Allein aufgrund der Rohstoffe, die auf dem schwarzen Kontinent vorkommen, müssten die meisten afrikanischen Länder zu den reichsten der Welt gehören. Tun sie aber nicht. Der Großteil der Bevölkerung versinkt sogar in extremer Armut. Tom Burgis hat ein Buch darüber geschrieben, inwiefern diese Armut Methode hat, alle sich an den Reichtümern Afrikas bereichern und nur Afrika selbst auf der Strecke bleibt. Erschütternd, erschreckend, lesenswert.
Die Welt als Dorf
Du bist ein Bauer oder eine Bäuerin und jedes Jahr wachsen und gedeihen auf deinen Feldern die größten, saftigsten und auch beliebtesten Erzeugnisse. Oftmals so selten, dass die Nachfrage den Preis in astronomische Höhen treibt.
Und dennoch bist du die ärmste Person im Dorf, in den Augen der anderen Dorfbewohner*innen sogar nur ein*e lästige*r Bittsteller*in, Schmarotzer*in und Taugenichts. Und das, obwohl die anderen Bewohner*innen des Dorfes sich eigentlich ausschließlich von deinen reichen Feldern bedienen und sich damit dumm und dämlich verdienen. WTF!? Das alles hört sich wie absurdes Theater an, ist aber genau die Position und Situation in der sich der afrikanische Kontinent befindet.
Konzernstrukturen und Offshore-Konstruktionen
Die Dorfbewohner*innen, die sich an diesen Früchten bedienen, stehen natürlich für den Rest der Welt, der sich den schwarzen Kontinent und ewigen Verlierer Afrika lange schon aufgeteilt hat. Diese unmoralischen Interessen der ersten Welt am afrikanischen Kontinent lassen sich mittels eines Geflechts komplexer Konzernstrukturen und geheimer Offshore-Konstruktionen sogar zurückverfolgen. Eine Odyssee, die sich der investigative Journalist der Financial Times Tom Burgis, angetan hat und erschreckendes aufdecken konnte.
Die Zahlen sind erschütternd: Afrika generiert mit 13 Prozent der Weltbevölkerung nur zwei Prozent des weltweiten Bruttoinlandproduktes. Obwohl 15 Prozent der Rohölvorräte dort lagern sowie 40 Prozent des Goldes, 85 Prozent des Platins, 97 Prozent des Chromium und 90 Prozent des Kobalts dieser Erde!
Und all diese Schätzungen sind laut Burgis sogar noch zu niedrig, da Afrika immer noch weniger gründlich exploriert wurde, als andere Kontinente. Aber auch, weil Schmuggel und Korruption dort geradezu florieren. Das alles sind Zahlen und Verhältnisse, die eigentlich keinen Sinn ergeben.
Afrika: der ausgebeutete Bittsteller
Zugleich ist Afrika aber auch der Kontinent, der unaufhörlich Hilfe benötigt und selbst wenig zur Weltwirtschaft beiträgt. Absurd! Bei näherer Betrachtung sieht diese Beziehung zwischen Afrika und dem Rest der Welt jedoch ganz anders aus.
2010 betrug laut Burgis der Wert der Brennstoff- und Mineralexporte aus Afrika 333 Milliarden Dollar, mehr als das Siebenfache der Wirtschaftshilfe, die in den Kontinent floss. Die Korruption, die Steuertricks und der Schmuggel sind da nicht einmal miteinkalkuliert. Der Wert der anderen Erzeugnisse – Kaffee, Tee und so weiter auch nicht. Doch davon hat der schwarze Kontinent praktisch überhaupt nichts. Während sich der Rest der Welt schamlos dort bedient und sich den Kuchen aufteilt. Soviel zum hoch gerühmten Wirtschaftswachstum Afrikas, der im Grunde nur den Reichen nutzt. Und nicht einmal den Reichen in Afrika selbst.
Afrika und der Fluch des Reichtums
Die Volksrepublik China zum Beispiel: hat Angola fest in der Hand, deckt mit dem von dort importiertem Öl ein Siebtel seines Bedarfs ab und befeuert damit sein geradezu obszönes wirtschaftliches Wachstum. Natürlich ist China nicht allein, China teilt sich die Welt mit den USA und Europa mischt in Afrika natürlich auch noch mit. Hier jetzt weiterzuerzählen würde jedweden Rahmen sprengen. Eine Sprengkraft, der sich der investigative Journalist Tom Burgis jedoch gewidmet hat.
In seinem lesenswerten Buch: Der Fluch des Reichtums führt er uns in das Herz dieser Ausbeutung und schildert aufschlussreich, wie und wohin die Fäden genau verlaufen und wer genau an ihnen zieht. Nach diesem Buch wird man Afrika definitiv mit anderen Augen sehen. | © Westend Verlag |
Reichtum als die Kehrseite der Armut
Vor allem die geradezu abstruse Tatsache, dass Reichtum und Armut in Afrika dermaßen nah beieinander liegen, dass das eine praktisch die Kehrseite des anderen ist, scheint eine Lektion, die aus der Lektüre zu lernen ist. Zwielichtige Händler*innen, schamlose Konzerne und ein Kontinent, der sich wohl nie aus diesen Klauen lösen wird können.
Wenn es nicht der Wahrheit entspräche, wäre dieses Buch ein ausgezeichneter Wirtschaftskrimi. Doch so ist Burgis Werk, trotz erzählerischer Virtuosität, ein erschütterndes Sachbuch, bei dem man eigentlich zum Lesen abraten will, weil die Wahrheit (im Gegensatz zum abgelutschten Ingeborg Bachmann Zitat) in dieser Form alles andere als dem Menschen zumutbar erscheint. Vor allem deshalb nicht, weil es nicht einen einzigen Funken Hoffnung gibt, an dem man sich als Lesende*r festhalten könnte. Die Lage für Afrika scheint einfach nur noch aussichtslos. Eine Erkenntnis, die man vielleicht nicht unbedingt erlangen will.
Titelbild © Shutterstock
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