Street Art im Fokus: Einblicke in die Welt eines professionellen Graffitikünstlers

von Alina Bogensperger am 24.01.2024

Graffiti ist schon lange ein Teil unseres gesellschaftlichen Alltags. Wir verbinden es nicht nur mit einem Hobby oder Vandalismus, sondern mittlerweile auch mit Marketingstrategien und Kunstausstellungen. Sei es ein Schriftzug, eine Signatur, ein einfacher Tag oder ein realistisch aussehendes, farbenfrohes Kunstwerk. Graffiti gibt es in allen Variationen.

Dabei ist es für viele Künstler*innen eine schmale Gratwanderung zwischen dem illegalen und legalen Sprühen. Legale Wände, sogenannte Wall of Fames oder Legal Walls entstanden erstmals durch die Hip-Hop-Kultur 1980 in New York und verbreiteten sich dann langsam auch in Europa. Erst seit diesem Umschwung ist es Graffitikünstler*innen überhaupt möglich, in der Öffentlichkeit straffrei an Wänden zu üben.

Im zweiten Artikel meiner Graffiti-Reportage beschäftigen wir uns mit der legalen und bezahlten Graffiti-Kunst aus der Sicht eines Sprayers. Ich möchte herausfinden, wie der berufliche Werdegang eines Graffiti-Sprühers aussieht und wie sich die illegale und legale Graffitiszene miteinander vereinbaren lassen.

Graffiti als beruflicher Alltag

Afok (aka Dominic Ivan) hat sich sein Hobby zum Beruf gemacht und arbeitet als Graffitikünstler. Er hat dabei geholfen Sprüh-Festivals zu organisieren, bemalt Wände, Hotel-Fassaden und Innenräume. Er sprüht für große Unternehmen, aber gleichzeitig auch für private Kunden. Zusätzlich veranstaltet er in Salzburg Graffiti-Workshops.

Für das Interview treffen wir uns in Dominics‘ Wohnung in Graz. An seiner Wand stehen auf weißen Regalen unzählige Spraydosen, ein Mischpult bedeckt den ganzen Schreibtisch in der Ecke und neben der Küche sind Leinwände an die Wand gelehnt, die mit Graffiti bemalen sind.

© viktoriapatynska / Sprühfestival Graz Jam117 von Raum117

Interview mit Sprühkünstler Afok

Wie bist du zu Graffiti-Kunst gekommen?

Meine Liebe zu Farben und Buchstaben war immer schon da. Als Kind war mir das noch nicht so bewusst, aber ich habe trotzdem schon damals die illegalen Tags bewundert. Meine Mutter hat mich dann bei einem Graffiti-Workshop angemeldet, da habe ich einen Sprüher kennengelernt der später mein Mentor wurde.

Ein weiterer Zugang zu Graffiti war das Spiel von Mark Ecko, Getting Up. Das habe ich regelmäßig auf meiner Playstation gespielt, weil in meiner Heimatstadt Salzburg, noch kein Zugang zum „echten“ Sprayen da war. Durch dieses Spiel und meinen Mentor bin ich dann in die Graffiti-Szene reingerutscht. Da dürfte ich so zehn oder elf Jahre gewesen sein. Der Workshop war auch wirklich cool, das war wie ein Camp. Ich durfte dort auch Break-Dance und Kochen lernen.

Wie haben deine Anfänge in der Graffitiszene ausgesehen?

Ich habe sowohl illegal als auch legal zum Sprühen angefangen. Zugegebenermaßen war es am Anfang mehr illegales Sprayen. Es gab zwar damals schon eine Legal-Wall zum Sprühen, wo richtig gute Sprayer*innen aus der ganzen Welt anzutreffen waren von denen man sich Stile abschauen konnte. Aber das illegale Sprühen hat damals einfach mehr gereizt. Gerade in dem jungen Alter war das spannend.

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Vom illegalen Sprayen zum professionellen Sprühen

Was war der ausschlaggebende Grund für dich, mit dem illegalen Sprayen aufzuhören?

Die Hausdurchsuchung nachdem ich erwischt wurde. Das ist schon lange her, da habe ich noch bei meinen Eltern gewohnt und das war deswegen gar nicht witzig. Zusätzlich kamen natürlich noch die hohen Anwaltskosten dazu und da habe ich beschlossen damit aufzuhören. Ich bereue aber keinen einzigen Strich. Das hat zu meinem Werdegang beigetragen und meine Persönlichkeit geprägt.

An welchem Punkt hast du dich dazu entschieden, dass das Sprühen nicht nur ein Hobby für dich ist, sondern du es gern zum Beruf machen würdest?

Das hatte unterschiedliche Gründe. Ich bin in die Bildhauerschule gegangen, ich wusste, dass ich in dem Bereich nicht bleiben möchte. Dann habe ich gemerkt, dass es möglich ist, mit Graffiti Geld zu verdienen und ja, das hat bis heute angehalten (lacht).

Bei dir klingt das so einfach. Wie sah das anfänglich aus?

Na ja, einfach war es nicht. Ohne Unterstützung hätte ich es nicht geschafft, ich hatte eben meinen Mentor. Der hat mich immer wieder zu Workshops für die Stadt Salzburg mitgenommen. Er hat mir den Weg gezeigt. Zusätzlich bin ich noch anderen Kunstschaffenden begegnet, die mir Techniken im Sprühbereich gelernt haben. Irgendwann war ich ausgelernt. Da kam recht rasch der Moment, wo ich meinen eigenen Weg gegangen bin.

Arbeitsprozess, Tagessatz und Aufträge eines Graffitikünstlers

Kannst du mir einen näheren Einblick geben, wie dein Arbeitsprozess aussieht?

Es kommt immer ganz darauf an, was es für ein Projekt ist. Bei einem Workshop habe ich mittlerweile nicht mehr allzu viel Vorbereitungszeit, weil eine gewisse Routine vorhanden ist. Da weiß ich schon was ich sagen und tun muss.

Aber bei einem Großauftrag fürs Sprühen, muss herausgefunden werden, was die Kunden wollen. Welches Motiv, welche Farbpalette, welcher Stil, wie viel Farbe muss geordert werden. Das ist so ein learning by doing Prozess. Mittlerweile habe ich ein Gefühl wie viele Dosen ich bei welcher Fläche brauche. Auch was das Budget angeht. Bei Riesenprojekten, die mehrere Wochen dauern, mache ich lieber einen Pauschalpreis als eine Tagesgage. Anders als bei kleinen Aufträgen da verlange ich einen Tagessatz.

© Dominic Ivan / Projekt H.B. Daniel Bauchinger

Wie kommst du zu deinen Aufträgen?

Bis heute noch durch Mundpropaganda. Ich schalte manchmal auf Instagram Werbung aber eigentlich nur durchs Reden. Oft sind es Freunde, die mich weiterempfehlen oder wissen, wer gerade jemanden sucht. Andere Sprüh-Kollegen geben mir hin und wieder Bescheid, wenn sie einen Auftrag haben und fragen mich, ob ich mitarbeiten möchte. Also Netzwerken ist schon superwichtig in meinem Beruf. Es gibt natürlich Agenturen in Wien, aber ich habe das Glück, dass ich Salzburger bin. Mit diesem Bonus kriege ich dort oft Aufträge ohne Agentur.

Kannst du allein von der Graffiti-Kunst leben?

Durch die Steuern und Abgaben derzeit, würde ich es eher als Überleben bezeichnen, aber ja (lacht).

Welche Materialien verwendest du in deinem beruflichen Alltag?

Hauptsächlich Sprühdosen und Wandfarbe. Es gibt für die Dosen verschiedene Sprühaufsätze je nachdem wie fein oder grob das Ganze werden soll. Am liebsten sprühe ich mit Montana Gold, Loop, MTN94 und Molotow. Die letzten beiden sind allerdings nur noch auf der Liste, weil ich mit denen angefangen habe (lacht).

Weißt du noch, wie lange du geübt hast, bis das erste schöne Piece entstanden ist?

Das ist natürlich Ansichtssache. Aber so richtig stolz, weil die Linien sauber waren und die Farbkombination gepasst hat, war ich erst nach sechs Jahren Übung.

Sind dir bestimmte Projekte, an denen du gearbeitet hast, besonders in Erinnerung geblieben?

An meinen ersten Auftrag in Berlin kann ich mich noch erinnern, das war für den Rapper Veysel und seine Spotify Werbung. Das Projekt kam durch die Graffiti Agentur XI-Design zustande und wurde von den Künstlern Size Two, Onzeo und mir in knapp vier Tagen fertiggestellt. Besonders in Erinnerung ist mir der Auftrag geblieben, weil ich mit anderen Spraykünstlern zusammen arbeiten durfte.

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Wie reagiert dein Umfeld auf deinen Beruf?

Wenn ich Leuten zeige, was ich beruflich mache, dann sind die überwiegend überrascht (lacht). Viele kennen nur meine privaten Graffitis, die haben meistens nichts mit fotorealistischen Gemälden oder grafischen Arbeiten zu tun. Privat beschäftige ich mich eher mit Stylewriting.

Ist dir aufgefallen, dass sich die öffentliche Meinung zu Graffiti in den Jahren, in denen du diese Kunstform ausübst, verändert hat?

Ja, im legalen Bereich wird es immer mehr akzeptiert. Ich finde es so schön, wenn bei einem Auftrag, bei dem ich draußen arbeite, Leute stehenbleiben und mir beim Sprühen zu schauen. Oft ist es vor allem die ältere Generation, die sich für meine Arbeit interessiert.

Welche Tipps hast du für eine Person, die anfangen möchte, professionell zu sprühen?

Wichtig ist, nicht blind drauflos zu starten. Das kann natürlich funktionieren, aber es ist deutlich leichter, wenn man sich ein Netzwerk aufbaut. Nur Interesse reicht oft nicht. Deswegen finde ich Graffiti-Vereine und Workshops total wichtig. Auch Jugendzentren bieten so etwas öfter an. Es gibt in Wien mehrere Wall of Fames, die sind perfekt, um den eigenen Stil zu verbessern oder Leute aus der Szene kennenzulernen.