Die mit Spannung erwartete und im Vorfeld recht(s) aufgeheizte Corona-Demo Wien. Sie reihte sich dann doch in die Kette jener Events, die man sich hätte sparen können. Was wieder bleibt, ist der bittere Beigeschmack von rechtsnationalem Gedankengut und einer Polizei, die zwei Gesichter zeigt.
Erster Akt: Große Erwartungen
Was hat man nicht alles befürchtet. Die größte Demonstration von Corona-Leugnern hätte es werden sollen. Im Vorfeld spekulierten einige Medien mit 30.000 DemonstrantInnen und mehr. Acht „Sternenmärsche“ auf verschiedenen Routen Richtung Heldenplatz waren geplant. Auch eine Gegen-Demo war angesagt. Für Medienvertreter wurde sogar ein Schutz bereitgestellt, da es bei vorhergehenden Protesten immer wieder zu Angriffen auf unabhängige JournalistInnen kam. Die Polizei, bereit für einen Großeinsatz, rechnete mit dem Schlimmsten.
— KURIER (@KURIERat) January 16, 2021
Zweiter Akt: der Cast
Die in der Früh geplanten „Sternenmärsche“ von den Außenbezirken zu den Protesten am Ring wurden abgesagt. Vermutlich wegen des Schneefalls. Die Teilnehmenden der Corona-Demo Wien selbst? Eine bunte Mischung aus den üblichen Verdächtigen: Corona-LeugnerInnen, besorgte BürgerInnen, Schaulustige, ehemalige Staatsverweigernde. Und natürlich: VertreterInnen der rechtsextremen Szene (u.a. auch bekannte Personen aus der Neonazi-Szene wie z.B. Gottfried Küssel), die schon von Anfang an die treibenden Kräfte hinter den Demos gegen die Corona-Maßnahmen waren.
Demonstrieren mit Gottfried Küssel, Martin Sellner & Heinz-Christian Strache. Ja, wenn man das mag…
— Armin Wolf (@ArminWolf) January 16, 2021
Als special guest star konnte die Corona-Demo Wien sogar mit dem berühmtesten Ibizia-Urlauber und Ex-Vizekanzler Heinz-Christian Strache aufwarten. Ohne Maske, wohlgemerkt. Bei der nicht ganz so hohen TeilnehmerInnenzahl wie anfangs erhofft, fischte dieser seine zukünftigen Stimmen in einem doch recht seichten Teich.
Laut Polizei ein Teich mit insgesamt ca. 10.000 Teilnehmenden. Die Verantstalter sprechen jedoch, fast schon größenwahnsinnig, von mehr als 50.000. Aber wie wir wissen, lebt ja heutzutage jeder in seiner eigenen Realität.
?? Tag der Freiheit ??
Für unsere Freiheits- und Bürgerrechte! pic.twitter.com/K05SLwNZ55— HC Strache (@HCStrache1) January 16, 2021
Dritter Akt: Zwischenfälle?
Mehrere Blockadeversuche von Gegendemonstranten u.a. in Form von Sitzstreiks – wurden von der Polizei aufgelöst. Es kam auch zu Festnahmen und Anzeigen, wie die Wiener Polizei berichtet. Heißt genau: 20 Personen wurden festgenommen. 3 wegen Widerstands gegen die Staatsgewalt. 17 nach dem Verwaltungsstrafgesetz. Anzeigen regnete es knapp über 300. Die meisten davon, weil der vorgeschriebene Mund-Nasen-Schutz nicht getragen wurde. Trotz mehrmaligen Aufforderungen.
Die Polizei hält weiterhin rund 20 bis 30 linke AntifaschistInnen Ring Höhe Stadtpark gekesselt. Die AktivistInnen sind nun seit fast zwei Stunden gekesselt. Es hat aktuell in Wien minus ein Grad. Die Corona-SchwurblerInnen konnten marschieren. #w161 pic.twitter.com/09y6tcSLaT
— Michael Bonvalot (@MichaelBonvalot) January 16, 2021
Was verblüfft: Der Umgang der Polizeibeamten ist in Bezug auf die Gegendemonstration weit weniger zimperlich. Hartes Durchgreifen, teils mit körperlicher Gewalt. Demgegenüber die Maskenverweigerer und teil rechtsradikalen Coronaleugner, die sich – wie auf Aufnahmen zu sehen ist – über die nette Unterhaltung mit den den Polizeibeamten freuen durften.
„Im Gegenteil konnte ich wiederholt beobachten, wie der Einsatzleiter mit der maskenlosen rechten Aktivistin Klauninger sprach, die an der Spitze des Zuges marschierte. Ein Einschreiten gegen den Verstoß gegen die Maskenpflicht konnte ich dagegen nicht beobachten.“, wie der unabhängige Journalist Michael Bonvalot in seinem Blog schreibt.
Auch besagter Schutz der Journalist*innen war eher eine beschwichtigende Vorankündigung. Mehrere Berichterstatter*innen berichteten von Übergriffen, Beschimpfungen, Bierduschen und weiteren Vorfällen.
Ein Fotograf wurde am Rande des Corona-Aufmarschs in Wien von extremen Rechten attackiert, geschlagen und getreten. Ich wurde bedroht, dass mir etwas passieren würde. Die extremen Rechten werden immer aggressiver. Die Lage wird fürJournalistInnen zunehmend gefährlich. #w161 pic.twitter.com/jWLA3Ktvgo
— Michael Bonvalot (@MichaelBonvalot) January 16, 2021
Während linke Gegendemonstrant*innen eingekesselt warten müssen, gegen fünf Uhr Abends dann das Finale für die Leugner am Schottenring. Laute Musik, Tanz, Jux und Dollerei. Untermalt u.a. mit dem nostalgischen Beat aus besseren Zeiten (Gigi D’Agostino! Seufz!). Eine klassische Corona-Fete, natürlich ohne Mund-Nasen-Schutz.
Eine knappe Stunde später war dann planmäßig Schluss mit der Corona-Demo Wien und der Spaß offiziell vorbei. Ein schon recht großes Event, bei dem jedoch die „erhofften“ Überraschungen ausblieben – im guten wie im negativen Sinne.
Fazit: Viel Lärm um nichts, würde man fast Shakespeare zitieren. Aber doch: Unter einem trist-bedrückenden Winter-Himmel konnten sich die AktivistInnen der Corona-Demo Wien dann trotzdem noch einige Glitzer und Glamour Punkte abholen – von einem Sponsor wurden diesen Österreich-Flaggen und Trillerpfeifen bereitgestellt.
Titelbild Credits: Presse-Service Wien
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