Sensible Inhalte – außergewöhnliche Kampagne für Menschen im Iran

Mit einer ungewöhnlichen Kampagne ruft Amnesty International Österreich für den Einsatz zum Schutz der Menschenrechte im Iran auf. Warda war nicht nur da, sondern auch dabei.
Seit September 2022 Proteste gegen autoritäres Regime
Seit September 2022 protestieren Menschen im Iran gegen das autoritäre Regime des Staates. Auslöser der landesweiten Massenproteste war der Todesfall der 22-jährigen Jina Mahsa Amini, die von der Sittenpolizei wegen ihres angeblich falsch getragenen Kopftuchs festgenommen wurde und anschließend in Polizeigewahrsam starb. Seitdem wurden tausende Protestierende inhaftiert und gefoltert sowie mehrere Todesstrafen verhängt und durchgeführt.
Richteten sich die Proteste ursprünglich noch gegen die rigiden Kleidungsvorschriften für Frauen, sind mittlerweile die Mullahs deren Ziel. Diese regieren den Iran seit der islamischen Revolution 1979. 522 Menschen wurden nach Angaben der Nichtregierungsorganisation Iran Human Rights (IHR) seit September 2022 getötet.
Die versteckte Botschaft
Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International, die sich schon seit Jahren für die Einhaltung und den Schutz der Menschenrechte im Iran einsetzt, sorgt nun mit einer auffälligen und gewitzten Kampagne für Aufsehen. Darin ruft die Organisation die österreichische Bevölkerung zu weiterer Unterstützung auf. Jedoch anders, als man dies erwarten würde.
Denn aus dem in der Wiener und Linzer Innenstadt zu sehenden Sujet werden Passant*innen zunächst nicht schlau. Abgebildet ist ein verschwommenes Bild mit der Warnung, dass dahinter sensible Inhalte verborgen seien. Für Nutzer*innen von Instagram, Twitter, Reddit & Co. nichts Neues, denn diese Inhaltswarnungen sind auf eben jenen Plattformen häufig zu sehen.
Was online ganz einfach mit einem Klick funktioniert – man stimmt der Warnung zu, klickt auf „OK“ oder „Weiter“ und gelangt schließlich zum „sensiblen Inhalt“. Auf der Straße und in den Printmedien wird dies anders gelöst. Durch das Scannen eines QR-Codes – bekannt aus moderner aufgestellten Restaurants, wo es keine analoge Speisekarte mehr gibt und man das Menü eben über einen QR-Code mit seinem Mobiltelefon selbst abrufen muss – können an dem „sensiblen Inhalt“ interessierte diesen QR-Code scannen und gelangen so zu der versteckten Botschaft.
Auf einer Landingpage von amnesty.at offenbart sich dann das versteckte Foto: Eine Frau. Ohne Kopftuch. Etwas, das in Österreich Alltag, im Iran allerdings ein Verbrechen ist, das brutale Folgen nach sich zieht.
© Warda Network
Der Kampf für Menschenrechte
Auf der Landingpage erhalten Nutzer*innen wertvolle Informationen über die aktuelle menschenrechtliche Lage im Iran und erfahren über die Arbeit von Amnesty International vor Ort. Frauen im Iran müssen täglich zwischen ihrer persönlichen Freiheit und einer drohenden Verhaftung entscheiden. Sie sind gesetzlich dazu verpflichtet, ab einem Alter von sieben Jahren ihr Haar zu bedecken.
Tun sie das nicht, werden sie vom Staat wie Kriminelle behandelt – wie etwa Yasaman Aryani. Mit gerade mal 24 Jahren wurde sie verhaftet, weil sie über Frauenrechte im Iran sprach und dabei kein Kopftuch trug. Im April 2019 wurde sie zu insgesamt neuneinhalb Jahren Haft verurteilt, seit damals sitzt sie in Teheran im Gefängnis.
Begnadigung
Auch wenn das Regime vor einigen Tagen reagierte und unter dem obersten geistlichen Führer Ayatollah Ali Chamenei eine „Begnadigung und Strafmilderung einer großen Zahl von Beschuldigten“ ankündigte, „die im Zusammenhang mit jüngsten Vorfällen angeklagt oder in anderen Fällen verurteilt wurden“, so ist dennoch nicht wirklich eine Verbesserung in Sicht.
Denn gerade für die bei den Protesten Festgenommenen wird es „strenge Auflagen“ geben. Auch soll diese Begnadigung nicht für alle gelten. Genauere Informationen darüber sind jedoch noch unklar. Es wird vermutet, dass diese Ankündigung lediglich dafür sorgen soll, die nationale wie internationale Kritik am Regine selbst zu ersticken. Daher ist es weiterhin wichtig, informiert zu bleiben.
Das Wachhalten des Bewusstseins
Kampagnen wie jene von Amnesty International Österreich sind ein gutes Beispiel dafür, dass das Bewusstsein für diese desaströsen Verhältnisse immer wieder wachgehalten werden muss. Denn wer meint, dass diese Begnadigungen des Regimes im Land selbst die Dinge verbessern, der irrt. Daher darf der internationale Druck auf den Iran nicht nachlassen und das passiert nur, wenn die Menschen informiert bleiben. Kampagnen wie jene von Amnesty International Österreich sind ein gutes Beispiel dafür.
Annemarie Schlack, Geschäftsführerin Amnesty International Österreich:
„Das Schicksal von Yasaman Aryani steht beispielhaft für viele Frauen, die mutig für ihre Freiheit kämpfen. Obwohl weltweit über die Proteste berichtet wird, wird die Situation für die Menschen im Iran immer schlimmer. Mit dieser Kampagne wollen wir die Österreicher*innen direkt erreichen und darum bitten, uns im Kampf für die Menschenrechte der Menschen im Iran zu unterstützen.“
Warda Network mit Kampagnenkonzept
Konzipiert und durchgeführt wurde die Kampagne übrigens von der Kreativagentur WARDA Network. Dies ist bereits das zweite Mal, dass die Wiener Agentur mit Amnesty International zusammenarbeitet. Um auf die prekäre Situation vieler Geflüchteter aufmerksam zu machen, wurde 2021 ein interaktiver AR-Filter entwickelt, der eine klassische Flüchtlings-Notunterkunft in den eigenen vier Wänden „erlebbar“ macht. Mit der Umsetzung der jetzigen Kampagne über „sensible Inhalte“ konnte man wieder das Kreative mit dem politisch und gesellschaftliche wichtigen Inhalten verbinden.
Eugen Prosquill, Gründer & Geschäftsführer WARDA Network:
„Es ist für uns immer schön unsere Reichweite und Expertise auch für soziale Themen einzusetzen. Kreative Ideen zu wichtigen Themen zu finden ist uns ein Anliegen und es freut uns, dass Amnesty International dem gegenüber offen ist. Wir hoffen, dass wir mit unserer Kampagne etwas zur Unterstützung der Menschen im Iran beitragen können.“
Titelbild © Shutterstock
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