Die Opioid-Krise in den USA hält weiter an. Die Zombie-Droge ist das beste Beispiel dafür. Doch wird Europa bald dasselbe Schicksal ereilen? Denn dem Drogenmarkt der EU steht ein Heroinmangel bevor. Das könnte für mehr Konsum von Fentanyl sorgen. Warum das problematisch ist, erfährst du in diesem Artikel.
Die Opioid-Krise in den USA
Seit etwa zwei Jahrzehnten breitet sich in den Vereinigten Staaten eine Opioid-Krise aus. Der Ursprung lag in US-amerikanischen Arztpraxen und Apotheken, wo legal verschriebene Schmerzmittel mit dem Wirkstoff Oxycodon weit verbreitet waren. Zu spät wurde die gefährliche Abhängigkeitswirkung erkennt bzw. hat man diese nicht wirklich sehen wollen, weil Pharmaunternehmen daran natürlich entsprechend verdient haben. Filme wie Painkiller, Dopesick und andere Produktionen versuchen diese Opioid-Krise aufzuarbeiten.
Während der Wirkstoff als halbsynthetisches und hochwirksames Opioid in Deutschland bereits seit 1929 den Beschränkungen des Betäubungsmittelgesetzes unterliegt, bevorzugten die Vereinigten Staaten Amerikas einen anderen Ansatz. Im Jahr 1996 brachte Purdue Pharma den Wirkstoff unter dem Namen Oxycontin einfach auf den Markt und schaffte es durch Lobbyarbeit und aggressive Werbung, das verschreibungspflichtige Schmerzmittel als äußerst wirksam, jedoch kaum süchtig machend zu präsentieren.
Daraus resultierend verschrieben amerikanische Ärztinnen* und Ärzte das Medikament sogar bei leichten Schmerzen wie Zahnschmerzen. Im Jahr 2010 erzielte Purdue Pharma in den USA mit Oxycontin einen Umsatz von über 3,5 Milliarden Dollar.
Fentanyl in den USA: Abhängigkeit und Absturz ins Drogenmilieu
Eine beträchtliche Anzahl der so behandelten Patient*innen geriet daraufhin in die Abhängigkeit von Oxycodon und, bedingt durch fehlende Krankenversicherung, auch in finanzielle Schwierigkeiten. Nachdem zunächst ein offizieller Markt entstanden war, auf dem Ärzte und Ärztinnen* gegen „Spenden“ bereitwillig Oxycontin verschrieben – einschließlich Schmerzkliniken, die das Medikament exzessiv verordneten –, entwickelte sich auch ein Schwarzmarkt mit illegal produziertem Oxycodon.
Aufgrund der schon erwähnten finanziellen Schwierigkeiten stiegen jedoch viele Abhängige auf das kostengünstigere Opioid Heroin und mittlerweile auf das noch einmal um einiges billigere Fentanyl um. Zum Vergleich: Ein Kilogramm Heroin kostet zwischen 30.000 und 50.000 US-Dollar. Ein Kilogramm Fentanyl bekommt man schon für nur 12.000 US-Dollar, wie es Max Daly für Vice ausgerechnet hat.
Mittlerweile verdienen mexikanische Drogenkartelle sowie chinesische Rohstoffhändler gut an der Opioid-Krise. Gleichzeitig verhinderten die andere Mentalität sowie andere Beschaffungspreise in Europa, dass die Opioid-Krise im gleichen Maßstab auch bei uns ausbricht. Fentanyl fristet hierzulande und insgesamt in Europa eher ein Nischendasein im illegalen Drogenmarkt. Noch! Denn es scheint, dass ein verehrender Umschwung sich anbahnt.
Fentanyl-Krise bald auch in Europa?
Denn bald soll es zu einem Heroinmangel in Europa kommen, wie die taz befürchtet. Es wird angenommen, dass, sollte sich dies bewahrheiten, viele Abhängige dann einfach auf die billigere und auch stärkere Alternative Fentanyl umsteigen könnten. Und diese Angst ist alles andere als unbegründet.
Heroin oder Fentanyl, beide sind morphinähnlich und wirken beruhigend und schmerzlindernd. Doch im Gegensatz zum vollsynthetischen Fentanyl wird Heroin aus Schlafmohn hergestellt. Dieser wird dann weiterverarbeitet. Daher ist Heroin „nur“ halbsynthetisch. Methadon, das Heroin-Substitut, das verschrieben wird, um Süchtige von Heroin wegzubekommen, ist ebenfalls vollsynthetisch.
Fentanyl in deutschen Städten
In mehreren deutschen Städten konnte Fentanyl vereinzelt schon im Heroin nachgewiesen werden. „Zwischenzeitlich steht der Nachweis von Fentanyl bei Drogentoten in Bayern bereits an zweiter Stelle nach Heroin.“, wie das bayrische Arztblatt berichtet. Beimengungen von Fentanyl im Heroin führen zu einem Gewöhnungseffekt, mit dem Ergebnis, dass das Heroin allein einfach nicht mehr ausreicht, da die Konsument*innen mit der Zeit eine stärkere Wirkung erwarten. So wurde auch in den USA Heroin schon vom Markt verdrängt.
Und Fentanyl ist etwa 50- bis 100-mal so stark wie Heroin. Zudem kommen Überdosen bei Fentanyl häufiger vor. Von 107.000 Opioid-Toten in den USA im Jahr 2022 starben etwa 70.000 Menschen an den Folgen von Fentanyl. Die Vergiftung durch synthetische Opioide wie Fentanyl ist jedoch schwer erkennbar, weshalb von einer großen Dunkelziffer auszugehen ist.
In Deutschland starben im Jahr 2022 mit 1.194 Menschen vergleichsweise wenige Menschen an Opioiden. Doch das könnte sich bald ändern, da sich der Drogenmarkt selbst bald stark transformieren könnte.
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Drogenmarkt EU im Wandel: Kein Heroin aus Afghanistan mehr?
Was verursacht diese befürchtete Veränderung? Mitte 2021 übernahmen die Taliban die Macht in Afghanistan. Knapp ein Jahr später verhängten sie ein Verbot für den Mohnanbau. Schon 2023 ist die Anzahl der Mohnfelder in Afghanistan stark zurückgegangen. Von einem Rückgang um bis zu 99 Prozent ist die Rede. Zum Vergleich: Um die 80 Prozent des Heroins in Europa kommen aus Afghanistan. Eine Verbindung zwischen dem europäischen Heroinmarkt und der Entwicklung des afghanischen Opiumanbaus ist daher mehr als naheliegend.
Derzeit gibt es zwar noch keinen Heroinmangel in Europa. Es dauert jedoch nach der Mohnernte 12 bis 18 Monate, bis das fertige Produkt auf dem europäischen Drogenmarkt landet. Erste Auswirkungen sind daher erst im nächsten Jahr zu befürchten. Etwaige Vorräte könnten diese Engpässe noch ausgleichen, aber natürlich nicht lange zurückhalten.
Es ist jedoch immer noch unsicher, ob dieses Verbot wirklich so radikal umgesetzt werden wird, denn schon 2000 verhängte die Taliban ein Mohnanbauverbot, was das Konsumverhalten veränderte. Fentanyl tauchte ab da erstmals in Europa auf, und verbreitet sich vor allem im Baltikum. Estland kämpft noch heute mit einem Fentanyl-Problem.
Doch das damalige Verbot der Taliban hielt nicht lange an. Über die Dauer des aktuellen Verbots kann daher nur spekuliert werden, da die Taliban wirtschaftlich stark vom Mohnanbau profitieren.
Fentanyl-Herstellung leichter als Heroinimport
Ein weiteres Problem: Die Herstellung von Fentanyl wäre in Europa natürlich um einiges leichter, als der Import von Heroin. Die Infrastruktur zur Herstellung synthetischer Drogen wie Fentanyl ist nämlich gegeben. Auch für Drogenhändler*innen ist der Handel mit synthetischen Opioiden um einiges einfacher. Die hohe Wirkkraft ermöglicht es, kleine Mengen zu schmuggeln, die leichter zu verstecken sind, zugleich aber dennoch die Nachfrage abdecken können.
Die Befürchtung, dass Fentanyl bald auch in Europa eine große Bedrohung darstellen könnte, ist berechtigt. Um eine Epidemie wie in den USA zu vermeiden, wird man daher vermutlich noch so einiges zu tun bekommen.
Titelbild © Shutterstock
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