Lisa Eckhart polarisiert und provoziert. Ihr Kabarett sowie ihre Redekunst zeichnen sich durch ein Spiel mit den Extremen aus. In ihren Stilmitteln spielt sie offen mit dem Totalitären. Tabus gibt es dabei keine. Bei ihr darf die Kunst alles. Das spiegelt sich sowohl inhaltlich als auch in ihrer Performance wider, aber ebenso in dem Wechselspiel mit dem Publikum. Manchen geht ihre Provokation zu weit. Für andere ist ihre teilweise schmerzhafte Provokation der Inbegriff von Kunst, die wehtun darf und wehtun muss, um aufzurütteln.
Lisa Eckharts Kabarettprogramm
Lisa Eckharts Kabarettprogramm zu analysieren, ist kein Einfaches. Sie zu canceln oder als untragbar abzustempeln, mag für manche funktionieren, ist aber in der Analyse und in der Kritik zu verkürzt. Denn vielleicht cancelt man dadurch auch Kunst, die jenseits von angepassten Grenzen auf Fehler in unserer Gesellschaft aufmerksam macht.
Und genau das ist schlussendlich die Aufgabe von satirischem, persiflierendem Kabarett. Wir haben uns für euch die Kontroversen rund um die Kabarettistin und Unterhalterin Lisa Eckhart ein bisschen näher angeschaut und uns um eine Einschätzung bemüht. Wie gut uns das gelungen ist, könnt ihr am Ende des Artikels selbst entscheiden.
Aufstieg zur etablierten Kabarettistin und Buchautorin
In der öffentlichen Wahrnehmung tritt Lisa Lasselsberger unter dem Namen Lisa Eckhart auf. Neben Deutsch beherrscht die sprachlich sehr talentierte Lasselsberger auch Englisch, Französisch und Russisch. Das erste Mal wurde Lisa Eckhart im Oktober 2015 für die Öffentlichkeit ein Begriff. Denn da errang sie den zweiten Platz bei den österreichischen Poetry-Slam-Meisterschaften. Bei den deutschen Poetry-Slam-Meisterschaften 2015 in Augsburg schied sie punktgleich mit dem späteren Sieger Jan Philipp Zymny per Losentscheid aus.
Im November 2015 gab Eckhart dann ihr Kabarett-Solodebüt mit dem Stück „Als ob Sie Besseres zu tun hätten“, in dem sie unter anderem im Wiener Theater am Alsergrund auftrat. Für ihr Soloprogramm erhielt sie damals den Förderpreis des österreichischen Kabarettpreises.
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Von da an konnte man sie in regelmäßigen Abständen in diversen Kabarettprogrammen und TV-Formaten finden. Anfang 2018 startete Lisa Eckhart ihr zweites Soloprogramm „Die Vorteile des Lasters“ mit Premiere im Kabarett Niedermair. 2019 trat sie damit vor einem riesigen Publikum beim Donauinselfest auf. Seit Anfang 2019 ist sie ebenso regelmäßig in der wöchentlich ausgestrahlten ARD-Kabarettsendung „Nuhr im Ersten“ zu sehen. Und auch hier finden sich Kontroversen um ihre Kunstfigur und manche Kritiken in ihrem Programm.
Neben ihrem Schaffen als erfolgreiche Kabarettistin ist Lisa Eckhart ebenfalls erfolgreiche Buchautorin. Auf Einladung der Kuratoren las sie beim Literaturfestival O-Töne 2020 aus ihrem Roman „Omama“ vor. Das Buch, das „Ein-Satz-Milieustudien“ aus der Steiermark enthält, war auf verschiedenen Bestsellerlisten in Deutschland und Österreich vertreten und erhielt ebenfalls ambivalente Resonanz von der Literaturkritik.
Lisa Eckhart mit kontroversen Aussagen im Kabarettprogramm
Und jetzt zu dem spannenden Teil. Im August 2020 wurde berichtet, dass das Harbour Front Literaturfestival in Hamburg den geplanten Auftritt von Lisa Eckhart abgesagt hatte. Die Festivalleitung erklärte, dass sie nicht in der Lage sei, bei einer Lesung die Sicherheit der Besucher*innen und der Künstlerin zu gewährleisten.
In einem Schreiben hieß es damals: „Es ist sinnlos, eine Veranstaltung anzusetzen, bei der bereits klar ist, dass sie gestört wird und es wahrscheinlich zu Sach- und Personenschäden kommt. Aus der Nachbarschaft haben wir bereits erfahren, dass Proteste sich formieren.“
In dem „bekanntlich höchst linken Viertel“ werde eine solche Veranstaltung nicht toleriert und selbst Polizeischutz würde die Situation möglicherweise weiter eskalieren lassen und zu Straßenschlachten führen können. Diese Einschätzung stellte sich später als absolut paranoid und hysterisch heraus. Und ermöglichte auch vielen Akteuren, die aktivistische Hamburger Linke als brandgefährlich und gewaltbereit abzustempeln.
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Der Verlag von Lisa Eckhart teilte daraufhin dem Festival mit, dass sie das Angebot, über eine Videolesung am Wettbewerb um den Kühne-Preis 2020 teilzunehmen, nicht annehmen werde. Auch der Schriftsteller Sascha Reh lehnte es ab, bei einer Veranstaltung zu lesen, die sich nicht eindeutig zum Recht auf künstlerische und sprachliche Freiheit bekennt, auch wenn Proteste zu erwarten sind.
„Cancel Culture“ Debatte um nichts
Es folgte das typische und übliche Hickhack rund um die, bis zur Unkenntlichkeit diskutierten „Cancel Culture“. Ebenso ein Mini intellektuellen Beef zwischen Stefanie Sargnagel und Lisa Eckhart, wo kleine Spitzen ausgeteilt wurden. Und natürlich zahlreiche Kommentare wie zum Beispiel von Malte Lehming im Tagesspiegel, Götz Aly in der Berliner Zeitung, Sebastian Friedrich im Zapp und, vielleicht der wichtigste, von Deniz Yücel in einem WELTplus-Artikel.
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Bei der Eröffnung des Harbour-Front-Literaturfestivals im September 2020 kritisierte Navid Kermani zwei Autoren, die sich geweigert hatten, mit Lisa Eckhart auf der Bühne zu stehen, was zu ihrer Ausladung geführt hatte. Eckhart war ursprünglich aufgrund ihres Debütromans „Omama“ eingeladen worden. Man betonte: „die Bühne ist ein öffentlicher Raum, und da ein unabhängiges Gremium ihren Roman ausgewählt hat, hatte sie das gleiche Recht, diesen öffentlichen Raum zu betreten“.
Es stellte sich später heraus, dass die angeblichen Drohungen gegen den Veranstaltungsort unwahr waren und es lediglich „Warnungen“ aus der Nachbarschaft gab. Wie so oft also viel Ärger um nichts. Ein Artikel der Zeit bezeichnete die Debatte über die Absage der Veranstaltung ohne tatsächliche Drohungen als „Gespensterdebatte“.
Lisa Eckhart liefert Material für Antisemitismusvorwürfe
Im Jahr 2020 wurde Lisa Eckhart aufgrund eines satirischen Beitrags, den sie bereits 2018 in der WDR-Sendung „Mitternachtsspitzen“ präsentiert hatte, Antisemitismus vorgeworfen. In ihrem Beitrag mit dem Titel „Die heilige Kuh hat BSE“ hatte sie in sarkastischer Art und durch eine fiktive Figur die Frage gestellt, was passiert, wenn diejenigen, die als unantastbar gelten, andere Menschen belästigen würden. Sie erwähnte dabei Personen wie Harvey Weinstein oder Roman Polański, die dem jüdischen Glauben angehören, sowie Schwarze wie Bill Cosby oder Morgan Freeman und Homosexuelle wie Kevin Spacey. Sie bezeichnete dies als den „feuchten Albtraum der politischen Korrektheit“.
Lisa Eckharts Äußerung wurde kritisiert, insbesondere ein Satz über Juden und Geld: „Wir haben immer dagegen gekämpft, dass man den Juden vorwirft, es gehe ihnen nur ums Geld, aber jetzt stellt sich heraus, dass es ihnen wirklich nicht ums Geld geht, sondern um die Frauen, und deshalb brauchen sie das Geld.“
In der Jüdischen Allgemeinen schrieb Tom Uhlig, dass ihr satirischer Ansatz darin bestehe, „vermeintliche Tabus zu brechen, die niemals welche waren – auch in Bezug auf Antisemitismus“. Felix Klein, der Antisemitismusbeauftragte der deutschen Bundesregierung, bezeichnete Lisa Eckharts Auftritt von 2018 als „geschmacklos und kritikwürdig“ und erklärte, dass ihre Pointen auf „Antisemitismus, Rassismus und Menschenfeindlichkeit“ basieren. Hier hatte ihre Provokation offensichtlich eine Grenze überschritten.
Andererseits verteidigte Ariane Lemme in einem Artikel in der taz mit dem Titel „Satire muss wehtun dürfen“ Eckharts Humor. Der WDR, der den Beitrag ausgestrahlt hatte, verteidigte Lisa Eckhart gegen den Vorwurf des Antisemitismus und argumentierte, dass sie Vorurteile entlarven wollte. Es folgte wieder das übliche Spiel mit Argumenten für und gegen ihre Aussagen.
Rückendeckung auch in der Jüdischen Allgemeinen
Gerhard Haase-Hindenberg beschrieb in der Jüdischen Allgemeinen, dass Lisa Eckhart gesellschaftliche Vorurteile überspitzt und entlarvt habe. Das Publikum würde positiv auf ihren Tabubruch reagieren. Am 9. November 2021 wurde ein Auftritt von Lisa Eckhart im ORF ausgestrahlt, in dem sie fragte: „Warum sind Juden in Bezug auf Humor den Frauen um zwei Nasenlängen voraus?“ Der Musikjournalist Hardy Funk bezeichnete diesen Auftritt im Bayerischen Rundfunk als eindeutig antisemitisch und urteilte, dass der Witz keinerlei doppelten Boden habe. Viele sahen an dem Punkt, die Antisemitismusvorwürfen als bestätigt.
Eckhart begegnete der Kritik an ihrem Programm „Die Vorteile des Lasters“ im November 2021 mit der Einschätzung, dass es sich dabei um einen weitverbreiteten Reflex handele, auf bestimmte Schlagwörter zu reagieren, und bezeichnete es als „boshaftes Missverstehen“. Weiter stellte sie die Frage auf, wie man mit Antisemitismus und Rassismus umgehen solle: Sollte man sie zu Tabus erheben oder als Witze abtun? Sie betonte, dass sie stets auf der Seite des Humors stehe. Dabei ignoriert sie allerdings, dass Betroffene dabei leider nur allzu oft das Lachen im Hals stecken bleibt.
Lisa Eckhart vs. Kultur der Korrektheit?
Wenn man sich die diversen Kontroversen rund um Lisa Eckhart etwas näher anschaut, dann fällt dabei etwas auf. Die Formulierungen und gesetzten Trigger-Bezeichnungen sind sehr oft fein durchdacht. Wer Texte von Lisa Eckhart liest, wird schnell feststellen, dass sie rhetorisch eine sehr feine Klinge beherrscht. Etwas plump klingen zu lassen kann zwar in erster Linie einfach nur plump sein oder eben einen doppelten Boden besitzen.
Dass dabei aber die Meinungen auseinandergehen, ist nur verständlich. Denn neben dem Zugang tut sich hier auch eine philosophische Grundfrage auf. Wie begegnet man Ungerechtigkeiten und miserablen gesellschaftlichen Verhältnissen?
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Hier geht Lisa Eckhart eindeutig einen eigenen Weg. Sie deswegen als Antisemitin und rechts konservativer abzustempeln, würde ihren Inhalten und ihrer Kunst nicht gerecht werden. Denn ganz ehrlich, Nazis haben andere Merkmale und ein anderes Verhalten, wenn es um Cancel Culture geht, den Eckhart zu keinem Zeitpunkt an den Tag legt.
Denn sie stilisiert sich nie zu einem wehrlosen Opfer. Und das ist eigentlich meistens das Ziel von antisemitischen und rassistischen Aussagen. Nämlich jegliches Gegenargument als verletzenden Angriff auszulegen. Das tut Eckhart nicht. Im Gegenteil, die Kontroversen wirken wie ein zusätzlicher Wirkungsbereich ihres Programms. Dass das nicht jeder und jedem gefällt, was auch völlig in Ordnung ist, ist klar.
Man sollte sich bei der Auseinandersetzung mit Lisa Eckhart einige Fragen stellen. Verändert die Kultur der Korrektheit allein schon etwas? Sprache schafft Realität, aber verändert sie auch Verhältnisse? Müssen wir nicht begleitend dazu eine Debatte führen, um einen Diskurs zu erarbeiten? Und kann die Welt einfach so Leinwand werden, wenn alle ein wenig mehr Rücksicht nehmen? Sind Diskriminierung und Abwertung nicht Teil bestehender Machtstrukturen, die viel zu oft verdeckt und nur oberflächlich kaschiert werden? Und warum sind manche Tabus wichtig und sollten auch weiterhin vielleicht Tabus bleiben!
Titelbild © Moritz Schell
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