In den europäischen Städten wird buchstäblich Monopoly gespielt und die Verdrängung von Menschen mit niedrigem Einkommen ist schon lange spürbar. Doch jetzt ist die Mittelschicht dran und wird erbarmungslos Opfer der Mietkrise. Über ein Problem, das uns alle betrifft, hat Caren Lay ein spannendes Buch geschrieben, das wir alle lesen sollten, denn „Wohnen ist die soziale Frage unserer Zeit.“
Im Visier internationaler Immobilienspekulationen
Innerhalb von sechs Jahren, zwischen 2015 und 2021, steigen die Preise für neue Mietverträge in Berlin um 44 Prozent. Im Rest Deutschlands sieht es da nicht besser aus. In Folge muss ein immer größerer Teil des Einkommens fürs Wohnen ausgegeben werden. Eine schleichende Umverteilung von unten nach oben findet statt. Jede*r zweite Deutsche gibt bereits über 30 Prozent des Einkommens fürs Wohnen aus. Vierzig oder sogar fünfzig Prozent sind dabei auch keine Seltenheit mehr.
Politiker*innen verscherbeln Wohnungen
Grund für diese Entwicklung sehen viele (unter anderem auch die Autorin) in den Spekulationen mit Wohnraum. „Das Problem entsteht auf den Finanzmärkten, die aus viel Geld noch mehr Geld machen wollen.“ In die Hände spielen diesen internationalen Spekulant*innen natürlich auch die Politiker*rinnen, die mit ihren fragwürdigen Entscheidungen einen Großteil dazu beitragen, dass der Deutsche Wohnungsmarkt eine einzige Katastrophe ist.
Mietfreundliche Gesetze wurden „geschliffen“ und das Wohnen wurde zunehmend dem Markt überlassen und so dem Profitstreben der Finanzindustrie ausgeliefert. Allein in Leipzig gehören 30 Prozent der Wohnungen börsennotierten Wohnungskonzernen, Fonds oder privaten Großunternehmen. Tendenz natürlich steigend.
Wohnopoly – das Buch zur derzeitigen Wohnsituation
Es gibt viele Bücher, die sich der derzeitigen Wohnsituation widmen, doch keines davon ist auch nur annähernd so aufschlussreich wie Wohnopoly von Caren Lay. Der Unterschied? Lay ist seit Anfang der 2000er Jahre in der Politik aktiv und setzt sich schon lange für Mietenstopp und soziales Wohnen ein. Seit 2016 ist die studierte Soziologin sogar Sprecherin für Mieten-, Bau- und Wohnungspolitik.
Mit einer gehörigen Portion Insiderwissen und wissenschaftlichen Belegen, führt sie uns an die derzeitige Wohnproblematik heran und offenbart uns tieftraurige Einblicke in politische Entscheidungen, die an Dämlichkeit – oder soll man lieber sagen: fehlendem Sinn für Gemeinwohl aufgrund der alleinigen Ausrichtung auf die Profitmaximierung der ohnehin schon reichen Unternehmen – wohl kaum zu überbieten sind.
Die Abschaffung der Wohnungsgemeinnützigkeit
Wohnungsgemeinnützigkeit zum Beispiel wurde abgeschafft, um Geld zu sparen. Kurzfristige Mehreinnahmen – und jetzt kommts – die kurze Zeit später durch die steigenden Ausgaben für Sozialhilfe und Wohngeld geradezu exzessiv übertroffen wurden. Klar, wenn man als Staat keine leistbaren Wohnungen für seine Bürger*innen hat, dann muss man eben mehr Wohngeld bezahlen, damit diese sich die stetig steigenden Mieten, die sie an privat Besitzende entrichten müssen, überhaupt leisten können. „Die Aufwendungen für Wohngeld und Wohnkosten bei Hartz IV sind explodiert und betragen derzeit etwas 17,2 Milliarden Euro jährlich.“ Eine Summe, für die man problemlos leistbares Wohnen für viele Menschen ermöglichen hätte können und immer noch kann.
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Von Melkkühen und Alternativen
Das Buch Wohnopoly ist vor der derzeitigen Energiekrise erschienen. Man mag sich gar nicht vorstellen, wie viel der Staat allein an Stromfördergeld u.ä. zuschießen wird müssen, damit die Leute diese Krise mehr oder weniger heil überstehen. Die Logik dieser Politik muss man sich einmal geben. Muss man? Ja, leider, denn es ist eine Tatsache! Aber klar, man kann das Ganze auch aus einer anderen Perspektive sehen: Die gemeinnützigen Wohnungen verdarben den Privaten das Geschäft. Also wurden sie einfach privatisiert. Sonderausverkauf lässt sich so etwas auch nennen. Stellt sich natürlich die Frage, welche Interessen die Politiker*innen schlussendlich vertreten. Aber egal.
Mieter*innen werden zu den Melkkühen für private Inverstor*innen degradiert. Seite um Seite gewährt uns Lay immer tiefere Einblicke in eine Wohnpolitik und eine Situation, die wohl kaum noch erträglich ist. Ihr Buch hat, was Spannung betrifft, geradezu Thriller Potenzial. Zum Glück gibt es am Ende noch ein Kapitel über Alternativen für bezahlbare Mieten. Wer bis dahin durchhält, dem bleibt nur noch zu hoffen, dass sich besser früher als später jemand findet, der diese Alternativen durchsetzen und realisieren kann.
Zwei Gesichter – Monopoly vs. Prosperity
Das Spiel Monopoly hatte, als es 1904 zum ersten Mal auf den Markt kam, zwei Spielregeln. Einerseits die, die wir heute kennen: Den eigenen Reichtum zu mehren und die anderen Mitspielenden in den Konkurs zu treiben bzw. sie bezahlen zu lassen. Die zweite Variante hat man aber unter den Tisch fallen lassen. Diese hieß „Prosperity“ (Wohlstand) und es ging nicht um den Bankrott der anderen, sondern darum, dass jeder Spielende seinen Wohlstand vermehrt und das Spiel erst vorbei ist, wenn auch der letzte Spielende sein Startkapital verdoppelt hat. Es wäre wünschenswert, wenn sich auch unser Mindset in diesen Wohlstandgedanken hin ändert.
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