Seit Tagen tobt auf Twitter ein Shitstorm gegen Falter-Chefredakteur Florian Klenk. Der Grund: Er habe einen ungeschwärzten Ermittlungsakt an Plagiatsprüfer Stefan Weber gesendet. Dieser sollte die wissenschaftliche Seriosität der Meinungsforscherin Sabine Beinschab prüfen. Stattdessen sollte er Details zum Privatleben einer WKStA-Mitarbeiterin geleakt haben. Handelt es sich dabei wieder nur um ein Ablenkungsmanöver der türkisen Fraktion?
Kurze Zeit später wird ein Artikel des ÖVP-nahen Mediums „eXXpress“ veröffentlicht, in welchem der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft Amtsmissbrauch vorgeworfen wird. Jene Wirtschaftsexpertin, die in der WKStA für die Auswertung der veröffentlichten Schmid-Chats zuständig war, soll auch die Lebensgefährtin eines dort tätigen Oberstaatsanwalts sein. Dies sei allerdings kein Problem und bereits geprüft worden sein, so die Oberstaatsanwaltschaft.
Wie gelangte eXXpress überhaupt an diese Informationen? Klenk erklärte in einem Tweet, dass er den Medienwissenschaftler Stefan Weber schon lange kenne und ihm vertraut habe. Die Intention des Falter-Chefredakteurs sei lediglich die Überprüfung des Akts durch den Plagiatsprüfer gewesen.
Stattdessen übermittelte Weber die streng vertraulich zu behandelnden Dokumente offenbar an das ÖVP-nahe Medium, welches den Falter-Chefredakteur und ÖVP-Kritiker schon sehr lange im Visier hat. Dabei interessierte Stefan Weber lediglich die Liebesbeziehung zwischen der Wirtschaftsprüferin und dem Oberstaatsanwalt. Aber weshalb? Abgesehen davon, dass diese Information auch in puncto einer möglichen Befangenheit des Oberstaatsanwalts irrelevant ist: Wen könnte diese Tatsache sonst interessieren? Außer die ÖVP, die schon länger mit der WKStA in Konflikt steht?
Der ewige Kampf zwischen der ÖVP und WKStA
Ein kurzer Rückblick: Im Sommer 2021 verglich ÖVP-Chef und nun Ex-Bundeskanzler Sebastian Kurz die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft mit der katholischen Kirche. Man müsse die Arbeit von Einzelpersonen in der WKStA kritisch hinterfragen, so Kurz. Schließlich seien Missbrauchsfälle in der Kirche auch vertuscht worden.
Der Vergleich hinkt natürlich an allen Ecken und Enden. Die Vereinigung Österreichischer Staatsanwältinnen und Staatsanwälte reagierte ebenso wie die Opposition nicht erfreut über diese Gegenüberstellung. Kurz habe damit „auf subtile Art und Weise Teile der Justiz in der Öffentlichkeit diskreditiert, ohne die vermeintliche Kritik durch Tatsachen zu konkretisieren“.
Im Februar 2021 soll er intern sogar behauptet haben, die WKStA würde ein Netzwerk roter Staatsanwälte darstellen, das gezielt gegen seine Partei vorgehe und außerdem Dokumente an die Öffentlichkeit bringe. Das Justizministerium entschied im Juli 2021 aufgrund eines entsprechenden Antrags seitens Kurz, dass dieser nicht von der WKStA, sondern einem unabhängigen Richter einvernommen werden solle. Fürchtet sich Sebastian Kurz wirklich vor einem potenziell roten Staatsanwalt? Oder nicht vielleicht doch eher vor der gewissenhaften Arbeit der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft, die das Ende seiner Karriere bedeuten könnte?
Die Taktik der Liste Kurz
Was könnte der „Liste Kurz“ in ihrer derzeit ausweglosen Situation also nützen? Nachdem sowohl Kurz als auch Finanzminister Blümel in den letzten Monaten die Aufmerksamkeit ihrer Wählerschaft auf ihre (werdende) Vaterschaft lenkten und dies wohl nicht mehr aktuell genug zu sein scheint, muss ein neuer Skandal her. Ein blöder Fehler einer der bekanntesten Investigativjournalisten Österreichs kommt der ÖVP also mehr als nur gelegen. Florian Klenk soll laut einem Artikel des Onlinemagazins eXXpress mit der WKStA unter einer Decke stecken. Denn wie kann es sein, dass ein Journalist Zugriff auf geheime Akten hat?
Wie gelangen Journalist:innen an relevante Informationen?
Investigativjournalist:innen erhalten Gerichtsakten in der Regel auf legalem Weg von Untersuchungsausschüssen und beteiligten Parteien bzw. deren Vertreter:innen. Außerdem ist es in dieser Branche durchaus üblich, sich mit Kolleg:innen über die erhaltenen Informationen auszutauschen.
Dieses Vorgehen dient der Vermeidung von möglichen Fehlern bei der Arbeit (Stichwort: Check, Re-Check, Double-Check). Klenk übermittelte Weber den Beinschab-Akt lediglich zu dem Zweck, ihn auf Beinschabs Methodik zu prüfen. Damit unterlag der Chefredakteur allerdings dem Irrtum, in Stefan Weber einen vertrauenswürdigen Kollegen zu haben.
Journalist·innen bekommen Justizakten übr. normalerweise aus dem Umfeld von Beschuldigten. Diese und ihre Anwält·innen haben Akteneinsicht. In der Inseraten-Affäre alleine gibt es 10 Beschuldigte. Von Verfahrensbeteiligten Akten entgegenzunehmen, ist in keiner Weise illegal.
— Armin Wolf (@ArminWolf) October 24, 2021
#faltergate
Die ÖVP-Gefolgschaft schießt sich auf Twitter nun unter dem Hashtag „faltergate“ auf einen Journalisten ein, der gegen das Datenschutzrecht verstoßen haben soll, weil er Dokumente an Dritte übermittelte, ohne die Namen der darin genannten Personen zu schwärzen. Der Inhalt des Akts scheint also mittlerweile irrelevant zu sein.
Linke Medien seien laut der rechtskonservativen Fraktion der Twitteria Schuld daran, dass „Regierungen erschüttert werden“. Nicht etwa die Tatsache, dass Meinungsforscherin Sabine Beinschab verhaftet wurde und nach ihrem abgelegten Geständnis nun als Kronzeugin aussagt. Es ist also klar, dass das Ende dieser türkisen Machenschaften naht und dies kann auch ein Hashtag nicht mehr aufhalten.
Wenn uns jetzt das Liebesleben von WKStA-Mitarbeiter·innen beschäftigen soll oder die Frage, woher Journalist·innen Akten bekommen, und nicht der Inhalt dieser Akten, dann hat das exakt das Ziel, das Trumps Desinformations-Chef Bannon formuliert hat: Flooding the zone with shit.
— Armin Wolf (@ArminWolf) October 24, 2021
Titelbild © Shutterstock
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