Waren die Kündigungen bei Twitter durch Elon Musk in der jüngsten Vergangenheit gerechtfertigt? Die Massenentlassungen via Mails haben in der Belegschaft verständlicherweise für Kopfschütteln gesorgt. Einerseits wurde dabei die unsensible Herangehensweise des neuen Chefs kritisiert, andererseits war für manche die Auswahl des gekündigten Personals nicht wirklich nachvollziehbar. Manche gingen auf Twitter weiter und sprachen davon, dass der Chef hier willkürlich und ideologisch Menschen ihres Einkommens beraubt. Auch wenn Elon Musk wie gewohnt kritikresistent und uneinsichtig über seinen reichweitenstarken Twitter-Account das Gegenteil in die Welt hinaus posaunte, konnte er sein Vorgehen nicht wirklich nachvollziehbar argumentieren.
Die Fassade des entscheidungsfreudigen Businessman bekam kurz darauf Brüche, als Musk in etlichen Fällen seine Entscheidungen zu den Kündigungen revidieren musste. Natürlich sah er auch diesmal den Fehler nicht bei sich, anscheinend waren ihm „falsche Informationen“ zugetragen worden. Wer jetzt denkt, dass die Sache mit ein paar Wiederanstellungen vom Tisch gewesen sei, der irrt. Denn die Kündigungen haben für Musk ein Nachspiel. Die entlassenen Mitarbeiter*innen wittern in ihren Kündigungen vor allem Diskriminierung und Klagen nun. Bei dem Prozess geht es vor allem um eine Frage: Warum hat Elon Musk vor allem Frauen, Menschen mit Behinderungen und Menschen mit familiären Verpflichtungen entlassen?
Fragwürdiger Umgang mit den Medien
Musk kommt medial nicht aus den Turbulenzen. Obwohl der Chefnerd und neuerdings selbst ernannte Verfechter der Meinungsfreiheit sich auf Twitter lupenreinen Erfolg attestiert, schafft er es nicht, die Negativschlagzeilen in den Griff zu bekommen. Seine zahlreichen Twitter-Fails, über die wir bereits berichtet haben, unterhalten dabei online ein Millionenpublikum. Auch wenn vieles davon, was Elon Musk in jüngster Vergangenheit auf Twitter liefert, demokratiepolitisch extrem bedenklich ist.
Wie kürzlich die Sperrung von zahlreichen Journalisten-Accounts und Personen, welche Nachforschungen rund um Elon Musk als Person verfolgen. Musk möchte anscheinend keine Berichterstattung über sich sehen. Klar, im stillen Kämmerlein lassen sich Geschäfte mal besser regeln. Wer will schon nervige Journalist*innen, die über das eigene Treiben berichten? Wer möchte schon einen Account wie @elonjet über sich online sehen, der die Menschen täglich daran erinnert, dass Milliardäre wie Musk durch ihr Reiseverhalten der Umwelt um ein Vielfaches mehr schaden als ein*e durchschnittliche*r Bürger*in?
Berichterstattung ist für das Image von Milliardären schädlich. Dass Journalisten-Bashing dabei gut ankommt, lässt sich gesellschaftlich in den letzten Jahren deutlich beobachten. Zahlreiche Marionetten stellen sich gerne schützend vor Großverdienende wie Elon Musk, um darauf hinzuweisen, dass die Bösen in Wirklichkeit „die Medien“ seien. Wohl unwissend, wen sie durch ihr Geplapper in Wirklichkeit in Schutz nehmen: nämlich die Mächtigen! Nach medialem Druck musste Elon Musk übrigens mittlerweile etliche gesperrte Journalisten-Accounts wieder freischalten.
Kritik an diskriminierenden Twitter Kündigungen von Elon Musk
Direkt nach der Übernahme von Twitter sprach Musk davon, „unangenehme Schritte“ setzen zu müssen. Konkret bedeutete das die Entlassung von 3700 Mitarbeiter*innen im November 2022. Parallel dazu wurde das Arbeitsklima empfindlich unangenehm gestaltet. Musk kündigte „lange Arbeitszeit mit hoher Intensität“ an. Die Drohung zeigte ihre Wirkung, zahlreiche Mitarbeiter*innen traten freiwillig die Kündigung an. Die Angst vom neuen Chef Elon Musk und seinem Verständnis von Effizienz war anscheinend spürbar.
Dass das Vorgehen aber im Nachhinein nochmals eine genauere Prüfung braucht, zeigen die nun eingereichten Klagen gegen die Kündigungen. Denn die Statistik enthält einen Beigeschmack, welcher auf ein Ungleichgewicht und Diskriminierung hindeutet. Gerade bei den Softwareentwickler*innen war nämlich der Prozentsatz der gekündigten Frauen auffallend hoch. Die Kündigungen trafen hier 63 % der weiblichen Belegschaft. Bei den Männern wurden hingegen lediglich 48 % der Softwareentwickler gekündigt. Dies hat zwei Ex-Angestellte veranlasst, Twitter zu verklagen.
In einem Beitrag von „Ars Technica“ einem Blog über Technologie- und Webthemen sprach die Anwältin Shannon Liss-Riordan davon, dass Frauen bei Twitter: „Zielscheiben auf dem Rücken hatten und ungeachtet ihres Talentes und ihre Leistung einem größeren Risiko ausgesetzt waren, ihren Arbeitsplatz zu verlieren, als Männer„.
This decision is a victory for Twitter workers who have been abused by @ElonMusk. @Twitter must notify employees of our legal action, giving them the chance to more fully understand their rights instead of just signing them away under pressure from Musk. https://t.co/7ZunrpBuOF
— Shannon Liss-Riordan (@SLissRiordan) December 15, 2022
In der Klageschrift wird darauf hingewiesen, dass Musk sich bereits mehrmals diskriminierend über Frauen geäußert hat. Und das bereits vor den Kündigungen. Dies wird als Indiz und Hinweis gewertet, dass es also kein Zufall war, dass mehr Frauen von den Kündigungen betroffen waren als Männer. Die Kläger*innen verweisen hier auf mehrere sexistische Tweets von Elon Musk. Zusätzlich kritisieren sie, dass durch die „gesteigerten Anforderungen“ vor allem Frauen Ziel der Maßnahmen waren. Da Frauen in unserer Gesellschaft ebenfalls als Betreuungspersonen für Kinder und Familienmitglieder herhalten müssen und deswegen zeitlich eingeschränkter sind als Männer.
Elon Musks Twitter Kündigungen ziehen mehrere Klagen nach sich
Die Kündigungen sorgen neben der gerade erwähnten Klage für noch mehr juristische Reibereien. Denn parallel zu den Frauen meldeten sich Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit Behinderungen sowie Ex-Angestellte, welche aufgrund von familiären Verpflichtungen oder gesundheitlichen Gegebenheiten gekündigt wurden. Diese Personengruppen waren ebenfalls auffällig und exorbitant häufiger in der Statistik der Kündigungen vertreten als andere Mitarbeiter*innen.
Former Twitter employees hold press conference ahead of hearing https://t.co/rb7U5Xaonc
— Shannon Liss-Riordan (@SLissRiordan) December 8, 2022
Die zweite Klageschrift verdeutlicht die dramatische Willkür und das ungerechtfertigte Vorgehen des neuen Twitter-Chefs. Denn hier reihen sich menschliche Dramen aneinander. Personen aufgrund von gesundheitlichen Problemen oder einer Beeinträchtigung ihres Einkommens zu berauben ist eine diskriminierende Frechheit. Wenn das die Auslegung und Verständnis von Leistung sein soll, dann ist Elon Musks Vision wohl eine ziemlich dystopische.
Von den Kündigungen waren ebenso Menschen betroffen, welche sich aufgrund von familiären Schicksalen wie die Erkrankung eines Familienmitgliedes oder einer kurz bevorstehenden Vaterschaft eine längere Freistellung mit dem Unternehmen vereinbart hatten. Dass Musk hier bald werdende Väter entlässt, weil diese mit ihrer Familie Zeit verbringen wollen, um sich partnerschaftlich in der Erziehung einbringen zu können, ist zumindest perfide und vielleicht sogar juristisch relevant. Die Klagen zu den Kündigungen sind mittlerweile eingereicht. Ob die Entlassungen tatsächlich diskriminierend waren oder nicht, werden jetzt wohl die Gerichte klären müssen. Wir bleiben für euch auf jeden Fall dran.
Titelbild © Shutterstock
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