Femizide in Österreich. In kaum einem EU-Land werden mehr Frauen ermordet als Männer – in Österreich ist das die Norm. Erst kürzlich wurde in Salzburg wieder eine Frau getötet. Doch woran liegt das?
Femizide: in Österreich besonders viele Frauen getötet
Das Europäische Institut für Gleichstellungsfragen definiert Femizid als „von privaten und öffentlichen Akteuren begangene oder tolerierte Tötung von Frauen und Mädchen wegen ihres Geschlechts“. Seit Jahren warnen Expert*innen, dass in Österreich besonders viele Frauen getötet werden. Im Jahr 2023 (Stand 8.11.) wurden von den Autonomen Frauenhäusern bereits 25 mutmaßliche Femizide erfasst. In beinahe allen Fällen geschah der Mord durch den aktuellen Partner oder Expartner. Gefährlich wurde es für Frauen vor allem dann, wenn diese sich trennen wollten bzw. sich bereits getrennt hatten.
Femizide in Österreich: Der eigene Partner als größte Gefahr
Im internationalen Vergleich gibt es in Österreich grundsätzlich eine tendenziell geringe Mordrate. Dies lässt sich damit begründen, dass in Österreich wenig kriminelle Subkulturen (z. B. Bandenkriminalität) etabliert sind. Österreich ist demnach (zumindest für Männer) ein relativ sicheres Land, die jährliche Zahl männlicher Opfer ist sehr niedrig.
Für Frauen sieht es diesbezüglich anders aus. Über 90 Prozent der Morde an Frauen finden in Beziehungskonstellationen statt. Die gesellschaftlich etablierten Rollenbilder ermöglichen eine solche Entwicklung. Es ist ein misogynes Morden, als Antrieb gelten Hass, Verachtung und Machtgelüste.
Gewalt gegen Frauen wird häufig als ein Frauenproblem dargestellt. Oft werden diese anstatt der gewalttätigen Täter für ihre Gewalterfahrungen verantwortlich gemacht. Aus diesem Grund trauen sich gewaltbetroffene Frauen oft nicht, nach Hilfe zu suchen oder über ihre Gewalterfahrungen zu sprechen. Nur 4 von 137 Frauen, die zwischen 2016 und 2020 ermordet wurden, suchten davor den Kontakt zu Hilfsorganisationen. Auch finanzielle Abhängigkeiten sorgen dafür, dass sich Frauen nicht von ihrem gewalttätigen Partner trennen. Häufig ist der Mord der grauenvolle Höhepunkt einer langen und schmerzhaften Gewalterfahrung.
Gewalt an Frauen ist ein Männerproblem
Obwohl gewalttätiges Verhalten ein Problem ist, welches Männer betrifft, scheint das Sprechen über Gewalt an Frauen in Österreich nach wie vor tabuisiert zu werden. Zwar hatte Frauenministerin Susanne Raab (ÖVP) im Juli eine Kampagne gegen Gewalt an Frauen angekündigt, auch Fallkonferenzen zwischen Einrichtungen und Polizei (zur Identifizierung von Hochrisiko-Täter) wurden etabliert.
Nichtsdestotrotz erscheinen diese Maßnahmen als nicht ausreichend, wenn man sich die jährlichen Zahlen von Femiziden ansieht. Auch die Frauenring-Chefin Klaudia Frieben kritisiert das aktuelle System. Die Verurteilungen bei Gewalt gegen Frauen seien weiter zu gering. Außerdem würden Frauen häufig nach einem ausgesprochenen Betretungsverbot zu wenig geschützt werden. Ähnlich verhalte es sich mit nach einer Trennung von einem bereits gewalttätig bekannten Mann.
Über die zahlreichen Mordversuche an Frauen werde ebenso häufig nicht gesprochen. Gewalt an Frauen muss gesellschaftlich sichtbarer werden. Es braucht mehr Präventionsmaßnahmen, um Frauen in Zukunft besser zu schützen.
Femizide in Österreich: Opferschutz stärker priorisieren
Opferschutz muss zukünftig stärker priorisiert, Frauenhäuser und andere unterstützende Anlaufstellen ausgebaut und ausreichend finanziert werden. Auch an der gesellschaftlichen Etablierung eines differenzierten Männerbilds muss gearbeitet werden, denn patriarchale Strukturen schaden nicht nur Frauen, sondern auch Männern.
Männer haben oft das Gefühl, dass sie nicht schwach sein dürfen. Vielen von ihnen fehlt ein entsprechendes Ventil für ihre negativen Emotionen. Auch psychologische Hilfe nehmen sie weniger in Anspruch, die Suizidrate von Männern ist demnach höher als die von Frauen.
Daraus resultiert häufig aggressives und gewalttätiges Verhalten, welches sich gezielt gegen Frauen richtet und im Extremfall tödlich für diese endet. Die Gleichstellung beider Geschlechter und die gesellschaftliche Aufarbeitung von toxischen Geschlechterrollen ist deshalb langfristig gesehen der beste Hebel gegen Gewalt.
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