Horst Neger GmbH: Rassismus oder „nur“ eine Geschmacklosigkeit?

„Sie werden sich wundern, was alles geht!”. Diesen Spruch hat einst ein erfolgloser Präsidentschaftskandidat geprägt, bevor er mit Ach und Krach abstürzte. Und tatsächlich in regelmäßigen Abständen wundern wir uns in Österreich, was so alles geht. So ähnlich stand es auch letztens in einer Twitter caption, welche mich beim durchscrollen schwer wundern ließ. Zu sehen darauf ist ein weißer Lastwagen wie es sie vermutlich zu Tausenden auf Österreichs Straßen gibt. Doch das Firmenlogo, das dabei stolz auf der Seite prangt und die dazugehörige Wort-Bild-Kombination der Marke dürften wohl in der Form einzigartig sein. Also je nachdem, wie man es auslegt: Einzigartig geschmacklos oder einzigartig ignorant? Ist das bereits Rassismus oder doch „nur“ geschmacklos?
Denn so viel Unachtsamkeit muss doch schon an Absicht grenzen, oder etwa doch nicht? Online waren sich viele User:innen einig, dass jemand, der bei diesem Firmennamen eine Grafik wie diese wählt, wohl absichtlich mit Vorurteilen spielt. So etwas im Jahr 2021. Denn scheinbar geht dies noch immer als erfolgreiche Werbestrategie durch. Wiederum sagt es aber mindestens ebenso viel über das Umfeld wie die Firma selbst aus.
CN:#Rassismus
Was in Österreich alles möglich ist. pic.twitter.com/0rKLMTJMHz— vassili (@c_vassili) October 15, 2021
Firmenwagen mit fragwürdiger Wort-Bild Kombination
Der weiße Lieferwagen hatte als Logo auf der Seite in überzeichnetem Comicstil einen dunkelhäutigen Mann abgebildet. Die Person ist dabei im selben dunklen Schwarzton wie die Schrift. Es sind aber eher die Merkmale, mit der die Figur ausgestattet ist. Und das bei diesem Firmennamen, den manche User auf Twitter als rassistische Entgleisung bezeichnen.
Die Implikation des Firmennamens an sich in das Logo ist eine weitverbreitete Strategie und mag auf den ersten Blick noch recht harmlos wirken. Wort-Bild halt, was solls? Die eigentliche Frage, die sich dabei stellt, ist folgende: Gilt das auch noch als harmlos, wenn der Name des Familienunternehmens „Horst Neger GmbH“ lautet und mit einem Logo, das herabsetzend und rassistisch einen dunkelhäutigen Menschen darstellt, kombiniert wird?
Ein rassistischer „Schenkelklopfer“, der wohl in Österreich die Zeit überdauert hat. Und anscheinend auch bis heute noch immer nicht als geschäftsschädigend gilt. Als hätte man es geschafft, das N-Wort auszusprechen, ohne dafür zur Verantwortung gezogen zu werden (hihi). Wenn man die Firmengeschichte auf der Homepage etwas genauer studiert, versteht man, dass die Wort-Bild-Kombination sowie das Logo aus einer Zeit stammen, in der rassistische Vorurteile und herabsetzende Bilder als Teil der kolonialem Norm galten.
Immerhin produziert die „Horst Neger GmbH“ Limonaden Erzeugnisse seit 1912. So was galt als harmlose Werbung und entsprach einer völlig grauslichen Normalität. Zu der Zeit gab es wohl vieles, was wir heute als absolut inakzeptabel bezeichnen.
Soweit so gut, aber hätte man es nicht schon längst ändern können? Immerhin haben wir mehr als hundert Jahre später. Es wirft natürlich Fragen auf, dass man da noch immer daran festhält und die Geschmacklosigkeit angeblich noch immer nicht bemerkt. Ist das Ignorieren des Offensichtlichen als ein Teil einer rassistischen Werbebotschaft gedacht? Ein Code für alle, die so was vertretbar finden?
Die „Horst Neger GmbH“: Rassismus Eklat durch Logo
Dabei könnte die Figur auf dem Logo in der Ausführung nicht deutlicher vor billigen Klischees strotzen. Alles aus einer kolonialen, menschenverachtenden Epoche auf einem Blick. Jeglicher rassistische Müll, den man sich dazu vorstellen kann, wird hier bedient. Der Mann ist barfüßig unterwegs, zeigt mit seiner linken Hand auf den Firmennamen, seine wilden Haare, seine dicken Lippen und die weit aufgerissenen Augen lassen dabei kein Vorurteil aus. Selbstverständlich trägt er auch einen Lendenschurz.
Bei dem Lieferwagen handelt es sich um einen der Limonaden Erzeugung Firma „Horst Neger GmbH“ aus Mautern. Auf dem Lieferwagen steht aber lediglich „Neger GmbH“, ein kleines Detail, das Fragen aufwirft. Wurde der Firmenname hier abgekürzt, damit die rassistische Wort-Bild Marke noch stärker wirkt? Vielleicht aber auch nur eine unachtsame Entscheidung aufgrund von Platzmangel auf den LKWs?
Schuld durch den Familiennamen?
Eins sollte man an der Stelle verdeutlichen. Dem Unternehmen allein aufgrund ihres Namens „Neger“ und die Implikation im Firmennamen, der ja bloß ihr Familienname ist, Rassismus vorzuwerfen, wäre ebenso vorurteilsbehaftet und dumm, wie bei der Kombination aus Firmenname und Logo zu schweigen. Ja, die Familie „Neger“ sind Limonaden Erzeuger:innen und machen das schon seit 1912.
Soweit so gut, soweit nicht verwerflich. Aber Fakt ist, wir haben mittlerweile 2021 und das sie ihren rassistischen Fauxpas bis jetzt nicht bemerkt haben, kaufen ihnen viele Österreicher:innen einfach nicht mehr ab. An rassistischem Kalkül kann man sich übrigens genauso bedienen, auch ohne auf der persönlichen Ebene im geringsten ein:e Rassist:in zu sein.
Rassismus Kritik blieb vorerst unerhört
Meine Empörung darüber war anfangs nicht sehr groß. Wir leben in Österreich. Ein „bissal“ Rassismus ist irgendworecht häufig dabei. Wie auch bereits andere Fälle aus der Vergangenheit gezeigt haben, bleiben Unternehmen auch oft nach zahlriechen Hinweisen weiterhin stur. Man kann sich hier mit dem klassischen „Wir haben es ja nicht gewusst, wir sind Opfer, nicht Täter!“ herausreden.
Beim näheren Hinschauen fällt aber eines auf. Es ist nämlich nicht das erste Mal, dass diese Wort-Bild-Kombination für Aufsehen sorgt. Nein, sie scheint wohl in der Vergangenheit schon öfter und ebenso dem österreichischen Werberat negativ aufgefallen zu sein. Denn bereits 2017 gab es eine Beschwerde dagegen. Vier Jahre Später scheint es aber immer noch keine Einsicht seitens des Unternehmens gegeben zu haben.
Entscheidung des Werberats von 2017:
„Die Werbung des Getränkelieferanten bedient sich rassistischer Symbolik, die in Afrika und in der afrikanischen Diaspora lebende Menschen entwürdigt. Zwar hat sich der Eigentümer des Vertriebs seinen Nachnamen nicht ausgesucht, jedoch ist die Instrumentalisierung kolonialer Symbolik zu Werbezwecken beleidigend und respektlos.“
Trotz des Hinweises und der deutlichen Beschwerden blieb alles auf den Lastwägen unverändert. Hier ist anhaltende Kritik also nach wie vor noch durchaus berechtigt. Das man krampfhaft an solch verletzenden Wort-Bild-Kombination weiter festhält, ist heutzutage für viele nicht mehr akzeptabel. Ein Punkt in dem sich auch die meisten User auf Twitter unter dem besagten Bild in den Kommentaren einig waren.
Werberat setzt auf Selbstregulierung
Immer wieder gab es in der Vergangenheit in Österreich öffentliche Empörung aufgrund von diskriminierenden Werbeinhalten. Offiziell gibt es aber kein gesetzliches Verbot für diskriminierende Werbung und der Werberat spricht sich auch gegen ein solches aus. Es gibt aber einen österreichischen Ethik-Kodex der Werbewirtschaft, der laufend auch auf aktuelle gesellschaftliche Veränderung und im Hinblick auf soziale Verantwortung aktualisiert wird. Man setzt eher auf Einsicht und Selbstregulation. So hofft man einen nachhaltigeren Effekt zu erzielen.
Auch international gibt es ein stetig steigendes Bewusstsein für herabsetzende Stereotypen in der Werbung. Im letzten Jahr wurde diese Entwicklung auch durch die „Black Lives Matter“ Bewegung weiter vorangetrieben. Die Unternehmen reagieren aber auf geäußerte Kritik in unterschiedlichster Art und Weise. Während „Uncle Ben’s“ zum Beispiel eine komplette Überarbeitung ihres Logos versprach, fiel bei einem unserer heimischen Unternehmen die Reaktion völlig anders aus. Die Rede ist hier von der „Mohrenbrauerei“ und ihrer Biermarke „Mohrenbräu“ inklusive Logo.
Verklärtes Verständnis von Tradition
Hier gab es zusätzlich zu den Hinweisen des Werberates auch einen waschechten Shitstorm, der aber eine peinliche Jetzt-erst-recht-Dynamik in Gang setzte. Bis heute hält die Marke am rassistischem Stereotyp im Namen „Mohrenbräu“ und dem Logo fest. Ein verklärtes Verständnis von „Tradition“ wurde hier sozialem Verantwortungsbewusstsein vorgezogen. Aber allein die Tatsache, dass heute eine öffentliche Debatte darüber stattfindet sowie die Möglichkeit, Kritik daran zu äußern, ist in Österreich bereits ein schmaler Lichtblick.
Ein ebenfalls sehr gut dokumentiertes Beispiel ist der Fall „Meinl am Graben“. Denn nach anfänglicher Verteidigung des „Meinl-Mohren-Kopf“ Logos wurde es schließlich 2014 überarbeitet. Im Seitlichen Schattenprofil des neuen Logos war die Andeutung zwar optisch noch deutlich wahrnehmbar, jedoch wurde ein Prozess der Veränderung in Gang gesetzt. Das in diesem Fall auch ein positives Ende nahm.
Denn wie „Meinl am Graben“ vor Kurzem bezüglich seiner Neueröffnung bekannt gab, wurde das Markenzeichen ein weiteres Mal überarbeitet. In Zukunft wird man komplett ohne dem umstrittenen „Mohren-Kopf“ auskommen. Es hat zwar bis 2021 gedauert, aber ab jetzt wird man lediglich mit dem „Meinl-Hut“ weiter werben. Was 2007 als Protest von antirassistischen Aktivist:innen begann, zeigt 14 Jahre später Wirkung und verdeutlicht, wie wichtig Kritik in solch einem Entwicklungsprozess sein kann.
Folgt Späte Einsicht bei der „Horst Neger GmbH“?
Man kann nur hoffen, dass in Zukunft eine späte Einsicht noch folgt und die Firmenführung geschmacklose Werbung auf Kosten von anderen überdenkt. Seinem Namen muss niemand ändern. Einzig mit solch einem Logo sollte man nicht noch in solch eine Kerbe schlagen. Diese Zeiten sind eindeutig vorbei. Ich bin mir sicher, dass das Familienunternehmen in Hinblick seiner langen erfolgreichen Firmengeschichte keinen wirtschaftlichen Einbußen durch rückständige rassistische Provokationen riskieren will.
Vielen Dank für die Meldung! Wir haben sie an die Beratungsstelle GegenRassismus weitergeleitet.
— ZARA – Zivilcourage und Anti-Rassismus-Arbeit (@Verein_ZARA) October 19, 2021
Wie sagt man in Unternehmerkreisen so schön: „Der Markt regelt das“. Und man will sicher auf keinen Fall Opfer der heute aktuellen cancel culture werden. Währenddessen haben engagierte User:innen das Bild auf Twitter an die Anti-Rassismus Beratungsstelle „ZARA – Zivilcourage und Anti-Rassismus-Arbeit“ weiter geleitet. Diese haben wiederum eine Meldung bei der „Beratungsstelle gegen Rassismus“ eingehen lassen. Hoffentlich hilft das dem Familienunternehmen „Horst Neger GmbH“ in Zukunft, bessere Entscheidungen bei ihrer Werbung zu treffen.
Titelbild © Twitter / @c_vassili
DAS KÖNNTE SIE AUCH INTERESSIEREN
Nahtoderfahrungen: Real oder doch nur Konstruktion des Gehirns?
Sind Nahtoderfahrungen real oder doch nur Fiktion? Wissenschaftler*innen haben sich dieser Frage gewidmet.
ViennaFlight – die Welt des Fliegens hautnah erleben
Mit einer beachtlichen Auswahl an Fluggeräten könnt ihr bei ViennaFlight neue Höhen erreichen. Egal, ob ihr endlich euren Traum vom […]
Ohne Seife duschen: was du darüber wissen solltest
Ohne Seife duschen? Deine ultimative Horrorvorstellung? Trotzdem solltest du bedenken, dass Duschgel nicht gerade gut für dich ist.
"#IbizaUA verlängern!": sinnlose Petition oder wichtiges Zeichen?
Die zwei „Ritter des Untersuchungsausschusses“, Dr. Stephanie Krisper von den Neos und Kai Jan Krainer von der SPÖ, haben auf […]
Organics Talentville: Keynotes, Paneldiskussion und Workshops
Passend zu dem Motto ,,Talent comes naturally” finden kreative Talente hier Anklang. Bei der ersten Edition von ORGANICS TALENTVILLE am […]
Catfishing und Romance-Scam: Tinder, Lovoo und Co. als Spielplatz für Betrüger
Catfishing hat nicht immer zum Ziel, das Gegenüber um Geld zu bringen. Manchmal sucht jemand mit Hilfe einer anderen Identität […]