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Lange schon ist klar: Die Big-Tech-Konzerne sammeln die Gesundheitsdaten ihrer Nutzer. Mithilfe von Smartwatches, Google-Suchanfragen etc. Was tun mit diesen Daten? Naja, sie nutzen, um Gewinne zu erzielen, zum Beispiel. Und wie? Indem man selbst anfängt Arzneimittel zu entwickeln. Daher ist es nicht wirklich verwunderlich, dass Facebook, Google, Samsung und Co vor langem schon genau damit angefangen haben.
Same Same But Different
Im Verlauf des SZ-Gesundheitsforums beklagte Gerd Geißlinger, Ordinarius des Instituts für Klinische Pharmakologie der Universität Frankfurt, dass Patienten und Patientinnen in der Regel nur Standarddosen zur Behandlung ihrer Beschwerden bekommen. Wir erinnern uns an unsere eigenen Medikamente, die wir verschrieben bekommen. Nur in den seltensten Fällen sind diese individuell auf uns abgestimmt. Dabei ist doch klar, die Menschen unterscheiden sich. In Größe, Geschlecht, Gewicht, in ihrer Nieren- und Leberfunktion, in ihren bio-chemischen Prozessen und daher vor allem auch in ihrem Ansprechen auf Medikamente.
Dennoch verschreibt man uns meist nur Standarddosen. Geißlinger ist überzeugt, „dass sich Arzneimittelnebenwirkungen reduzieren ließen, wenn Unterschiede zwischen den Menschen stärker berücksichtigt würden.“ Es wäre daher essenziel, auf diese Unterschiede einzugehen, da die einen mehr, die anderen weniger von denselben Arzneimitteln gesundheitlich profitieren. Bei den einen sind die Nebenwirkungen stärker, bei den anderen schwächer usw. Würde unsere Individualität, sprich, würden unsere Unterschiede besser berücksichtigt werden, wären die Pharmatherapien um einiges effektiver. So viel ist sicher.
Doch wie lassen sich diese Unterschiede ausfindig machen? Geißlingers Vorschlag diesbezüglich: die Arbeit mit neuen Technologien. Stichwort KI und Big Data. Denn schlussendlich lassen sich nur aus großen Datenmengen spezifische Untergruppen von Patienten aufdecken. Daher werden „in Zukunft Ärzte, Naturwissenschaftler und Informatiker gemeinsam in einem Team in die Medikamentenentwicklung involviert sein“. Ist Geißlinger überzeugt.
Die Big Player erobern den Arzneimittelmarkt
Von Geißlingers Prognose überzeugt, sind lange schon die Big Player in Sachen Daten. Immer mehr Tech-Giganten expandieren nämlich mit ihren Geschäften in den Pharmamarkt. Google z.B. gründete eine eigene Biowissenschaftsfirma (Verily Life Sciences). Natürlich ausschließlich unter ethisch höchst noblen Absichten: um die Gesundheitspflege besser zu machen. Die gesammelten Datenmengen über Menschen bzw. deren Auswertung soll es ermöglichen, das Entstehen schwerer Krankheiten zu verhindern oder gar vorzubeugen.
Sogar Facebook hat den Pharmamarkt für sich entdeckt und ist zum Arzneimittelhersteller geworden. Dessen Forschungsetat ist dabei um einiges höher, als das vieler Pharmafirmen, wie man sich vorstellen kann. Auch Samsung ist in diesen Marktbereich vorgedrungen. Samsung Biologics z.B. ist eines der größten Auftragsproduzenten für biopharmazeutische Arzneimittel. Sogar Amazon ist mit von der Partie. Vorerst nur als Apotheke. Als „Pillpack by Amazon Pharmacy“ will man Medikamente direkt zu den PatientInnen bringen.
Daten vs. medizinische Expertise
Das medizinische Know-how dieser Tech-Giganten ist zwar (noch!) begrenzt. Das Sammeln und Auswerten von Daten bleibt weiterhin ihr Kerngeschäft. Doch haben sie direkten Zugriff auf unfassbar große Datenmengen. Unter anderem sogar Gesundheitsdaten. Inwiefern? Viele dieser Tech-Konzerne registrieren, ob die Nutzer depressive Symptome zeigen. Sie messen die Herzkreislauffunktion von Smartwatch-TrägerInnen und schließen aus Suchanfragen zu Krankheiten und Symptomen, was ihre User gerade plagt. All diese Daten werden gesammelt. Und nun wird auch darauf reagiert. Mit der Expansion in den Arzneiherstellungsbereich.
Was immer man jetzt davon halten mag. Fakt ist: die Auswertungen dieser Daten kann sehr wohl hilfreich sein, komplexe Informationen schnell und präzise, aber vor allem preiswert auszuwerten. Ein nicht zu unterschätzender Vorteil im Vergleich zu den klassischen Herstellern.
Vor allem die „Omics-Technologien“, bei denen Gene (Genomics), Proteine (Proteomics), Stoffwechselprodukte (Metabolomics) oder umgeschriebene Gene (Transcriptomics) analysiert werden, gelten als wichtiger Datenlieferant, und beweisen sich gerade als erstaunliches Werkzeug für die moderne Wirkstoffforschung. Eine Software kann aus diesen Daten herauslesen, welche Moleküle erfolgversprechende Ziele für Pharmaka sind. Traditionelle Konzerne versagen oft an der Masse an Daten. Nicht so die Tech-Giganten, die sich gerade mit der Handhabung von Daten, bestens auskennen.
Datenhandling ist die Zukunft
Und Datenhandling ist das Stichwort zum Erfolg. Weiß auch Jochen Maas, Forschungschef bei Sanofi-Aventis Deutschland. Er bringt das Ganze auf den Punkt. „Airbnb hat kein einziges Hotelzimmer und ist der größte Anbieter von Übernachtungen. Uber hat kein einziges Auto und ist doch ein großes Transportunternehmen geworden, ebenso kann Google zum großen Arzneimittelhersteller werden.“
Die Zukunft ist jetzt, möchte man meinen. Und warum auch nicht? Klinische Studien: kann man am Computer modellieren. Miniatur-Organe auf Chips: bilden die Verträglichkeit und Wirksamkeit recht gut ab. Und das ohne dass PatientInnen untersucht werden müssen. Selbstverständlich bleibt die Erhebung klinischer Daten direkt am Patienten weiterhin notwendig. Dennoch ist die Arbeit mit Big Data ein Zukunftsbereich, den man keines Falls außer Acht lassen sollte. Was die großen Tech-Giganten auch keinesfalls tun.
Kooperation – aus der Not wird eine Tugend
Es ist daher längst klar: Wenn es um die Arbeit mit Big Data geht, können die traditionellen Pharmakonzerne den Big Playern wie Google & Co nicht das Wasser reichen. Daher haben viele aus der Not eine Tugend gemacht und zeigen sich mittlerweile recht kooperationsfreudig. Wie die US-Unternehmen Biogen und MSD zum Beispiel. Diese haben zusammen mit Samsung Bioepis, ein Joint-Venture zur Entwicklung von biotechnischen Nachahmerprodukten gegründet. Sogenannten Biosimilars – Nachahmerpräparate von Biopharmazeutika, also von biotechnologisch hergestellten Arzneimitteln. Diese werden mit Hilfe gentechnisch veränderter lebender Organismen hergestellt. Für Biopharmazeutika, die keinem Patentschutz mehr unterliegen, können Biosimilars auf den Markt gebracht werden. By the way: Samsung Bioepis ist die Zulassung von neun Arzneimitteln in Europa und den USA bereits gelungen.
Auch Sanofi-Aventis hat sich für eine Kooperation mit Google entschlossen. Das daraus entstandene Joint-Venture Onduo hat es sich zur Aufgabe gemacht, mit Hilfe der Big Data, die Behandlung und das Krankheitsmanagement von Patienten mit Diabetes zu optimieren. Die Kluft zwischen der Pharma- und der Big-Data-Branche ist noch groß, doch beginnt diese sich immer weiter zu schließen. Man darf wieder einmal gespannt sein, was die Zukunft so bringen wird. Und auch wenn die Dinge einfacher zu werden scheinen – mein Mobiltelephon klärt mich über meine Gesundheit auf – so hinterlässt die Monopolisierung dennoch einen etwas faden Beigeschmack.
Titelbild Credits: Shutterstock
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