Kinder bis zum Alter von vier Jahren neigen aufgrund ihrer Körperverhältnisse (Herz-Kreislauf-System noch nicht voll entwickelt usw.) dazu schneller zu erhitzen. Hitzewellen (vor allem in Kombination mit Luftverschmutzung) haben bereits im Mutterleib schwere Folgen für den Menschen. Die Wahrscheinlichkeit einer ungünstigen Schwangerschaft erhöht sich. Ein Temperaturanstieg von einem Grad Celsius erhöht sukzessive sowohl die Rate von Früh- als auch von Totgeburten.
Fazit
Laut der österreichischen Regierung soll es jährlich zu ca. 500 frühzeitigen Todesfällen durch Hitze kommen. Die gesundheitliche Mehrbelastung durch die Überhitzung hat natürlich auch ökonomische Folgen. Man rechnet mit zusätzlichen Kosten von bis zu 2,3 Milliarden Euro pro Jahr.
Diese werden natürlich nicht konstant gleichbleiben. Bis 2050 dürften die jährlichen Kosten 5,7 Milliarden betragen, rechnet man vor. Eine Rechnung, die zwei Jahre alt ist und vermutlich in ein paar Jahren schon zu einem weitaus höheren Ergebnis kommen wird.
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